Mayr-Melnhof: Österreichs bestes Unternehmen

MayrMelnhof oesterreichs bestes Unternehmen
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Schweizer Vermögensberater werfen einen völlig neuen Blick auf die Qualität börsenotierter Firmen. Im Mittelpunkt steht die langfristige Verzinsung des Kapitals. Europasieger ist H&M, in Österreich liegt Mayr-Melnhof vorne.

Zürich. Welches ist das beste börsenotierte Unternehmen Österreichs? Wer sich als Laie diese Frage stellt, klammert sich meist an einfache Fakten: Er sucht das größte, das umsatzstärkste Unternehmen, das mit dem höchsten Gewinn – oder auch nur das mit dem populärsten Chef, der am öftesten im Fernsehen auftritt.

Wer besonnen in Aktien investiert, schwärmt von Konzernen, die einen hohen Gewinn pro Aktie ausweisen oder großzügige Dividenden ausschütten. Wer zockt, begeistert sich für Firmen, die ihre Gewinne überraschend stark steigern und so den Kurs in die Höhe treiben. Solche Daten sind auch die Basis für die meisten Rankings, von „Forbes“ bis „Fortune“.

Aber wie viel sagt das darüber aus, wie gut gewirtschaftet wird, wie zukunftssicher die finanzielle Basis oder wie stark das Geschäftsmodell ist? Viel zu wenig, sagen die Berater der Schweizer Investmentfirma CE Asset Management (CEAMS). Sie wenden eine komplexere Methode an als die meisten Analystenkollegen – und kommen zu überraschenden Ergebnissen.

„Börsenstory“ entscheidet nicht

Im Vorjahr haben sie ihre Daten zu einem Ranking verdichtet, dem „Corporate Excellence Award“. Neben der Europa-Rangliste gab es ein Länderergebnis für die Schweiz. Heuer sind Deutschland und Österreich dazugekommen. Die finale Entscheidung trifft eine Jury, an der auch renommierte Uni-Professoren teilnehmen. „Die Presse“ berichtet für Österreich exklusiv, zusammen mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ in der Schweiz und der „Frankfurter Allgemeinen“ in Deutschland.

Fazit: Der Textilkonzern H&M ist das beste Unternehmen Europas, der Brillen-Kaiser Fielmann siegt in Deutschland. In der Schweiz wurde Belimo aufs Podest gehoben, ein Hersteller von elektrischen Antrieben für Klimaanlagen und Heizungen. Und in Österreich hat sich der Kartonproduzent Mayr-Melnhof exzellenter als alle anderen erwiesen. Mayr-Melnhof? Gewiss, ein hoch solider, erfolgreicher Konzern, der größte Hersteller von Recyclingkarton auf der Welt und von Faltkartons in Europa – aber noch nie für eine heiße Börsenstory gut. Journalisten wissen: Ein gleichmäßiger, nie spektakulärer Erfolg, gepaart mit moderaten, nie übermütigen Expansionsgelüsten, langweilt die Leser.

Nicht aber die langfristig orientierten Investoren, wissen die Analysten von CEAMS. Sie klopfen das Universum der 1700 größten börsenotierten Firmen mit einer Vielzahl von Kennzahlen ab. Dazu kommt, mit gleich starker Gewichtung, eine qualitative Analyse. Seit neun Jahren wendet CEAMS seine Methode bei der Aktienselektion an. Das Ranking ist nur ein wertvolles „Abfallprodukt“. Eine Überzeugung steht im Mittelpunkt: Dass die optimale Nutzung des eingesetzten Kapitals die Qualität eines Unternehmens ausmacht.

Üblicherweise wird die Gewinnrechnung betrachtet und Ergebnis oder Cashflow mit dem Umsatz in Bezug gesetzt. Das genügt auch für alle, die Aktien kurzfristig kaufen und verkaufen. Für langfristige, große Investoren oder Eigentümerfamilien aber ist die abgesicherte Rendite ihres Kapitaleinsatzes relevant. Sie müssen strategisch entscheiden und prüfen, ob eine andere Anlageform auf Dauer eine bessere Verzinsung bietet.

So verwundert es nicht, dass alle gekürten Unternehmen einen starken Eigentümerbezug haben. 69Prozent der Stimmrechte bei H&M liegen in den Händen der Familie Persson, die auch das Topmanagement stellt. Bei Mayr-Melnhof ist die Familie mit 59 Prozent größter Eigner. Die CEAMS-Methode hat den Anspruch, Fehlentwicklungen rascher zu erkennen. Mit ihr waren die Probleme der Swiss schon absehbar, als die üblichen Kennzahlen noch glänzten. Und auch dass die Investmentbanken vor dem Crash nur mehr Buchgewinne produzierten, fiel auf: „In der letzten Krise hat nicht der Kapitalismus versagt, sondern die Kapitalisten, weil sie nicht mehr auf die Ertragsqualität geschaut haben“, sagt Partner Philipp Weckherlin.

Das Ranking ist keine Anlageempfehlung. Die Bewertung der Aktie wird nicht beachtet, über die Qualität in der Zukunft keine Prognose erstellt. Bewusst wird auf Branchensieger verzichtet. Denn bei einem „Best in class“-Ansatz bestehe die Gefahr, dass Probleme einer Branche übersehen werden.

(c) DiePresse

„Maschinen“ für Wachstum

Oder ihre Stärke: Als Stars der Stunde erweisen sich die großen Textilketten. Nicht nur H&M, sondern auch der spanische Konkurrent Inditex (mit der Marke Zara) ist topplatziert. „Wenn sie einmal die richtige Formel gefunden haben, sind das unglaublich starke Geschäftsmodelle“, erklärt Weckherlin. Die Schweden von H&M sind sehr ertragsstark, unabhängig, weil sie selbst in Schwellenländern produzieren, sie profitierten bei den Kosten durch hohe Volumina und haben noch viel Spielraum, die Preise zu senken und Marktanteile zu gewinnen: „Solche Riesenmaschinen für Wachstum sind kaum mehr zu bremsen oder einzuholen.“ Es sei denn, sie verpassen den Anschluss an die Launen der Mode – die einzige echte Bedrohung, die aber kleiner wird, je stärker sie die Trends selbst setzen.

Auch über Mayr-Melnhof ist man voll des Lobes: stabile Margen, hohe Kapitaleffizienz, Maschinen am neuesten Stand. Aber auch kleine Schwachpunkte werden genannt. So ist den CEAMS-Tüftlern aufgefallen, dass MM sich schwer tut, Preiserhöhungen im Einkauf ganz an die Kunden weiterzugeben. Weil die Preise für Recyclingfasern (Altpapier) sich in wenigen Monaten verdoppelt haben, kann das zum Problem werden. Ein Detail, das aber zeigt, wie tief bei der Analyse geschürft wird – und wie aussagekräftig ein Spitzenplatz ist.

Auf einen Blick

Corporate Excellence Award. Die Schweizer Vermögensverwalter von CEAMS klopfen börsenotierte Firmen auf eine Reihe von Kennzahlen ab. Entscheidend ist nicht der kurzfristig erzielbare Ertrag des eingesetzten Kapitals, sondern die langfristig abgesicherte Rendite. Das Analysemodell von CEAMS erhebt auch den Anspruch, Probleme rascher zu erkennen. So war der Crash der Swiss Air bereits absehbar, als die traditionellen Kennzahlen noch glänzten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2011)

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