Industrielle: "Bald fehlen 500.000 Arbeitskräfte"

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Laut Industriellenvereinigung führt der frühe Pensionsantritt künftig zu drastischem Personalmangel. Für Firmen werde Europa generell zunehmend unattraktiv. Die Politik müsse das Bildungssystem reformieren.

Wien/Jaz. „Acht von zehn Unternehmen sehen bereits heute eine Lücke zwischen der Zahl an qualifizierten Fachkräften, die sie benötigen, und dem Angebot auf dem Arbeitsmarkt“, sagte IV-Präsident Veit Sorger am Mittwoch anlässlich der Präsentation einer Studie über heimische „Leitbetriebe“. Und in den nächsten Jahren werde sich diese Situation noch weiter verschlimmern.

„In Deutschland werden in den nächsten 15 Jahren um fünf Millionen mehr Menschen in Pension gehen als neu auf den Arbeitsmarkt kommen. Diese Zahlen sind mit dem Faktor zehn direkt auf Österreich umlegbar. Das heißt, es fehlen schon bald bis zu 500.000 Arbeitskräfte“, so Sorger.

Die Gefahr, dass Betriebe sich aufgrund des Fachkräftemangels nicht mehr in Österreich ansiedeln oder das Land sogar verlassen, ist laut Sorger wesentlich höher, als dass sie diese Schritte aufgrund der hohen Kosten vollziehen würden. Das Problem sei bislang jedoch noch nicht, dass es zu wenig junge Menschen gäbe, sie hätten aber oft die falsche Ausbildung, stimmte Voest-Chef Wolfgang Eder zu: „Viele Lehrlinge machen inzwischen die Matura und gehen auf die Uni. Sie kommen dann oft nicht als Techniker zurück, sondern studieren Fachrichtungen wie Soziologie oder Politologie, für die es dann ohnehin nicht genügend adäquate Jobs gibt.“

„Perverse Situation“

Um diesem Problem gegenzusteuern, müsste die Politik das Bildungssystem reformieren und das faktische Pensionsantrittsalter erhöhen. „Die Hacklerregelung führt derzeit ja zur perversen Situation, dass es für Mitarbeiter lukrativer ist, in Pension zu gehen, als noch zwei Jahre zu arbeiten“, sagte Eder.

Zu dem in dieser Frage oft vorgebrachten Einwurf, dass ältere Arbeitnehmer von den Betrieben in die Pension getrieben werden, meinte Sorger: „Das stimmt. Wir haben uns lange so verhalten. Aber auch wir haben inzwischen dazugelernt.“

Aber nicht nur die fehlenden Arbeitskräfte würden es Unternehmen etwa aus der Stahlbranche schwer machen, sich für Standorte in Österreich oder Europa zu entscheiden, sagte Eder.

So würden beispielsweise die aktuellen Klimaschutz- und Umweltregeln in der EU es „nicht vorstellbar“ machen, dass das geplante zweite Stahlwerk der Voest in einem EU-Land gebaut werde. Infrage kommt laut Eder „die Region nördlich und südlich des Schwarzen Meeres sowie das östliche Mittelmeer“. Konkrete Aussagen zu diesem Thema soll es jedoch erst Ende 2012 geben, so der Voest-Chef.

Eder stößt sich auch daran, dass das „Vertreten von legitimen Interessen der Industrie“ ständig kritisiert werde. „Wenn ich einmal ein paar Tage in Brüssel bin, wird das als unangemessenes Lobbying bezeichnet. Dass NGOs aber dort ständig die Klinken putzen und für möglicherweise utopische Ziele antichambrieren, wird als normal angesehen“, so Eder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2011)

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