Franken-Kredite für viele Städte tickende Zeitbombe

(c) Erwin Wodicka
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Neben Linz sorgen Franken-Darlehen auch in Wien für Kritik. Der Höhenflug des Schweizer Franken sorgt für Kopfzerbrechen. Um 20 % und mehr sind die Schulden jener gestiegen, die einen Franken-Kredit haben.

Wien. Bei der Gemeinderatssitzung in Linz gab es am Donnerstag hitzige Debatten. Denn der Linzer Rechnungsabschluss weist statt des geplanten kleinen Plus einen Verlust von 35,8 Mio. Euro bei den laufenden Ausgaben aus. „Wir haben kein Vertrauen mehr in die Finanzpolitik der SPÖ“, erklärt Vizebürgermeister Erich Watzl (ÖVP). Der Unmut hängt mit den riskanten Spekulationsgeschäften der Stadt, die mit der Bawag abgeschlossen wurden, zusammen. Der Höhenflug des Schweizer Franken sorgt nicht nur bei Häuslbauern, sondern auch bei Bürgermeistern für Kopfzerbrechen. Um 20 Prozent und mehr sind die Schulden jener gestiegen, die einen Franken-Kredit abgeschlossen haben. Besonders schlimm hat es Linz erwischt. Denn die Stadt hat zu einem Franken-Darlehen im Wert von 150 Mio. Euro ein umstrittenes Zinssicherungsgeschäft mit einem Turboeffekt abgeschlossen.

Bislang wurde ein Verlust von 23,7 Mio. Euro realisiert. Im Oktober ist die nächste Rate fällig. Nach dem derzeitigen Franken-Kurs müssten dann weitere 20 Mio. Euro an die Bawag bezahlt werden. „Einer aktuellen Bewertung zufolge könnte das bis 2017 laufende Geschäft bis zu 330 Mio. Euro kosten“, erklärt ein Sprecher von Vizebürgermeister Watzl. Die angekündigte Klage gegen die Bawag wegen „Wucher und arglistiger Täuschung“ wurde noch nicht eingebracht. Dem Vernehmen nach soll es im Vertrag mit der Bank sehr wohl entsprechende Risikohinweise gegeben haben. Die Bawag versichert, korrekt vorgegangen zu sein. Der Rechnungshof wird die Causa unter die Lupe nehmen.

Um über die Runden zu kommen, werden in Linz jetzt die Ausgaben gekürzt – wie etwa für die Straßenreinigung.

Wien: Kredite in Milliardenhöhe

Die Linzer sind nicht die Einzigen, die auf den Franken gesetzt haben. Bei der Stadt Wien ist der Schuldenstand im Vorjahr von 1,87 Mrd. Euro auf 3,07 Mrd. Euro explodiert. Als Grund dafür nennt Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SPÖ), dass im Zuge der Wirtschaftskrise die Einnahmen gesunken sind. Zudem seien Maßnahmen gegen die Krise gesetzt worden.

Das in Franken aufgenommene Volumen macht umgerechnet 1,5 Mrd. Euro aus. Mit Stichtag Ende 2010 sind daraus Buchverluste von 233 Mio. Euro entstanden. Die Opposition schießt sich deswegen auf Brauner ein. „Die Verluste sind nicht realisiert worden“, betont Brauners Sprecher. Seinen Angaben zufolge sei der Stadt durch die Franken-Finanzierung von 2001 bis 2010 ein Zinsvorteil von 220 Mio. Euro entstanden. Zudem müsse Wien die Schulden nicht zu einem fixen Zeitpunkt zurückzahlen, sondern könne sie dann begleichen, wenn der Franken-Kurs günstig sei.

Einen Überblick, wie viele Kommunen in fremder Währung verschuldet sind, gibt es nicht, sagt Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer. „Betroffen sind aber meist größere Städte, die über eigene Finanzexperten verfügen.“ Kleinere Gemeinden hätten sich nicht getraut, komplexe Transaktionen abzuschließen.

Trotzdem dürfte die Liste der Kommunen, die spekuliert haben, lang sein. Mattsee etwa beklagt wegen des Franken-Kurses einen Buchverlust von 1,3 Mio. Euro. In Niederösterreich erheben ein Dutzend Gemeinden Vorwürfe gegen Raiffeisen wegen Devisen-Optionsgeschäften, die an den Franken gebunden sind. „Wir führen mit diesen konstruktive Geschäfte“, heißt es bei Raiffeisen. Die Bank Austria hat sich mit streitbaren Gemeinden bereits verglichen.

Auf einen Blick

Um 20 Prozent oder mehr sind die Schulden jener gestiegen, die einen Kredit in Schweizer Franken abgeschlossen haben. In Linz hat sich deswegen die Finanzlage der Stadt verschärft. Die Stadt Wien ist umgerechnet mit 1,5 Mrd. Euro in Franken verschuldet, hat aber den Kursverlust nicht realisiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2011)

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