Die Schwiegermutter von Grasser gibt an, ihm 100.000 Euro in bar übergeben zu haben Um seine Geldveranlagungsfähigkeit zu testen.
Die dubiosen Zahlungsflüsse rund um den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser (ÖVP) sind um eine Facette reicher: Von Ende 2005 bis Anfang 2010 flossen mehr als 800.000 Euro von der Raiffeisen Bezirksbank Klagenfurt (RBB) auf Grassers Meinl-Konto, berichtet das Nachrichtenmagazin "Format". Die Justiz vermutet laut Bericht dass die Zahlungen aus Provisionen des Verkaufs der Bundeswohnungen (Buwog) stammen, die zur Zeit von der Staatsanwaltschaft untersucht wird. Grasser-Anwalt Manfred Ainedter wies die neue Vorwürfe zurück und nannte sie "Hirngespinste".
Die ersten Zahlungen an Grasser fanden in seiner Zeit als Finanzminister statt, und die letzte erfolgte nur wenige Monate bevor ein Spezialkommando der Nationalbank (OeNB) in der RBB erschien. Der Vorgang war dem Bericht zufolge immer derselbe: Ein Mitglied der Familie Grasser kam in der RBB-Filiale vorbei, füllte einen Zahlschein aus und schickte als "Kassa-Einzahlung" 50.000 Euro, 100.000 Euro oder 500.000 Euro an Grassers Meinl-Bank-Konto. Zumindest 120.000 Euro sind vor dem 1. August 2008 geflossen. Das wirft nun die finanzrechtliche Frage auf, ob Schenkungssteuer abgeführt wurde. Transferiert wurde oft ohne Angabe eines Verwendungszwecks. Auf Geldwäsche-Alarm an das Innenministerium, wie es bei sogenannten PEPs ("Politically Exposed Person") üblich ist, verzichtete die RBB.
"Kassa-Deals dubios"
Die Wirtschaft- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen den früheren Finanzminister wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Grasser, für den die Unschuldsvermutung gilt, wird verdächtigt, Provisionen beziehungsweise Einkünfte aus seiner früheren Tätigkeit bei Meinl International Power nicht ordnungsgemäß versteuert zu haben. Damit soll er, so der Verdacht der Behörden, dem österreichischen Staat 2,6 Millionen Euro an Abgaben hinterzogen zu haben. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Der 42-jährige Kärntner verdient sich im Autohaus seiner Eltern während des Betriebswirtschaftsstudiums sein erstes Taschengeld. Der Eintritt in die Politik wurde ihm durch sein familiäres Umfeld, das der Freiheitlichen Partei zugetan war, schmackhaft gemacht. Michaela Bruckberger
Karl-Heinz Grasser wird von Jörg Haider in die Politik geholt. 1992 schließt Grasser enge Bekanntschaft mit Haider, zu dessen politischem Umkreis er fortan gezählt wird. Grasser wurde auch Haiders Buberlpartie um Gernot Rumpold, Peter Westenthaler und Walter Meischberger zugerechnet. Allen gemeinsam war, dass sie nicht aus dem Parteiapparat kamen und nur gegenüber Haider loyal waren. Eggenberger Gert
Die Politkarriere von Grasser geht flott voran. Nach seinem Start als Parlamentsmitarbeiter 1992 ist er schon in jungen Jahren im Parlamentsklub in Wien tätig. Nach zwei Jahren in der freiheitlichen Bundespolitik als FPÖ-Generalsekretär wechselt er im Jahr 1994 als 25-Jähriger in die Kärtner Landespolitik. Dort wird Grasser Landesrat für Wirtschaft, Tourismus und Verkehr. Vier Jahre lang bekleidet er im südlichsten Bundesland auch die Funktion des zweiten Landeshauptmann-Stellvertreters. Gindk Barbara
Im Sommer 1998 kündigt Grasser nach kritischen Tönen gegenüber seinem politischen Ziehvater Haider überraschend seinen Rückzug aus der Politik an. Er wechselt in den Magna-Konzern des Austro-Kanadiers Frank Stronach, wo er die Öffentlichkeitsarbeit übernimmt. Grasser gilt jedoch weiter als "Personalreserve" Haiders. Eggenberger Gert
Nach der Nationalratswahl 1999 wird Grasser im Jänner 2000 als FP-Finanzminster angelobt. Er kommt als Ersatz für den von Bundespräsident Klestil abgelehnten Prinzhorn auf die Ministerliste. Trotz seiner Jugend erklärt der selbstbewusste Kärntner erfahrenen Kollegen damals schon, wie die Welt zu funktionieren hat. JAEGER ROBERT
Nach dem außerordentlichen FPÖ-Parteitag 2002 in Knittelfeld legt Grasser gemeinsam mit Susanne Riess-Passer und Klubobmann Peter Westenthaler alle Funktionen nieder, wodurch aufgrund der Beendigung der ÖVP-/FPÖ-Koalition Neuwahlen auf Bundesebene die Folge sind. Hans Klaus Techt
Nach den Neuwahlen wird der stets elegant gekleidete Karl-Heinz Grasser 2003 im neuen Kabinett Schüssel als parteiloser Finanzminister angelobt. Danach wird er von den Medien als ÖVP-Minister bezeichnet, weil Grasser im Bundesvorstand der ÖVP tätig ist. ROLAND SCHLAGER
"Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget", mit diesen Worten lobte der junge Finanzminister seine eigene Performance. Einmalig wurde das Ziel 2002 durch eine Erhöhung der Steuern, Gebühren, Abgaben und Mauten sowie Reduzierung der Verwaltungskosten und Staatsausgaben erreicht. Der Verkauf und die Teilprivatisierung von Staatsunternehmen wie der Österreichischen Tabakwerke haben ebenfalls dazu beigetragen. Robert Jaeger
Das berühmteste der von Grasser kreierten Schlagworte ist das so genannte "Nulldefizit" (der ausgeglichene Staatshaushalt), das er als höchstes Ziel seiner Finanzpolitik definierte. Nach der großen Steuerreform 2005 ist freilich davon keine Rede mehr. Der Grasser-Ausspruch "Der Vergleich macht Sie sicher" ist auch ein ständiger Wegbegleiter in Grassers Reden. Sein Sitznachbar Staatssekretär Finz kennt seinen Chef.
Eine viel diskutierte Causa ist die so genannte „Homepage-Affäre“. 283.000 Euro ließ sich die Industriellenvereinigung eine KHG-Homepage kosten. Die Homepage selbst kann nur einen Bruchteil der Summe gekostet haben. Von den ihm untergebenen Finanzbeamten läßt sich Grasser – er hatte das Geld der IV nicht versteuert – einen Persilschein ausstellen. Roland Schlager
2004 deklariert Grasser seinen Weihnachtsurlaub auf den Malediven als „Hilfsaktion für die Tsunami-Opfer“. Helfer Grasser lässt sich von der AUA ein Gratis-Upgrade für seinen Malediven-Flug schenken.
Groß ist die Überraschung, als KHG sich im April 2004 im Kreise seiner engsten Freunde mit der damals 28-jährigen Natalia Corrales-Diez verlobt. Im Mai 2005 soll Hochzeit sein. Doch aus einer Fotostrecke des "News"-Magazins erfährt die Verlobte von einem hautengen Verhältnis mit Fiona Swarowski. Und prompt baut die Diplomatentochter Corrales-Diez mit einem geliehenen Porsche einen Unfall. MARKUS BERINGER
Nur wenige Monate danach heiratet KHG unter großem Blitzlichtgewitter die Millionenerbin Fiona Swarowski (amtlich Fiona Pacifico Griffini) aus dem gleichnamigen Kristall-Clan. Die Hochzeit findet in Weissenkirchen statt, der Finanzminister hat sich zwecks Hochzeit in der Wachau offiziell gemeldet. Seit 2005 gibt es dort das sogenannte "Grasser-Marterl". Herwig Prammer
Nach etwas mehr als sieben Jahren Regierungstätigkeit verabschiedet sich Karl-Heinz Grasser Anfang Jänner 2007 nach wochenlangen Spekulationen aus der Bundespolitik. Er selbst wollte nie Berufspolitiker werden, sagt er. Für die Zukunft gilt für ihn "Viel mehr privat, weniger Staat", sagt Grasser, der in weiterer Folge in die Privatwirtschaft wechseln will.
Von Julius Meinl V. läßt sich KHG als amtierender Finanzminister auf dessen Yacht einladen. Später soll sich seine Beziehung zu Meinl für den Ex-Finanzminister auch finanziell lohnen. Während Anleger durch die Finger schauen, kassiert Grasser bei Meinl International Power Millionen. Nachdem Freund Meinl 2009 in U-Haft kommt, verkauft Grasser seine Gesellschaftsanteile. Roland Schlager
Der 2004 erfolgte Verkauf der 58.000 Bundeswohnungen ist seit Jahren umstritten. Im September 2009 wird bekannt, dass der damalige Käufer Immofinanz den Grasser-Freunden und -Geschäftspartnern Meischberger und Hochegger 9,61 Millionen Euro Provision bezahlt hat. Grasser, in dessen Amtszeit als Finanzminister dieser Deal gefallen ist, hob stets hervor, dass er von den Tätigkeiten von Meischberger und Hochegger nichts gewusst hat. Hans Punz
Vom Autohändler zum Steuersparer
Die Raiffeisen Bezirksbank Klagenfurt ist mittlerweile zwar Geschichte - sie wurde Mitte September von der Raiffeisenlandesbank Kärnten aufgefangen -, doch für Karl-Heinz Grasser birgt sie potenzielle Troubles. Denn Fakt ist: Grasser verfügt über Stiftungen in Liechtenstein mit Briefkastenfirmen in Steueroasen wie Zypern. Dass er als Finanzminister in den Jahren 2005 und 2006 eine halbe Million Euro im Geldsackerl von der Schweiz nach Österreich eingeführt und bei der Meinl Bank eingezahlt hat, wissen die Ermittler auch. Außerhalb der Banköffnungszeiten, wie es im Buwog-Gerichtsakt heißt. Bei seiner ersten Polizeieinvernahme im September 2010 begründete er die ungewöhnliche Botenfahrt als Freundschaftsdienst für seine Schwiegermutter Marina Giori-Lhota.
Die Ermittler zweifeln. Aus ihrer Sicht sind auch die Kassadeals bei der RBB zumindest dubios und untersuchenswert. Ob die Quelle ein aufgelöstes Sparbuch oder die Schwiegermutter war, ist noch Gegenstand von Erhebungen. Karl-Heinz Grasser und sein Anwalt verweigern eine Stellungnahme gegenüber "Format".
"Schwiegermutter wollte Grasser testen"
Aufschlussreicher ist dem Bericht zufolge der Hausdurchsuchungsbeschluss. Gemäß dem "Format" vorliegenden Papier bekam Grasser von der Schwiegermutter "im Mai oder Juli 2005 anlässlich eines Besuches in deren Wohnung" 100.000 Euro überreicht. Wenig später wiederholte sich das Prozedere. "Im November oder Dezember 2005 habe er weitere 330.000 Euro von Marina Giori-Lhota in bar zur Veranlagung erhalten." Im Jänner 2007 folgten letztmalig 70.000 Euro. "Diesen Betrag habe Grasser Heinrich Schwägler in Zürich übergeben, welcher das Geld am Konto der Ferint AG einbezahlt habe." Ziel der Sammelaktion: "Giori-Lhota habe hiedurch die Geldveranlagungsfähigkeit von Karl-Heinz Grasser als Bundesminister für Finanzen testen wollen."
Unterm Strich kam bei der Meinl Bank eine halbe Million zusammen. Mit dem Geld kauften die Meinl-Banker in Grassers Aufrag Ende 2006 einen Hypo-Genussschein der Berlin & Co AG. Als Vehikel diente die Briefkastenfirma Ferint. Ab diesem Zeitpunkt war KHG beim Verkauf der landeseigenen Hypo-Alpe-Adria-Anteile an die Bayerische Landesbank engagiert. Ein Geschäft, das ihm 283.000 Euro Profit brachte - offiziell nur für Giori-Lhota.
Geld vom Buwog-Provisionstopf?
Das Erklärung mit der Schwiegermutter kam laut "Format" bei der Polizei nicht so gut an. Das Ermittlerfazit laut Razzia-Anordnung: Grasser habe "eigene Geldmittel in den Hypo-Genussschein investiert" und "der daraus erwachsene Gewinn" sei ihm "wirtschaftlich zuzurechnen".
Aus Ermittlersicht ist nicht auszuschließen, dass das Geld nicht von Giori-Lhota stammt, sondern aus dem 7,7 Millionen-Euro-Buwog-Provisionstopf von Walter Meischberger. Die bei den Hausdurchsuchungen im Mai bei Grasser und Co sichergestellten Unterlagen sollten diesen dringenden Tatverdacht stützen. Doch Grasser und Giori-Lhota - auch ihr Haus in Kitzbühel wurde durchsucht - machen es der Justiz bei der Beweissuche nicht leicht: Ihre Anwälte haben alle beschlagnahmten Unterlagen versiegeln lassen. Fast ein halbes Jahr liegt der Akt schon beim Oberlandesgericht Wien. Die Entscheidung dürfte laut OLG-Sprecher Reinhard Hinger "mehrere Wochen" dauern.
Grasser-Anwalt weist Vorwürfe zurück
Grasser-Anwalt Manfred Ainedter hat sämtliche Vorwürfe gegen seinen Mandanten über auffällig hohe Zahlungen über die Raiffeisen Bezirksbank Klagenfurt (RBB) zurück gewiesen. Er sprach von "Hirngespinsten" und "und Bemühungen des "Format", Grasser "irgendetwas umzuhängen". Da Zahlungsströme waren ganz normale Überweisungen durch die Familie Grasser gewesen, die seit Jahrzehnten das Institut als Hausbank nutzt. Steuerlich ist hier alles korrekt verlaufen, betonte Ainedter.
Zur heute bekannt gewordenen Klage der Immofinanz im Zuge der Buwog-Affäre zeigte sich Ainedter zufrieden. Immofinanz-Boss Eduard Zehetner hat heute erklärt, er will sich vom Lobbyisten Peter Hochegger 12 Mio. Euro zurückholen, da dieser bei der Übernahme der Buwog durch die Immofinanz keine Dienste erbracht habe. Er sagte heute: "Die 960 Mio. Euro (Kaufsumme, Anm.) hat damals in Wien jeder, der sich mit der Angelegenheit beschäftigt hat, gewusst, allein in der Bank Austria 30 Leute." Was für Ainedter wiederum der Beweis ist, dass Grasser als Finanzminister damals gar nicht die Kaufsumme verraten konnte, weil der Kaufpreis ohnehin bekannt war.
Zwei Stunden lang war Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser kritischen Fragen der Richterin ausgesetzt. Dabei klagt er selbst den früheren Kabinettschef Michael Ramprecht wegen übler Nachrede an.