Ich-AGs: Die teuer erkaufte Freiheit

(c) FABRY Clemens
  • Drucken

Die meisten der 240.000 österreichischen Einpersonenfirmen machen sich selbstständig, weil sie vom unabhängigen Unternehmerdasein träumen. Viele bezahlen für die Selbstständigkeit allerdings einen hohen Preis.

Wien/hie. Selbstständig sein – das ist für viele eine Traumvorstellung. Freie Zeiteinteilung, eigene Verantwortung, und niemand, der einem sagt, was zu tun ist. Das ist ungefähr das Bild, das eine Studie der KMU Forschung Austria im Auftrag der Wirtschaftskammer (WKO) vom klassischen Einpersonenunternehmen (EPU) zeichnet. „Es gibt einen nicht unerheblichen Anteil von Unternehmern aus Leidenschaft“, sagt Peter Voithofer, Direktor der KMU-Forschung Austria.

Fragt man EPU, warum sie sich selbstständig gemacht haben, sagen 73 Prozent, weil sie sich ihre Zeit flexibel einteilen und unabhängig sein wollen. 72 Prozent nennen „Selbstverwirklichung“ als Grund und 44 Prozent glauben, so Familie und Beruf unter den Hut zu bekommen. Wesentlich weniger Ich-AGs haben sich selbstständig gemacht, weil ihnen in ihrem alten Beruf die Aufstiegsmöglichkeiten gefehlt haben (29 Prozent) oder weil sie der Arbeitslosigkeit entkommen wollten (17 Prozent).

Keine Lust auf Anstellung

Die meisten der 240.000 österreichischen Ich-AGs wollen demnach gar nicht angestellt sein. „Ein großer Teil der Befragten ist mit der Situation zufrieden, weil sie den eigenen Zielen entspricht“, so Voithofer. Der Schritt in die Selbstständigkeit sei von den meisten überlegt und mit Erfahrungshintergrund getan worden. 81 Prozent waren zuvor unselbstständig beschäftigt, davon 34 Prozent in leitender Funktion. „Die Nichtfreiwilligen sind die absolute Minderheit.“ Sieben Prozent haben sich „auf Vorschlag des Arbeitgebers“ selbstständig gemacht. Man könnte es auch als „in die Selbstständigkeit gedrängt“ interpretieren.

Das ist aber nur die eine Seite. Denn laut Volker Plass, Bundessprecher der Grünen Wirtschaft und Vertreter der Grünen in der WKO, ist der Traum von der Selbstständigkeit oft teuer erkauft. „Dass so viele EPU freiwillig selbstständig sind, deckt sich mit anderen Studien. Aber viele von ihnen müssen ganz schön etwas leisten, um sich diesen Traum leisten zu können.“ Plass bezieht sich auf Daten der Statistik Austria, denen zufolge Selbstständige nach den Hilfsarbeitern die am häufigsten armutsgefährdete Gruppe sind.

Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl sieht die Selbstständigen in puncto Einkommen gleichauf mit den unselbstständig Beschäftigten bei 27.000 Euro (ausgenommen öffentlicher Dienst). Plass zitiert lieber das Medianeinkommen: Das ist jener Wert, den man erhält, wenn man „alle Selbstständigen sortiert nach Einkommen in einer Reihe aufstellt und denjenigen, der genau in der Mitte steht, fragt, was er verdient.“ Dieser Wert lag für jene, die 2007 ausschließlich selbstständig erwerbstätig waren, bei etwa 11.100 Euro. Laut KMU-Forschung Austria sind 78 Prozent der EPU im Hauptberuf Ich-AGs. EPU stellen 54 Prozent der WKO-Mitglieder.

Ich-AGs zahlen immer ein

Vielen EPU macht die Sozialversicherung zu schaffen: Denn während unselbstständig Beschäftigte erst ab der Geringfügigkeitsgrenze von 376,26 Euro pro Monat sozialversicherungspflichtig sind, müssen EPU immer ihre Beiträge leisten – auch in schlechten Jahren: „Wenn ich wenig verdiene oder Verlust mache, werde ich trotzdem zur Kasse gebeten“, so Plass. Die Mindestbeitragsgrundlage für die Krankenversicherung liegt bei 671,02 Euro. Dafür, dass viele EPU wenig verdienen, spricht auch, dass rund die Hälfte von ihnen ihre Versicherungsbeiträge nur auf Basis der Mindestbeitragsgrundlage bezahlt, so die SVA.



Eigentlich hätte die Mindestbeitragsgrundlage bis 2015 schrittweise in Richtung der Geringfügigkeitsgrenze gesenkt werden sollen. Aber dann kam das Spar- und Belastungspaket der Regierung. Das ärgert auch den Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl: „Manchmal dringen Marder in unsere Speisekammer ein. Der jetzige Einbruch kostet uns zehn Millionen Euro“, sagte er am Mittwochabend anlässlich der Präsentation der EPU-Studie.

Denn die Senkung der Mindestbeitragsgrundlage wurde nun auf 2018 verschoben. Volker Plass ist aber wenig zuversichtlich, dass das auch wirklich passiert: „Meiner Meinung nach ist das eine reine Vorhabensbekundung.“

Auf einen Blick

240.000 Einpersonenunternehmen gibt es in Österreich. Laut einer Studie, die die Wirtschaftskammer bei der KMU Forschung Austria in Auftrag gegeben hat, haben sich davon 72 Prozent selbstständig gemacht, weil sie sich selbst verwirklichen wollten. Viele kämpfen aber mit finanziellen Schwierigkeiten – etwa wegen der Versicherungsbeiträge.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Die Hälfte der Österreicher misstraut dem eigenen Chef

40 Prozent haben Probleme mit den Entscheidungen des direkten Vorgesetzten, knapp die Hälfte misstraut der Unternehmensleitung. Dennoch ist die Zufriedenheit im Job generell hoch.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.