Migrantenkinder mit Jobproblemen

(c) APA (JAEGER ROBERT)
  • Drucken

Die OECD kritisiert die heimische Integrationspolitik und die missglückte Arbeitsmarktintegration. Kinder von Zuwanderern scheitern oft am Berufseinstieg, Deutschkurse helfen bei der Jobsuche zu wenig weiter.

Wien/B.l. Missglückte Arbeitsmarktintegration hat viele Gesichter: Ärzte, die als Taxifahrer arbeiten, weil ihre Qualifikation nicht anerkannt wird. Und jugendliche Schulabbrecher, die auf dem Arbeitsmarkt nie Fuß fassen. In Österreich sind beide Gruppen überdurchschnittlich stark vertreten, stellt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einem Bericht zur Arbeitsmarktintegration von Migranten in Österreich fest.

Der Anteil von hoch Qualifizierten ist bei Migranten mit 19 Prozent genauso hoch wie bei Einheimischen. In den meisten anderen OECD-Ländern ist er geringer als bei Inländern. Umgekehrt ist der Anteil von Zuwanderern, die unter ihrer Qualifikation arbeiten, kaum irgendwo so hoch wie in Österreich: Hat man den Abschluss in einem einkommensschwachen Land erreicht, ist die Wahrscheinlichkeit doppelt so hoch wie bei Österreichern, wurde die Qualifikation in einem einkommensstarken Land erworben, ist die Wahrscheinlichkeit um ein Fünftel höher.

(c) DiePresse

Türkinnen oft ohne Beruf

Anerkennungsverfahren schaffen Abhilfe– doch nur jeder dritte Zuwanderer bemüht sich um ein solches. Die OECD rät, die Möglichkeiten von Anerkennungen besser bekannt zu machen und ein „One-Stop-Shop“-Prinzip, also eine einzige Anlaufstelle, für solche Angelegenheiten zu schaffen.

Auf der anderen Seite stehen die gering qualifizierten Migranten: Der Anteil derer, die maximal über Pflichtschulabschluss verfügen, ist bei Zuwanderern mit 30Prozent größer als bei Personen, die im Inland geboren sind (13Prozent). In der zweiten Generation wird das Problem nicht kleiner: Zwölf Prozent der Migrantenkinder zwischen 20 und 29 Jahren haben weder einen Job, noch gehen sie einer Ausbildung nach. Bei den Österreichern beträgt dieser Anteil drei Prozent. Damit ist der Abstand so groß wie in kaum einem anderen OECD-Land. Vor allem junge Frauen, deren Eltern aus der Türkei stammen, bleiben häufig ohne Ausbildung.

In weiterer Folge gehen Migranten seltener einer Beschäftigung nach als Österreicher: Vor allem bei den Frauen ist der Unterschied groß (siehe Grafik). So arbeiten 68Prozent der gebürtigen Österreicherinnen und 57 Prozent der Migrantinnen. Am geringsten ist die Erwerbsbeteiligung bei Türkinnen, die kürzer als fünf Jahre im Land sind (18 Prozent). Nach elf Jahren im Land gehen Türkinnen zu 43 Prozent einer Beschäftigung nach. Auch in vielen anderen Ländern ist die Erwerbsquote von Türkinnen geringer als von Migrantinnen aus anderen Ländern. In Österreich kommt laut OECD dazu, dass in den Neunzigerjahren viele Maßnahmen eingeführt worden seien, um Neuzuwanderer aus einkommensschwachen Ländern vom Arbeitsmarkt fernzuhalten. Diese Hindernisse seien schrittweise abgebaut worden, würden aber noch nachwirken. Die OECD rät, die Integrationspolitik in Österreich besser zu koordinieren. Derzeit gebe es viele regional beschränkte Projekte mit temporärer Finanzierung aus verschiedenen Quellen. Als vorbildlich lobte die Organisation die zuletzt häufig angebotene Nachschulung von Zuwanderern für Berufe mit Fachkräftemangel.

Zu wenig Wirtschaftsdeutsch?

Bei der Arbeitsmarktpolitik sollte man mehr Augenmerk auf Frauen und Jugendliche kurz vor dem Pflichtschulabschluss legen, so die OECD. Auch das derzeitige Angebot an Schulungsmaßnahmen sollte man überdenken: Die zahlreichen Deutschkurse würden nur selten dazu führen, dass die Betroffenen einen Job finden. Deswegen sollte es mehr berufs- und fachspezifische Deutschkurse geben.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer verwies auf bereits erfolgte Verbesserungen wie ein „Jugendcoaching“ in den Schulen. Auch sehe ein Gesetz vor, dass man künftig im AMS den Migrationshintergrund einer Person erfassen und sie so gezielt fördern könne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.