Fekter: "Merkel soll sich bei der Nase nehmen"

Finanzministerin Maria Fekter
Finanzministerin Maria Fekter (c) APA/HERBERT NEUBAUER (Herbert Neubauer)
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Finanzministerin Maria Fekter im "Presse"-Interview über Hau-Ruck-Aktionen im Euroland, den Amtsmissbrauch der Unis, den aggressiven Hass der Linken, und Sinn oder Unsinn von Privatisierungen und Schuldenbremsen.

Die Presse: Frau Ministerin, wie halten Sie es denn privat so mit dem Sparen?

Maria Fekter: Mein Mann ist der Finanzminister der Familie. Er bremst meine Tochter und mich vor übereilten Hobby-Ausgaben, vor allem in Richtung Mode.

Bei den Staatsfinanzen und den Hilfen für Euro-Problemländer geht es um ganz andere Beträge. Bereitet Ihnen das schlaflose Nächte?


Ja! Wir müssen uns schon fragen: Was ist an Solidarität in Europa noch leistbar? Das nimmt eine Dimension an, die an die Grenze geht. Weil wir ja selbst keinen Polster haben, sondern ganz im Gegenteil ein Schulden-Damoklesschwert. Wenn wir unser AAA-Rating verlieren, würden wir schlagartig exorbitante Zinsen haben. Deshalb bin ich auch gegen Eurobonds.

Der Anteil der Staatsausgaben am BIP ist seit der Krise von 48 auf 52 Prozent gestiegen. Die Rezession ist vorbei, die hohe Staatsquote bleibt. Ökonomen halten das für gefährlich, für den deutschen Altkanzler Kohl beginnt ab 50 Prozent der Sozialismus. Was tun Sie als ÖVP-Ministerin dagegen?

Wir haben schon den Pfad einer Ausgabenbremse eingeschlagen. Zuerst müssen wir den Förderdschungel durchleuchten: Österreich ist Europameister bei Förderungen, wir geben das meiste Transfergeld in ganz Europa aus.

Mit diesen Transfers wird in Österreich umverteilt. Ist das Ausmaß der Umverteilung zu hoch?

Bei uns gibt es einen Reflex: Der kleine Mann gehöre entlastet. Und niemand sagt dazu, dass bei uns nur mehr eine Minderheit überhaupt Steuern zahlt. Es macht mir Sorgen,wie da die Realität verschoben wird. Wir kreieren Situationen, bei denen wir jeden Leistungsanreiz wegtransferieren.

Wer, wenn nicht Sie, soll das ändern?

Zuerst müssen wir mehr Transparenz schaffen. Niemand hat einen Duchblick, auch ich nicht, auch Sie nicht. Sie wissen überhaupt nicht, was Ihnen alles an Transfers zusteht. Wenn wir den Überblick haben, können wir mehr Effizienz schaffen. Den hohen Staatsanteil haben wir heute, weil wir so ineffizient sind.

Aber diese Transparenzdatenbank, das Lieblingsprojekt Ihres Vorgängers Pröll, wurde gerade auf die lange Bank geschoben. Sie soll erst 2017 kommen. Eine Totgeburt?

Das ist ein Unsinn! Bis 2017 müssen die Länder alles gemeldet haben. Aber schon ab nächsten Frühling liefern sie die ersten Daten, und ab dann können wir daraus Nutzen ziehen.

Sie reden von einem Nulldefizit bis 2015. Aber der Finanzrahmen sieht zwei Prozent Fehlbetrag vor. Und IHS-Chef Felderer rechnet vor, dass ein Nulldefizit auch in zehn Jahren nicht möglich ist, weil die Reformen fehlen, um das strukturelle, also konjunkturunabhängige Defizit loszuwerden.

Herrn Felderer kommentiere ich nicht. Der Budgetpfad sieht das maximale Defizit vor, das wir erreichen dürfen. Aber das hindert mich als Finanzministerin nicht, ambitioniertere Ziele zu haben. Bestimmte Ausgaben bereiten uns große Sorgen, wie die Golden Handshakes und die Subventionierung von Nachkaufzeiten. Das Hineindrängen in die Frühpension auch noch steuerlich zu begünstigen, ist ein Humbug, der abgestellt gehört.

Der schnellste Weg, den Schuldenstand zu senken, sind Privatisierungen. Laut Wifo wären 25 Mrd. zu lukrieren, wenn der Staat seine Beteiligungen auf eine Sperrminorität von 25 Prozent runterschraubt.

Zu dieser Summe gehören auch die Bundesforste und alle Bundesgebäude. Ich glaube nicht, dass es einen Konsens gibt, dass wir Schönbrunn verkaufen. Solche unrealistischen Radikalvarianten sind eine Provokation, das bringt das Thema um. Prinzipiell stehe ich Privatisierungen ausgesprochen offen gegenüber. Aber zuerst brauchen wir eine gesamtstaatliche Vermögensstrategie, damit habe ich den ÖIAG-Chef beauftragt.

Immer mehr Eurostaaten haben oder planen eine Schuldenbremse in der Verfassung. Warum ist das in Österreich kein Thema?

Das ist momentan unrealistisch, weil wir selbst Schuldensünder sind. Die Latte, die man sich setzen muss, würden wir nicht erreichen. Da würden wir schon bei der Einführung die Verfassung brechen.

Deshalb haben die Deutschen ihre Schuldenbremse in Stufen eingefürt, und damit heute schon ein starkes Verprechen an die Anleiheinvestoren abgegeben ...

Wir haben mit unserer Regierung keine Verfassungsmehrheit. Und die Märkte lassen sich durch Gesetze nicht beeinflussen, es geht ums tatsächliche Handeln. Auch Maastricht wurde verankert , aber nicht eingehalten. Ich halte nichts von Hau-Ruck-Aktionen. Das ist keine seriöse Fiskalpolitik.

Die Schuldenbremse ist ein Teil der „Wirtschaftsregierung", die Merkel und Sarkozy bei einem Treffen beschlossen haben. Waren Sie eingebunden? Für Ihren Parteikollegen Othmar Karas wurden da die kleinen Länder am Nasenring vorgeführt.

Es gibt bereits seit 2008 eine Task Force unter dem Vorsitz von Herman Van Rompuy. Und alle tun, als würde da plötzlich etwas ganz Neues auf dem Tisch liegen. Aber eine bessere Koordinierung begrüße ich, das müssen wir unbeeindruckt von der Hysterie der Märkte umsetzen.

Sind Sie bereit,dafür Kompetenzen abzugeben?

Mit dem Rettungsschirm haben wir bereits Kompetenzen abgegeben. Aber schon bekannte Pläne „Wirtschaftsregierung" zu nennen, hat viel Schaden angerichtet. Merkel und Sarkozy sollten sich bei der Nase nehmen. "Regierung" würde außerdem bedeuten, den wir den Lissabon-Vertrag schon wieder erneuern müssen.

Neu ist allerdings, dass kleinere Euroländer für ihre Griechenland-Hilfen Sicherheiten bekommen sollen ...

Das ist nicht neu, die Finnen fordern seit einem Jahr Sicherheiten. Eigentlich hat es immer geheißen, das ist nicht klug, weil am Ende wieder alle dafür zahlen müssen. Aber jetzt ist es gerechtfertigt. Denn es wurde eine Größenordnung von 40 Mrd. in die Hand genommen, um die Beteiligung der Banken der großen Länder zu besichern. Der Kompromiss für die kleinen kostet vielleicht zwei Milliarden.

Zurück nach Österreich. Gespart werden soll ja nicht nur um des Sparens Willen, sondern auch, um investieren zu können. WU-Rektor Badelt sucht wegen der Finanzprobleme schon Hilfe beim Verfassungsgericht. Behandeln Sie die die Universitäten zu stiefmütterlich?

Wer am lautesten schreit, hat nicht unbedingt die schlechtesten Bilanzzahlen. Einige wirtschaften ganz hervorragend. Aber die MedUni Wien zum Beispiel hat seit 2006 keine Bilanz mehr gelegt. Und das betrachte ich als Misswirtschaft, als Amtsmissbrauch. So dahinzuwurschteln ist gemeingefährlich. Ich stelle mir für die Unis eine Art Strukturfonds vor, wie für die Krankenkassen. Daraus würde erst Geld fließen, wenn vorher festgelegte Ziele erreicht sind - zum Beispiel ein größeres Prüfungsangebot oder mehr Absolventen.

Sie beklagen das Reformtempo in der Großen Koalition, unter Schwarz-Blau sei alles schneller gegangen. Wären sie lieber Finanzministerin in einer neuen schwarz-blauen Regierung?

Was mich maßlos stört, ist, dass ständig Feindbilder aufgebaut werden. Von links gegen "die Reichen" und "die Banken", oft mit aggressivem Hass. In London brennen deshalb Geschäfte und Autos. Die Rechten bauen Feindbilder gegen "die Fremden" auf. Wenn es in der Liga spielt, spiele ich nicht mit. Bei der Sacharbeit war in der kleinen Koalition die Trennlinie nicht so massiv. Mit unserem jetzigen Koalitionspartner sind wir manchmal ziemlich weit auseinander.

Stünden Sie also auch als Finanzministerin unter einem Bundeskanzler Strache zur Verfügung?

Darüber denke ich überhaupt nicht nach. Wir wollen ja die Stärksten werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2011)

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