Einkaufen: Angriff der Ramschhändler

Einkaufen Angriff Ramschhaendler
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Der Diskonter Tedi will Österreich mit Ein-Euro-Shops überziehen. Ramsch und Luxushändler legen zu. Die Einkaufswelt spaltet sich in sehr teure und ganz billige Geschäfte.

Wien. Der Geruch nach billigem Plastik brennt in der Nase. Darunter mischen sich Vanillearomen. Bei Tedi hat die Weihnachtszeit längst begonnen – und die riecht nach Vanille: Seifen, Cremes aus Tiegeln verziert mit küssenden Barockengeln und Duftkerzen im selben Design – alles um nur einen Euro.

Ein Euro – damit wirbt der deutsche Diskonter Tedi auf überdimensionalen Schildern. Sechs von zehn Artikel kosten nicht mehr, sagt Österreich-Chef Harald Evers, als er durch die Filiale im Floridsdorfer Trillerpark führt: Hello-Kitty-Baby-Bodys, neonfarbene Spitzenwäsche, Schraubenzieher.

In Floridsdorf hat Tedi sein bisher größtes Geschäft hierzulande eröffnet. Das 18.seit dem Österreich-Start im Mai, bis Jahresende werden es nicht weniger als 30 sein. Evers, der 20 Jahre lang Manager bei Aldi in Deutschland war, sieht in Österreich Potenzial für 200 bis 250 der (so genannten) Ein-Euro-Diskonter. Die Billigsthändler breiten sich aus. Selbst auf nobelsten Shoppingmeilen á la Kärntner Straße residieren Modediskonter in Geschäften, neben denen ein H&M wie eine Boutique anmutet. Auf der Mariahilfer Straße verkauft „Allerlei“ in einem von Adolf Loos entworfenen Geschäftslokal Plastikblumen und Geschenkartikel. Auch Evers sucht für Tedi nach Geschäftsflächen in der Innenstadt.

„Luxus und Ramsch polarisieren“

Werden die Wiener Einkaufsstraßen verramschen? „Luxus und Ramsch polarisieren“, erklärt Peter Schnedlitz, Vorstand des Instituts für Handel an der WU. Die Einkaufswelt spaltet sich in sehr teure und ganz billige Geschäfte, die Mitte verliert. „Es gibt nicht mehr A-, B- oder C-Schichten und Käufer“, meint Roman Seeliger, Handelsexperte der WKÖ. Einmal geht man zum teuren Schneider, dann wiederum zum Diskonter. Tedi gibt Schnedlitz aber nicht die besten Chancen. „Das ist ein deutsches Phänomen.“ Dort sei die Schnäppchenjagd noch viel beliebter.

Außerdem sei in Österreich das Netz der Händler deutlich dichter. „Das Billigst-Segment wird weiterhin wachsen, aber bei den bestehenden Händlern“, sagt Schnedlitz. Evers sieht das freilich anders: „Die Österreicher fahren voll auf uns ab.“ Im Trillerpark möchte man ihm glauben. Der Spar gegenüber, der benachbarte Kik: weitgehend leer. Bei Tedi drängt man sich in engen Gängen. Ist plötzlich großer Notstand ausgebrochen, sodass die Massen in Ein-Euro-Shops kaufen müssen? „Nein, das ist der Jagdtrieb, die Freude daran, unsinniges Zeug billig zu kaufen“, sagt der WU-Professor. „Mich würde es nicht überraschen, wenn die beste Tedi-Filiale einmal in Orten wie Velden oder Kitzbühel wäre“, meint Evers. Dort, wo die Kaufkraft am höchsten ist, gingen Diskonter oft am besten.

Sterbende Geschäftsstraßen

So mischen sich in Wien die Händler mit den bunten Werbetafeln und den riesigen Aktionskörben unter Geschäfte mit sehr viel höheren Preisen. „Sie konkurrieren und befruchten sich“, sagt Seeliger.

Eine Gefahr, dass der Ramsch Überhand nimmt, sieht er bis jetzt noch nicht. Nur einzelne, sterbende Geschäftsstraßen, etwa die Burggasse, „verslumen“. Geschäfte schließen, was bleibt, ist der Ramsch.

Auf einen Blick

Aggressive Expansion. Der Diskonter Tedi hat in Floridsdorf sein bisher größtes Geschäft hierzulande eröffnet. Das 18.seit dem Österreich-Start im Mai. Bis Jahresende werden es 30 sein. Österreich-Chef Harald Evers, der 20 Jahre lang Manager bei Aldi war, sieht in der Alpenrepublik Potenzial für 200 bis 250 der (so genannten) Ein-Euro-Diskonter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2011)

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