Mitterlehner: "Wir haben ein Triple A zu verteidigen"

Mitterlehner haben Triple verteidigen
Mitterlehner haben Triple verteidigen(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Der Wirtschaftsminister über die Unmöglichkeit eines großen Wurfes der Regierung, das Dilemma des Sparens, den Reformbedarf in der Firma Österreich und den Weg zum Stromexporteur. Ein "Presse"-Interview.

Herr Minister, die Regierung hat ein neunzig Punkte umfassendes Programm beschlossen. War das der große Wurf?

Reinhold Mitterlehner: Es ist eine Illusion, dass es den großen Wurf gibt, bei dem sich von heute auf morgen alles ändert. Eine pluralistisch ausgelegte Gesellschaft lässt sich nur Schritt für Schritt verändern. Was die Regierung mit den 90 Maßnahmen tut, ist ein ambitionierter Versuch, die nächsten zwei Jahre in dieser Weise aufzuarbeiten.

Der Reformbedarf ist aber riesig, sagen Experten.

Wir sind keine Realitätsverweigerer oder Schönredner. Das, was die Wirtschaft in Sachen Effizienzsteigerung jetzt schon tut, muss der Staat in seiner Strukturreform noch nachliefern. Aber da gibt es das Dilemma, dass jeder unter Reform etwas anderes versteht. Die Länder haben etwa bei der Gesundheitsreform einen ganz anderen Zugang als der Bund, der ja die Finanzierung aus einer Hand möchte – und die eine Hand soll das Gesundheitsministerium sein.

Der gelebte Föderalismus ist eine Reformbremse?

Das System ist so, wie es ist, Realität, und ich glaube nicht, dass man das jetzt einfach so ändern kann oder dass plötzlich das große Einsehen auf der einen oder anderen Seite ausbricht. Da muss man versuchen, mit allen Beteiligten eine Lösung zu erreichen.

Klingt eher pessimistisch.

Es gibt eine Solidargemeinschaft, wenn es um die Verteilung der Leistungen geht, und es gibt keine Solidargemeinschaft, wenn es um Krisensanierung geht. Da wird man alle Beteiligten in ein Konzept einbinden müssen. Wir haben eine weltweite Konjunkturkrise gehabt. In dieser Phase hat der Staat zur Konsumstützung und Konjunkturbelebung zwölf Milliarden Euro investiert. Und jetzt geht es um die Frage, wie man das refinanziert. Eine Krisendividende, die die Kosten hereinspielt, gibt es nicht, und dafür, dass man mit dem Konjunkturzyklus die Kosten hereinholt, ist das Wachstum zu schwach.

Es existieren Sparvorschläge von Wirtschaftsforschern, vom Rechnungshof, vom Österreich-Konvent über ziemlich genau diese zwölf Milliarden Euro.

Ja, und die klingen beim ersten Hinschauen sehr positiv. Das Wifo zum Beispiel sagt, dass man von den 15 Milliarden Unternehmensförderungen innerhalb von drei bis vier Jahren vier bis fünf Milliarden einsparen könnte. Wenn man aber näher hinschaut, sieht man, dass da die Länderfinanzierungen für die Spitäler und Finanzierungen an die Bundesbahn drin sind und nur sechs Milliarden Euro auf echte Wirtschaftsförderung entfallen. Wenn ich von diesen sechs vier Milliarden streiche – dann ist wohl jeder Spielraum weg.

Und wie kommt man aus diesem Dilemma heraus?

Wir müssen das, was wir schon begonnen haben, nämlich den Österreich-Konvent, weiterführen, und wir müssen aus den Beteiligten Betroffene machen. Die Sozialpartner etwa gehören stärker eingebunden. Dann können sie gleich beweisen, dass sie Effizienzpotenzial im eigenen Bereich heben können. Etwa durch die Zusammenlegung von Sozialversicherungen.

Die Notwendigkeit einer umfassenden Reform ist also unbestritten?

Wenn ich internationale Benchmarks betrachte, stelle ich fest, dass der Staat Österreich im Rahmen seiner Staatsausgabenstruktur rund 1,5 bis zwei Prozent darüber liegt. Das heißt, die Firma Österreich ist unproduktiver als andere entwickelte Volkswirtschaften – und gehört eben modernisiert.

Und wo soll der Druck für diese Modernisierung herkommen?

Wir müssen die Strukturreform schon deshalb beschleunigen, weil wir sonst international Finanzierungsprobleme bekommen. Die Märkte bestrafen jede Ineffizienz des Staates. Der Leidensdruck, den uns die Finanzmärkte auferlegen, wird hier Schrittmacher sein. Wir haben immerhin ein Triple A (höchste Bonität, Anm.) zu verteidigen.

Apropos Finanzmärkte: Die Griechenland-Hilfe ist nicht nur innerhalb der Eurozone, sondern auch innenpolitisch höchst umstritten.

Die Opposition sollte, wie beim ersten Bankenpaket, ihre Staatsgesamtverantwortung in Betracht ziehen. Dieses Thema eignet sich wirklich nicht für Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition. Es gibt keine Alternative, auch der Euroaustritt ist keine. Als exportorientierte Wirtschaft wären wir allein chancenlos.

Sie haben vorhin gesagt, dass die Umstrukturierung der Wirtschaft in Richtung Dienstleistungen und Ökoinnovation schneller als erwartet läuft. Womit wir bei der anstehenden Änderung der Ökostromförderung sind.

Da sehe ich gute Chancen, die Förderung so umzugestalten, dass sie nicht der technologischen Weiterentwicklung im Weg steht. Man kann ja nicht einfach undifferenziert 13 Jahre dahinfördern.

Und wie soll diese Lösung ausschauen?

Wir wollen einen Teil der Ökostromförderung, rund ein Drittel, als Investitionsförderung vergeben und den verbliebenen Teil, der für fixe Einspeistarife (zu diesen wird den Produzenten der Strom abgenommen, Anm.) verwendet wird, leicht degressiv gestalten. Das soll für Kleinwasserkraft und Fotovoltaik gelten. Windkraft ist auf dem Weg zur Marktfähigkeit ja schon sehr weit.

Wohin wollen Sie die Ökostrombranche mit diesen Förderungen bringen?

Wir werden durch den forcierten Ausbau des Ökostroms in drei bis vier Jahren vom Stromimporteur zum Stromexporteur werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2011)

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