Kaum Anreiz, mehr zu arbeiten

(c) APA (FRANZ NEUMAYR)
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Seit 2000 stieg die Belastung der Löhne in Österreich so deutlich wie in kaum einem anderen Land. Von jedem Euro an zusätzlichen Lohnkosten landen 60 Cent beim Staat.

Wien. Angesichts der klammen Finanzsituationen bitten Industrieländer arbeitende Bürger wieder stärker zur Kasse. 26 von 34 OECD-Staaten haben die Steuern und Abgaben auf Löhne im Vorjahr erhöht. Im Schnitt landeten 35,3 Prozent dessen, was Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter bezahlen müssen (Bruttolohn plus Sozialversicherungsanteil des Arbeitgebers) letztlich beim Finanzminister, so das Ergebnis der Studie „Taxing Wages 2011“ der OECD. Wer in Österreich als Angestellter oder Arbeiter lebt und somit ohnedies den Großteil der heimischen Steuerlast trägt, kann darüber wohl nur müde lächeln. Hierzulande kassiert der Fiskus im Schnitt 48,4 Prozent der Arbeitskosten.

Die Hälfte für die Finanzministerin

Global gesehen stellt die steigende Belastung der Lohnarbeiter jedoch eine Trendwende dar. Betrachtet man etwa die vergangenen elf Jahre, sanken die kompletten Arbeitskosten in 16OECD-Staaten. Nicht so in Österreich. Hier kletterten die Belastungen seit 2000 stetig nach oben. Ob Single oder Familienvater, Durchschnittslöhner oder Topverdienerin: Um den Wohlfahrtsstaat erhalten zu können, forderte die Republik Österreich im Schnitt zehn bis 13 Prozent mehr von ihnen als ähnlich entwickelte Staaten. Nur Griechenland, Spanien, Korea und Mexiko nahmen seit der Jahrtausendwende eine ähnliche Entwicklung.

2011 landete Österreich mit einer gestiegenen Abgabenquote von durchschnittlich 48,4 Prozent auf Platz fünf der Hochsteuerländer. Nur Belgien, Deutschland, Ungarn und Frankreich verlangen mehr (siehe Grafik). Um die steigende Belastung zu verdeutlichen, brechen die Studienautoren die Auswirkungen des heimischen Steuersystems auf typische Haushalte herunter. Wer 2011 als kinderloser Single das Durchschnittseinkommen von 39.263 Euro brutto verdient hat, musste 48,4 Prozent der Arbeitskosten abliefern. Wer ein wenig mehr verdient hat (60.000 Euro brutto im Jahr reichen), fand weniger als die Hälfte dessen, was sein Arbeitgeber bezahlt hat, auch auf seinem Konto wieder (Belastungsquote 51,6 Prozent). Etwas besser geht es Paaren mit Kindern. Verdient nur ein Elternteil das Durchschnittseinkommen, liegt die Abgabenquote bei 37,1 Prozent. In der Berechnung nicht enthalten sind andere Einkünfte aus Kapital, Vermietung, Verpachtung oder selbstständiger Arbeit.

Höhere Steuern für Topverdiener

Was in der Studie besonders auffällt: Der Anreiz mehr zu arbeiten oder sich einen besseren Job zu suchen, um mehr zu verdienen, ist in Österreich so gering wie in kaum einem anderen Land. Denn von jedem Euro, den die Österreicher zusätzlich verdienen, sehen die meisten nur knapp 40 Cent. „Das kann demotivierend wirken“, sagt OECD-Ökonomin Carolina Torres im Gespräch mit der „Presse“. Auch hier findet sich Österreich im Kreis jener Länder wieder, die besonders kräftig zugreifen. Lediglich das Hochsteuerland Belgien liegt in dieser Statistik eindeutig vor Österreich. Etwas besser geht es Österreichs Spitzenverdienern. Dank der Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge dürfen sie von jedem zusätzlichen Euro 57,8 Cent behalten.

Auch bei den Spitzensteuersätzen sieht die OECD eine Trendwende. Sanken die Spitzensteuersätze in den vergangenen drei Jahrzehnten in allen Industrieländern um durchschnittlich 15 Prozent, so klettern sie seit 2010 in etlichen Staaten wieder nach oben. Allzu große Auswirkungen auf die Steuerlast oder auf die Einnahmen des Staates dürfte all das aber nicht haben, argumentiert die Studie. Denn wann immer Regierungen den Spitzensteuersatz gesenkt haben, erweiterten sie zugleich den Kreis der betroffenen Topverdiener. Umgekehrt ist es genauso: Steigt der Spitzensteuersatz, steigt zumeist auch die Gehaltsschwelle, ab der er auch zu bezahlen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2012)

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