Produktpiraterie: "Wieso sind nur die Chinesen die Bösen?"

Monatlich werden 40 Fälscherfabriken in China geschlossen - doch eine Lösung des Problems ist das nicht.

Alpbach. Wenn es um den Schutz geistigen Eigentums geht, kennt Maximilian Burger-Scheidlin keinen Spaß. "Da draußen herrscht ein Krieg", sagte der Geschäftsführer der Internationalen Handelskammer (ICC) in Wien während eines Arbeitskreises zum Thema "Geistiges Eigentum" am Forum Alpbach. Und zwar ein Krieg um die besten Ideen, die aufregendsten Innovationen - und den Gewinn, den man durch das unerlaubte Kopieren etablierter Marken und Patente lukrieren kann. Ein grober Klotz, der in China nach einem groben Keil verlangt: "Die Teams der ICC schließen derzeit in China 30 bis 40 Fälscherfabriken pro Monat und sprengen die Maschinen."

Kurzer, aber entscheidender Nachsatz Burger-Scheidlins: "Soferne die betroffenen Marken registriert sind." Genau hier liegt das Problem vieler österreichischer Firmen. "Viele Unternehmen schimpfen über den chinesischen Kopiermarkt, während sie vergessen, ihre Marken rechtzeitig anzumelden", sagte Sandra Wechselberger, Leiterin der Rechtsabteilung des Tiroler Schmuckherstellers Swarovski. Wobei der Teufel oft im Detail steckt. Wer etwa vergisst, nicht nur seinen deutschen Markennamen, sondern auch dessen chinesische Übersetzung registrieren zu lassen, kann sich darauf gefasst machen, dass seine Marke in chinesischen Schriftzeichen "nachempfunden" wird. Und zwar völlig legal.

Das musste auch der österreichische Motorradhersteller KTM feststellen. "Die lassen zwar weltweit beobachten, wo Plagiate auftreten, und haben erst unlängst in Australien eine Ladung gefälschter Motorräder beschlagnahmen lassen", berichtet Burger-Scheidlin. "Gegen die Fabrik in China, wo die Motorräder herkamen, waren sie aber zu langsam."

Dass Produktpiraterie nicht bloß lästig ist, sondern renommierte Markenunternehmen in Bedrängnis bringen kann, weiß auch der Vorarlberger Lifthersteller Doppelmayr. Nicht nur, dass in China auf rund 70 echte Doppelmayr-Lifte dreimal so viele perfekt gefälschte kämen, sagte Burger-Scheidlin. "Was passiert, wenn ein gefälschter Lift abstürzt - und in den Medien das Doppelmayr-Logo zu sehen ist?" Soll die Firma zur Vermeidung solcher PR-Desaster auch Serviceleistungen für falsche Lifte anbieten, um den Wert der Marke zu schützen? Eine Frage, die ebenso schwer zu beantworten ist wie jene nach dem richtigen Vorgehen gegen Produktpiraten. Oft sei es sinnvoll, Fälscher erst einmal wachsen zu lassen, statt jede Hinterhofwerkstatt aufzufinden zu versuchen, meinte Burger-Scheidlin. In Taiwan sei ein österreichisches Unternehmen mit dieser Strategie erfolgreich gewesen: "Nach einem Jahr gab es weltweit zeitgleiche Razzien." Das Ergebnis: Die früheren Fälscher sind heute Zulieferer der Firma.

Freilich: Gäbe es keinen Markt für Fälschungen, entfiele der ökonomische Anreiz für die Produktpiraten. "Warum sind immer die Chinesen die Bösen?", lautete die rhetorische Frage von Friedrich Rödler, dem Präsidenten des Österreichischen Patentamtes. "Das Spiel funktioniert doch nur, weil wir die Abnehmer gefälschter Louis-Vuitton-Taschen sind."

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