Kunsthandel: Bieten über Bits und Bytes

Kunsthandel Bieten ueber Bits
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Immer mehr Experten im Kunsthandel wittern einen neuen Trend: Echte Onlineauktionen für Kunst und Luxusobjekte könnten das nächste große Ding im Internet werden. Ein Wiener Start-up geht als Erstes an den Start.

Und zum Dritten! Routiniert, schwungvoll und mit konzentriertem Blick lässt Fabian Markus den kleinen Hammer niedersausen. Schon seit vielen Jahren bringt der deutsche Auktionator Design und edle Kunstwerke unters Volk der Sammler. Seit einem Monat aber agiert er nicht mehr in den hehren Hallen traditioneller Auktionshäuser, sondern vor Computerbildschirmen und Webcams. Sein neues Publikum kommt aus aller Welt und bietet aus dem Wohnzimmer: der Immobilienmanager in Peking, der Starfußballer in Holland, die Asiatica-Expertin in Odessa und diese junge Frau aus Vancouver, die ganz verrückt nach Schmuck und alten Luxusuhren ist.

Es sind die ersten echten Onlineauktionen für Dinge, die schön, gut und teuer sind. Veranstalter ist eine neue Internetplattform namens Auctionata. Zu Hause ist sie im virtuellen Raum, die Idee dazu aber kommt aus Österreich, und vom Firmensitz Wien aus könnte sie die Welt erobern. Experten raunen es immer lauter: Der Markt für Kunstauktionen, der sich seit seinen Anfängen vor 400Jahren kaum verändert hat, steht vor einer Revolution. Die Zeit ist reif für das Bieten über Bits, für hohe Gebote per Mausklick.

Jäger versus Sammler. Unreif war die Zeit lang genug. Wer das Publikum auf Kunstmessen kennt, versteht warum: Der traditionelle Premiumkäufer für schöne alte Sachen ist meist weit über 50 und ein digitaler Invalide, der sich neuen Kommunikationsformen jenseits des Mobiltelefons stolz verweigert. Er schwört auf das persönliche Gespräch mit dem Galeristen seines Vertrauens, den Rat der Experten, die Fakten der Gutachter. Kaufen im Internet? Das ist ja nur was für Schnäppchenjäger, die auf den Preis schauen müssen. Und außerdem viel zu gefährlich. Ein Sammler überweist doch nicht hohe Beträge an Wildfremde, nur um dann zu merken, dass er anonymen Betrügern auf den Leim gegangen ist.

So hörte es auch Alexander Zacke, Erfinder und Strategievorstand von Auctionata, lang von seiner Klientel. Er organisierte früher selbst Auktionen; die Galerie seiner Mutter am Kohlmarkt ist eine der ersten Anlaufstellen für Asiatica. Doch er spürt, wie sich der Wind dreht – dank Facebook und Finanzkrise. „An sozialen Netzwerken kommt niemand vorbei, der nicht vergessen werden will“, sagt Zacke. In den USA geht die Facebook-Nutzung längst quer durch alle Altersgruppen. Während sich die Alten vernetzen, fangen die Jungen an zu kaufen: „Wir erleben eine Flucht in Sachwerte von biblischem Ausmaß.“ Wer das Vertrauen in Banken und stabilen Geldwert verloren hat, legt in Kunst, Möbeln und Design an – auch jene Generationen, die mit dem Internet wohlvertraut sind.

Weil Zacke Experte für Spezialitäten ist, nutzt er selbst das Netz schon seit dem Start von eBay 1995. Sammler von Samurai-Schwertern oder figürlichen Tabakdosen gibt es nur ein paar Tausend, und die sind über die ganze Welt verstreut. Da liegt es nahe, sich über digitale Marktplätze auszutauschen. Die Idee mit den Kunstauktionen aber stammt ursprünglich aus der Ecke der Preisbewertungsseiten. Auf ihnen kann jedermann gegen Entgelt eine riesige Datenbank nutzen, um zu erfahren, wie viel ein bestimmtes Kunstwerk kosten darf.

Artnet aus Deutschland und Artprice aus Frankreich haben es damit sogar an die Börse geschafft. Aber bei Artnet kommt schon 30Prozent des Umsatzes aus der Wachstumssparte Auktionen. Vor kurzem stellte Firmengründer Hans Neuendorf einen echten Warhol ins Netz, mit einem Schätzwert von 1,5 Millionen Dollar. Am kommenden Mittwoch soll er den Besitzer wechseln.

Auf die Händler kommt es an.
Zacke glaubt nicht, dass es funktionieren wird: „Artnet arbeitet nach dem eBay-Prinzip. Mit einer richtigen Versteigerung hat das wenig zu tun“ – weil die Gebotsphase mindestens eine Woche dauert und Bieter wie Anbieter anonym bleiben. Die Auctionata-Macher aber haben zwei Jahre und über 100.000 Programmierstunden in eine patentierte „auction engine“ investiert. Sie ermöglicht die komplette Show samt Gemeinschaftserlebnis: Die Versteigerung erfolgt in Echtzeit, eine Stunde lang agiert der Auktionator am Bildschirm. Die meisten Bieter kennen sich über ihr Profil.

Vor allem aber sind die Verkäufer transparent: bisher 150 angesehene Händler aus London, Paris, New York oder Hongkong. Sie werden streng geprüft und durch Verträge gebunden, bevor sie Mitglied im Netzwerk sind. So kann Auctionata dem Käufer, der den gesamten Preis vorab überweisen muss, garantieren, dass die Ware echt ist und auch wirklich bei ihm ankommt. Im übrigen ist in den drei Wochen vor der Auktion eine Besichtigung beim Verkäufer möglich. Auch das Drumherum ist wie im „echten Leben“: Unabhängige Sachverständige treten auf, Galeristen beraten Interessenten, Sammler tauschen Gedanken aus – nur alles viel stärker vernetzt.

Der wirtschaftliche Vorteil der reinen Onlineauktion liegt in den Faktoren Zeit und Preis. Bisher wurde die Ware vom Verkäufer ins Auktionshaus verfrachtet und dort ausgestellt, bevor sie zum Käufer ging. Das ergab Prozesszeiten von einem halben Jahr. Zwar versteigern auch Sotheby's, Christie's und Co. günstigere Teile ihres Sortiments online, aber das logistische Prinzip ist dasselbe. Geht die Ware aber direkt vom Verkäufer zum Bestbieter, verkürzt sich die Abwicklung drastisch auf ein bis zwei Monate. Und auch die Kosten schrumpfen: Statt einer Provision von 18 bis 25 Prozent muss der Käufer nur fünf Prozent zuzahlen. Zudem erspart man sich den Katalog, „ein Klotz am Bein der Auktionshäuser“, weil er die Zahl der Objekte im Angebot stark einschränkt.

Die tägliche Show.
Deshalb hält auch ein führender deutscher Risikokapitalgeber die „Auktionsmaschine“ für eine ziemlich gute Geschäftsidee. Soeben schloss sich ein zweiter an, dazu kommen private Investoren. Drei Millionen Euro flossen so bisher in das Start-up, das im September 2010 gegründet wurde und seit Februar online ist. Im Herbst stehen weitere Finanzierungsrunden an. 16 Softwareentwickler arbeiten in Bratislava auf Hochtouren.

Im November beginnt der reguläre Betrieb mit einer Auktion pro Woche, ab März 2012 ist der tagtägliche Bieter-Thrill geplant. Gestartet wird mit nur zwei Sektoren: Schmuck/Accessoires/Vintage-Fashion sowie Asiatica. Möglichst viele der 50 Kategorien aus der Welt von Kunst und Luxus mit Patina sollen folgen. Schließlich könnten dann auch Picassos, Schieles und Rembrandts unter den digitalen Hammer kommen: zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17. Juli 2011)

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