Finanztransaktionssteuer: Alleingang denkbar

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Bundeskanzler Werner Faymann will zumindest nicht ausschließen, dass Österreich die Finanztransaktionssteuer allein einführen könnte. Experten halten das für absurd.

Wien. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hält es für möglich, dass Österreich die Finanztransaktionssteuer auch einführt, wenn diese nicht auf EU-Ebene oder im Euroraum verwirklicht wird. Dies sei vorstellbar, sagte der Kanzler am Dienstag nach dem Ministerrat. Dies sei aber nur die zweitbeste Variante, weil die Abgabe viel weniger Geld brächte als geplant. Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) stimmte dem Kanzler zu: „So ist es.“ Ein Spindelegger-Sprecher erklärte später aber gegenüber der „Presse“, der Vizekanzler wollte nur bestätigen, dass die internationale Variante gut wäre. Auch ein Faymann-Sprecher beschwichtigte: Man sage momentan weder Ja noch Nein zu einer Steuer auf bloß nationaler Ebene, lasse aber dieses Modell gerade ausrechnen.

Ziel der Regierung ist es, jeden Kauf und Verkauf von Aktien und Anleihen mit 0,1 Prozent zu besteuern, bei Derivaten soll der Steuersatz bei 0,01Prozent liegen. Selbst wenn sich die Euroländer auf eine gemeinsame Vorgangsweise einigen können, bezweifeln Experten, dass die Abgabe viel bringen wird. „Österreich kann froh sein, wenn ein zweistelliger Millionenbetrag rauskommt“, sagte Wilhelm Rasinger vom Interessenverband für Anleger. Die Regierung erhofft sich dagegen ab 2014 jährliche Zusatzeinnahmen von 500 Millionen Euro für das Budget. Laut Rasinger werde es jedoch jede Menge Umgehungs- und Vermeidungskonstruktionen geben.

Banken können nach London ausweichen

So lehnt Großbritannien eine Finantransaktionssteuer vehement ab, weil die Regierung negative Auswirkungen auf den Finanzplatz London fürchtet. Alle österreichischen Großbanken sind in London mit Tochtergesellschaften vertreten. Für sie wäre es technisch überhaupt kein Problem, einen Teil des Wertpapiergeschäfts über die britische Hauptstadt abzuwickeln. Großbritanniens Premierminister, David Cameron, hält die Finanztransaktionssteuer für ein Unding. Ein derartiges Projekt auch nur zu beraten sei in einer Zeit, „in der wir kämpfen, damit unsere Wirtschaften wachsen, einfach verrückt“.

Als erstes Land der Eurozone hat nur Frankreich die Finanztransaktionssteuer beschlossen. Die Regierung in Paris erhofft sich Einnahmen von einer Milliarde Euro. Frankreich ist aber viel größer als Österreich. Auch die Börse in Paris ist wesentlich bedeutender als jene in Wien.

Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV), hält das kalkulierte Aufkommen von 500 Mio. Euro für „völlig außer Reichweite“. Er hat diesbezüglich bereits einige Berechnungen angestellt: „Auf der Umsatzbasis von 2007 – was, wie wir alle wissen, ein sehr gutes Jahr war – hätte sich ein Steueraufkommen von 113 Mio. Euro ergeben, das 2008 auf 90,5 Mio. Euro und im Jahr darauf auf 46,7 Mio. Euro gesunken wäre“, so Helmenstein. In diesem Modell hat er eine Börsenumsatzsteuer von 0,15 Prozent auf Aktien und Anleihen angenommen und die „eher noch optimistische“ Prognose, dass die Handelsumsätze durch die Abgabe um 15 Prozent zurückgehen.

Als Negativbeispiel nennt Helmenstein Schweden. Statt der erwarteten 165 Millionen Euro pro Jahr lagen die tatsächlichen Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer nur bei neun Millionen Euro. Ein derart großer Unterschied sei „durchaus“ auch für Österreich zu erwarten, meint der IV-Experte im „Börse-Express“.

Kritik von vielen Seiten

Selbst Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny stuft jene Bereiche im Belastungs- und Sparpaket, die derzeit „quasi noch nicht voll ausformuliert sind“, wie das Einrechnen einer Finanztransaktionssteuer oder die Annahme eines positiven Ergebnisses mit der Schweiz, als „heikel“ ein. Rechnungshofpräsident Josef Moser wiederum findet es „bedenklich“, dass viele der budgetierten Maßnahmen noch in der Schwebe sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2012)

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