Justiz hörte Grasser monatelang ab

Former Austrian Finance Minister Grasser gestures during news conference in Vienna
Former Austrian Finance Minister Grasser gestures during news conference in Vienna(c) REUTERS (Lisi Niesner)
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Die Staatsanwaltschaft hat von Juli bis Oktober 2010 Telefongespräche und E-Mails des Ex-Finanzminister überwacht. Grassers Anwalt kündigte eine Beschwerde an: "Das ist ein Vorgehen wie gegen einen Mafiaboss".

Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser ist von der Justiz monatelang abgehört worden, berichtet das Nachrichtenmagazin "Format", die Staatsanwaltschaft Wien bestätigte das. Demnach fand der Lauschangriff im Vorfeld der ersten Grasser-Einvernahmen im Herbst 2010 statt. Auch die Mitbeschuldigten in der Buwog-Causa, Grassers Trauzeuge Walter Meischberger und der Immobilienmakler Ernst Plech, wurden demnach observiert. Grassers Anwalt Manfred Ainedter bestätigte, dass sein Mandant nun offiziell von der Abhöraktion informiert wurde und kündigte eine Beschwerde an.

"Die Ruf- und Standortdatenrückerfassung bzw. laufende Überwachung der Teilnehmeranschlüsse ist als begleitende Maßnahme (...) erforderlich, um konspirative Absprachen der Beschuldigten angesichts der Ermittlungsschritte aufzudecken und daraus neue Erkenntnisse in Bezug auf die Geldflüsse zu gewinnen", zitiert das Magazin aus der Anordnung der Observierung durch die Staatsanwaltschaft Wien vom Juli 2010. Die Observation wurde demnach von Juli bis Oktober 2010 durchgeführt. Auch der E-Mail-Verkehr wurde gesichert.

Abgehört wurden nicht nur die Telefongespräche via Handy, Festnetz und Skype: Laut "Format" wurden auch die Standortdaten ermittelt, inklusive Online-Standort-Peilung - auch außerhalb der Gesprächszeiten. Dazu sei auch eine grafische Darstellung der Personenbewegungen gemacht worden. Ein Team der "Sondereinheit für Observierung" sei ausgeschickt worden, um sich landesweit vor Wohnungen und Büros von Grasser, Meischberger und Plech zu postieren.

Mit acht Handynummern telefoniert

Erfasst wurden laut dem Bericht die Handyendgeräte, da die Ermittler mit einem häufigen Sim-Karten-Wechsel rechneten. Grasser habe in Summe mit acht und Meischberger mit fünf unterschiedlichen Handynummern telefoniert, stellten die Ermittler laut "Format" fest.

Ob die Observation neue Erkenntnisse im Ermittlungsverfahren gebracht hat, bleibt offen. Grassers Stiftungsnetzwerk in Liechtenstein wurde jedenfalls erst danach bekannt. Auch die Ermittlungen wegen Verdachts aus Steuerhinterziehung begannen später. Nach Beendigung des Einsatzes habe die Staatsanwaltschaft die Schweiz um Rechtshilfe zur Kontenöffnung bei drei Banken ersucht: Bei der St. Galler Kantonalbank, der Alpha Rheintal Bank und der BSI SA. Beim Bankhaus BSI SA in Lugano seien 2009 von dort C-Quadrat-Aktien auf ein Buwog-Provisionskonto "15444" in Liechtenstein übertragen worden. Grasser war früher C-Quadrat-Aufsichtsratspräsident. Auf dem Konto "15444" landete ein Drittel der Buwog-Provisionen, so "Format". Grasser werde hinter dem Konto "15444" vermutet - was Grassers Anwalt Ainedter entschieden bestreitet.

Offenbar Gespräch mit Schüssel abgehört

Zu den abgehörten Personen sollen auch Prominente, darunter Industrielle und Politiker, befinden. Die Liste der betroffenen Personen und die Überwachungsprotokkolle werde vorläufig streng geheim gehalten, berichtet das "Format". Wie der "Standard" in einer Vorabmeldung schreibt, habe Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel kurz nach der ersten Einvernahme Grassers am 2. September mit diesem telefoniert - und ihm mental den Rücken gestärkt. Schüssel sei dazu für den "Standard" nicht zu erreichen gewesen. Gerüchte über ein Telefonat mit dem früheren ÖVP-Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll weist dieser zurück.

Bisher war nur bekannt, dass Grasser durch seine Telefongespräche mit dem abgehörten Meischberger rund um die Buwog-Ermittlungen im Jänner und Februar 2010 indirekt ins Visier der observierenden Ermittler geraten war. Grasser hat stets alle Vorwürfe in der Buwog-Causa zurückgewiesen, es gilt die Unschuldsvermutung.

Ainedter: "Vorgehen wie gegen Mafiaboss"

Grassers Anwalt Ainedter hat auf Anfrage der APA bestätigt, dass die Justiz nun seinen Mandanten von der Abhöraktion vor rund einem Jahr offiziell verständigt habe. Dass prompt ein Magazin darüber berichte, sei "der nächste Amtsmissbrauch", wetterte der Rechtsvertreter. Ainedter kündigte eine Beschwerde gegen die Maßnahme an. Die Observation sei jedenfalls "unverhältnismäßig" gewesen, da kein dringender Tatverdacht bestanden habe. "Das ist ein Vorgehen wie gegen einen Mafiaboss".

Die Observation habe offenbar keine neuen Erkenntnisse gebracht, denn sonst wäre Grasser damit wohl bei seinen Einvernahmen konfrontiert worden, mutmaßt der Anwalt.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, Thomas Vecsey, wollte auf APA-Anfrage keine Stellungnahme abgeben. Unabhängig davon ob es konkret nun dazu gekommen sei, sollten derartige Ermittlungsmethoden, die sehr in die Privatsphäre eingreifen, nicht in der Öffentlichkeit bekannt werden, so Vecsey.

(APA)

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