Arbeit, aber nicht für Geld: Die fleißigen Alten

Arbeit aber nicht fuer
Arbeit aber nicht fuer(c) Clemens Fabry
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Österreichs Pensionisten seien relativ gut abgesichert, findet sogar die Armutskonferenz. Etwa 40.000 arbeiten trotzdem geringfügig. Warum? Die "Presse am Sonntag" hat nachgefragt.

Gerhard Loibl ist 69 Jahre alt und müsste eigentlich nicht mehr arbeiten. Zum einen, weil er erst mit 65 in Pension gegangen ist, und damit das gesetzliche Pensionsalter erreicht hatte. Zum anderen, weil ihm seine Pension auch so zum Leben reichen würde, sagt er. Aber er tut es trotzdem, und zwar dreimal in der Woche in der Kantine im Seniorenheim Stockerau. „Weil mir das Arbeiten Spaß macht und ich gerne unter Leuten bin“, sagt Loibl.

Loibls Nebenbeschäftigung ist nicht weit entfernt von seinem ehemaligen Hauptberuf, Kellner. Den wollte er auch eigentlich nur deshalb langsam niederlegen, weil ihm die Nachtarbeit zu viel wurde, denn in seiner Branche hätte er, sagt Loibl, keine Probleme gehabt, etwas Neues zu finden. Aber dann wurde der Betrieb verkauft und Loibl befand es für an der Zeit, in Pension zu gehen. Um sich wenig später einen Nebenjob zu suchen. Den macht er nicht nur des Geldes wegen – aber freilich ist der Zuverdienst auch nicht von Nachteil. „Die Pension würde zum Leben reichen. Aber Urlaub wäre da nicht drinnen.“ Das Verhältnis seines Einkommens beschreibt er als „60 Prozent Pension, 40 Prozent Zuverdienst“. In Summe könnte es sogar etwas mehr sein, als er vorher verdient hat, sagt Loibl.

Etwa 40.000 Pensionisten verdienen in Österreich geringfügig dazu, so die Daten des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger. Das sind bis zu 374 Euro im Monat, und mehr darf es auch nicht sein – zumindest nicht für Frühpensionisten: Wer vor dem Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters – 65 Jahre für Männer, 60 für Frauen – die Pension antritt, verliert seine Ansprüche, sobald er die Zuverdienstgrenze überschreitet. Für Beamte gilt diese Grenze nicht. Ab Erreichen des Regelpensionsalters darf dann jeder so viel dazuverdienen, wie er will.


Elf Prozent Mindestpensionisten. In Deutschland wurde das Thema „Arbeit im Alter“ in den vergangenen Monaten heiß diskutiert: Nach Zahlen des Bundesarbeitsministeriums ist die Zahl der Rentner, die in einem geringfügigen oder einem „Minijob“ arbeiten, seit dem Jahr 2000 um fast 60 Prozent gestiegen. Und die OECD warnte wiederholt vor steigender Altersarmut.

Dass die österreichischen Pensionisten arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen, glaubt Martin Schenk, Vorsitzender der Armutskonferenz, nicht: „Das ist bei uns kein Massenphänomen. Über die Ausgleichszulage ist offensichtlich ein großer Teil der ärmeren Pensionisten erfasst.“ Die „Ausgleichszulage“ ist das, was der Volksmund „Mindestpension“ nennt. Die bekommen Menschen, die weniger als 793,40 Euro Pensionsanspruch haben. Dem Pensionistenverband (SPÖ) zufolge fallen derzeit etwa 240.000 Österreicher in diese Kategorie, das sind fast elf Prozent aller Pensionisten. Der überwiegende Teil davon sind Frauen. „Es gibt jene, die sagen, sie wollen unbedingt noch etwas tun, weil sie es zu Hause nicht aushalten. Aber ich möchte nicht leugnen, dass es auch Leute gibt, die noch beruflich aktiv sind, um sich die nicht besonders hohe Pension aufzubessern“, sagt Andy Wolmuth vom Pensionistenverband.

Arbeit, aber nicht für Geld. Elfriede Hanske gehört zur ersten Gruppe. Die 73-Jährige ist mit 53 krankheitsbedingt in Frühpension gegangen. Die Pension der Beamtin im Ruhestand „reicht, um ein gutes Auslangen zu finden“, sagt sie. Trotzdem hilft sie zweimal in der Woche im Blindenheim in Wien Penzing, liest vor oder unterstützt beim Gedächtnistraining. Weil ihr Mann verstorben und ihre Tochter in die USA übersiedelt ist, hat sie „viel Freizeit“, die sie „nützen wollte“. Nötig hätte sie es nicht: „Ich muss nicht für Geld arbeiten. Aber ich stelle meine Freizeit gerne zur Verfügung, weil es sehr viel Liebe und Anerkennung dafür gibt.“

In einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag des ÖVP–Seniorenbundes gaben mehr als 40 Prozent der über 60-jährigen Befragten an, sich zumindest gelegentlich freiwillig oder ehrenamtlich zu betätigen. 16 Prozent tun das regelmäßig. Etwa 20 Prozent der Befragten wären auch „gerne“ bereit, länger zu arbeiten, wenn man ihnen „entsprechende Anreize“ böte. Und 27 Prozent würden noch einmal ins Berufsleben einsteigen, wenn die Zuverdienstgrenzen „entsprechend vorteilhaft gestaltet“ wären. Die Seniorenvertreter beider Lager setzen sich seit geraumer Zeit für höhere Zuverdienstgrenzen für Frühpensionisten ein. Denn die ist in Österreich immer noch die Regel: Der Durchschnittsbürger im Frühpensionistenparadies Österreich tritt – Hacklerregelung und zahlreichen anderen Ausnahmeregelungen sei dank – immer noch mit etwa 58 Jahren den Ruhestand an.

„Ruhestand“ – das ist ein Wort, das Leopold Stieger gar nicht gerne hört. Lieber nennt er das „Leben danach“ eine „dritte Lebensphase, die von Fitness, Fähigkeit und Freiheit“ geprägt sei. Und auf die sich – als er das sagt, wird Stieger fast grantig – die Menschen immer noch viel zu wenig vorbereiten würden. Um die „ältere Generation“ wachzurütteln, hat er die Plattform „seniors4success“ gegründet. „In den Köpfen steht, dass der Himmel kommt, wenn die Pension da ist. Der Österreicher träumt schon zehn Jahre vorher davon. Aber das funktioniert so nicht“, kritisiert Stieger. Das Bild, das man hierzulande vom Alter habe, sei völlig überholt: „Heute können die Menschen mit 75 noch eine Firma gründen, auf den Mont Blanc steigen, einen Marathon laufen. Aber aus dem Arbeitsleben sind sie völlig ausgeblendet.“

Frage man den Generaldirektor, was er nach der Pension vorhabe, kämen kindische Antworten wie „ich habe so viele Hobbies“ oder „ich hoffe, dass ich noch viele Enkelkinder bekomme“. Aber dann stelle sich heraus, dass das nicht abendfüllend ist. „Ich empfehle den Menschen, vernünftig zu sein und sich eine Beschäftigung zu suchen, die wirklich nützt, nicht nur Unkraut zupfen. Und den Firmen, das Potenzial der Älteren zu sehen und es länger zu nützen.“


Kein Bedürfnis nach „Nichtstun“. Josef Laister würde Stieger gefallen. Er ist 71 und ehemaliger Österreich-Geschäftsführer des deutschen Montagetechnik-Konzerns Würth. Vor zehn Jahren ging er in Pension, weil er Krebs hatte. Aber den hat er hinter sich gelassen, und darauf, sich zurückzulehnen, hat er keine Lust: Er ist Vorstandsvorsitzender der Würth Privatstiftung, Laienrichter am Handelsgericht Wien, Ehrenvorstand des Wiener Männergesang–Vereins. Daneben macht er eine Ausbildung zum Diplom-Kinesiologiecoach. Richtig geplant habe er die Zeit nach dem Vollzeit-Arbeitsleben zwar nicht, aber dass er in der Pension nicht die Hände in den Schoß legen würde, war ihm klar. Wäre er nicht krank geworden, hätte er auch gerne „ganz normal“ bis 65 weitergearbeitet. „Nichts zu tun, dieses Bedürfnis habe ich weniger.“

Auch Christa Holtermann hilft alle zwei Monate zwei Wochen lang beim Seniorenbund aus. Sie ist Frühpensionistin, hat aber mit bald 62 Jahren das gesetzliche Antrittsalter mittlerweile überschritten. Sie macht das vor allem für den „geistigen Kick“, weil ihr „Reisen, Lesen und Kultur“ zu wenig ist. Zehn Euro die Stunde – reich werde sie davon nicht. „Aber Kosmetik, Fußpflege, Friseur, das verdiene ich mir so.“

Etwa 40.000 Pensionisten arbeiten in Österreich geringfügig dazu, so die Daten des Hauptverbandes.

Das gesetzliche Antrittsalter liegt bei 60 Jahren für Frauen und 65 für Männer. Erreicht wird das in der Regel nicht: Im Schnitt gehen Männer mit 58,9, Frauen mit 57,5 Jahren in Pension.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2011)

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