Spitzenmanager: Die Strippenzieher aus Österreich

Spitzenmanager Strippenzieher oesterreich
Spitzenmanager Strippenzieher oesterreich(c) Dapd (Lennart Preiss)
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Überraschend wurde Paul Achleitner bei der Deutschen Bank zum Aufsichtsratschef bestellt. Er fügt sich in eine Reihe von österreichischen Managern ein, die bei Weltkonzernen an den Schalthebeln der Macht sitzen.

Mai 2007. Der Aufsichtsrat des Weltkonzerns Siemens bestellt Peter Löscher zum neuen Vorstandsvorsitzenden. Am 1.Juli soll der Spitzenmanager seinen Job antreten. Am Gipfel der Macht angekommen, fehlt dem Österreicher nur noch eine Bleibe für den Start in München. Die Welt ist klein, und Löscher muss nicht lange suchen. Jugendfreund Paul Achleitner, geboren und aufgewachsen in Linz, Finanzchef des Versicherungsriesen Allianz, nimmt den Neuankömmling gerne bei sich auf. Und so nächtigt Löscher eine Weile in der Villa Achleitners, bevor er einen der einflussreichsten Jobs der Wirtschaftswelt antritt.

Gut vier Jahre später zählt das Duo aus der Alpenrepublik zu den einflussreichsten Managern Europas. War Achleitner bislang eher bloß Branchenkennern als Strippenzieher im Hintergrund bekannt gewesen, gelang ihm vergangene Woche der ganz große Wurf. Er wird zum Aufsichtsratschef der Deutschen Bank. Das ist jene Position, die eigentlich für Josef Ackermann vorgesehen war. Doch der scheidende Firmenchef hat es sich anders überlegt, und Achleitner wird künftig über die 100.000Mitarbeiter zählende Großbank wachen.

Netzwerk statt Schmäh. Die beiden sind nur Teil einer ganzen Reihe österreichischer Spitzenmanager, die bei Weltkonzernen eine Bilderbuchkarriere hingelegt haben. Brigitte Ederer folgte Löscher in den Vorstand bei Siemens. Severin Schwan hält beim Schweizer Pharmagiganten Roche die Zügel in der Hand. Peter Brabeck-Letmathe hatte mehr als ein Jahrzehnt lang mit Nestlé den weltgrößten Lebensmittelkonzern geführt, ehe er an die Spitze des Verwaltungsrats wechselte. Exkanzler Viktor Klima leitet den Volkswagen-Ableger in Südamerika. Georg Pachta-Reyhofen schaffte es zum Chef des Nutzfahrzeug-Herstellers MAN. Und Sigfried Wolf wechselte von Magna an die Spitze von Oleg Deripaskas Autozulieferer Russian Machines.

Was ist es bloß, fragte die „Financial Times“ einst, das österreichische Manager bei Weltkonzernen so erfolgreich macht? Der sprichwörtliche Schmäh wird es doch nicht sein, folgerte die Zeitung in einem Portrait Achleitners. Tatsächlich ist der künftige Spitzenbanker in der Branche nicht gerade als Charismatiker verschrien. Vielmehr als loyale Arbeitsbiene. Ohne Feinde. Dafür mit umso mehr Freunden.

Die Macht bleibt in der Familie. Zu seinen Bekannten zählt Achleitner nicht nur Landsmann Löscher. Mit dem deutschen Ex-Außenminister Joska Fischer geht der Spitzenmanager gerne essen und mit seiner Ehefrau Ann-Kristin wacht der 55-Jährige als Aufsichtsrat über nicht weniger als sieben im deutschen Leitindex DAX erfasste Firmen. Überhaupt gilt Achleitners Ehefrau als äußerst gut vernetzt. Die Wirtschaftsprofessorin und frühere Managerin bei den Beratern von McKinsey ist ebenso wie ihr Gatte jedes Jahr beim Weltwirtschaftsforum in Davos vertreten. Von Bayer über Henkel, Daimler und Metro bis zum Energiekonzern RWE: Kaum ein bedeutendes Unternehmen, in dem Herr oder Frau Achleitner als Aufseher nicht die Finger im Spiel haben.

Solch ein Netzwerk schadet nie, vor allem dann, wenn gewisse Fehler passieren. Bei der Allianz verbrannte sich Paul Achleitner mit dem Kauf der Dresdner Bank 2001 die Finger. Mit einem Minus von mehr als vier Mrd. Euro wurde der Verlustbringer 2009 an die Commerzbank abgegeben. Es sollte Achleitners einziger schwerer Fauxpas bleiben, und er sollte seiner Karriere keinen Abbruch tun. Bei der Allianz wird der stets als freundlich beschriebene Österreicher in bester Erinnerung bleiben. Selbst der Chef des Betriebsrats weiß über den Finanzchef viel Gutes zu berichten: „Er ist kooperativ, loyal und anfassbar, anders als andere an der Konzernspitze.“

Auch Severin Schwan hat seine Loyalität zum Unternehmen sicher geholfen. Als Schwan beim Pharmariesen Roche 2008 das Ruder übernahm, war er gerade mal 40Jahre alt. 15Jahre brachte er damit zu, innerhalb des Basler Konzerns die Karriereleiter emporzuklettern. Nach seinem Anfang als Trainee in der Finanzabteilung arbeitete sich der Tiroler im Laufe der Jahre zum Leiter der Region „Asien und Pazifik“ hoch, bis er schließlich die globale Diagnostics-Sparte übernahm. Dort eignete er sich sein Fachwissen an. Studiert hatte der Österreicher Wirtschaft und Jus in Innsbruck, Oxford und York.

Österreicher helfen Österreichern. Keinesfalls schadete Schwan aber auch seine Herkunft. Inthronisiert hat ihn Franz Humer, der heute Verwaltungsratspräsident ist und Schwans Vorgänger war. Und der Österreicher ist – ebenso wie Ex-OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer, der damals im Verwaltungsrat von Roche saß. Gemeinsam mit Peter Brabeck-Letmathe, seines Zeichens der wohl bekannteste österreichische Manager in der Schweiz, der durchaus den Ruf als Königsmacher aufstrebender Talente in anderen Konzernen genießt.

Es war 1968, jenes Jahr, in dem Schwan geboren wurde, als Brabeck, beim Konglomerat Nestlé anheuerte. Anders als Achleitner oder Löscher ist der dem westfälischen Adelsgeschlecht entstammende Österreicher durchaus für markige Sprüche bekannt. 2005 drohte er, den Lebensmittelkonzern zu verlassen. Weil Aktionäre seine Doppelfunktion als Firmenchef und künftiger Chef des Verwaltungsrats infrage stellten. Der Protest währte nur kurz, zu fest saß Brabeck im Sattel.

Dabei ist es gerade er, der in seiner Biografie betont, wie wichtig es sei, loslassen zu können. „Ein guter Bergsteiger ist der, der auch gesund wieder ins Tal kommt“, pflegt der erfahrene Alpinist zu sagen. Auf das Wirtschaftsleben umgelegt heißt das: Tritt ab, wenn die Zeit gekommen ist. Für Brabeck ist sie noch nicht gekommen. Zwar legte der 67-Jährige den Job des Nestlé-Vorstandschefs 2008 zurück. Als Chef des Verwaltungsrates zieht er aber nach wie vor die Strippen bei dem 278.000 Mitarbeiter zählenden Konzern.

Was die Österreicher beim Pharmakonzern Roche für Schwan waren, das ist Peter Löscher in gewisser Weise bei Siemens für Brigitte Ederer. Im Vorjahr holte der Firmenchef die frühere Politikerin in die Zentrale nach München. Mit 27Jahren war sie für die SPÖ in den Nationalrat eingezogen, später arbeitete sie als Stadträtin in Wien. Dann folgte der Wechsel in die Privatwirtschaft. 2001 wurde sie Vorstandsmitglied bei Siemens-Österreich, nun ist sie in Deutschland für Personalfragen zuständig.

Sammler von Ehrenzeichen. Den Bekanntheitsgrad von Brabeck oder Löscher hat Achleitner in der Wirtschaftswelt noch nicht. Doch Parallelen sind durchaus vorhanden. Vor allem zu seinem Jugendfreund Löscher, der zu Siemens wie die Jungfrau zum Kind kam. Erstmals in der Geschichte machte der Elektrokonzern 2007 einen Außenstehenden zum Chef, unter anderem, dass die Korruptionsaffäre aufgeklärt würde.

Auch Achleitner kam völlig überraschend zur Deutschen Bank. Dort könnte er nun als Aufsichtsratschef ebenfalls zum Königsmacher werden – oder auch selbst zum Vorstandsvorsitzenden. In naher Zukunft wird das zwar nicht passieren. Gerade erst wurde mit Anshu Jain der neue Chef des Finanzriesen ernannt. Doch Beharrlichkeit hat Achleitner schon in der Vergangenheit bewiesen. Das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich wäre ihm bei einem weiteren Karrieresprung wohl sicher. Eine Auszeichnung, die Brabeck und Löscher schon längst in der Tasche haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2011)

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