Landeshaftungen: Kärnten ist (fast) überall

Landeshaftungen Kaernten
Landeshaftungen Kaernten (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Die Länder haften derzeit noch immer mit fast 50 Milliarden Euro für ihre Banken und sind deshalb ein enormes Risiko für die finanzielle Stabilität der Republik. Zeit, ihren monetären Spielraum einzuengen.

Wir wissen jetzt ungefähr, wie viel uns die drei Katastrophenbanken Hypo Alpe Adria, Kommunalkredit und ÖVAG an Steuergeld kosten werden: zusammen mindestens 20 Mrd. Euro. Das sind 2500 Euro pro Österreicher oder – umgelegt auf die 2,8 Millionen aktiv Steuer zahlenden Erwerbstätigen – 7100 Euro pro Steuerzahler.

Ein stolzer Preis, den wir für die österreichische Form des Föderalismus, der Landeshauptleuten praktisch finanzielle Narrenfreiheit gewährt, und für das Versagen der Aufsicht in Gestalt der FMA und der Nationalbank (wofür brauchen wir diese regierungsabhängige Proporzveranstaltung in dieser Form als Euromitglied eigentlich noch?) zu bezahlen haben werden.

Wir sollten nun aber beten, dass in den nächsten Jahren keine neue Bankenkrise ausbricht. Denn das Bedrohungspotenzial, mit dem wir es zu tun haben, ist viel höher: Die Methode, Haftungen für Landesbanken zu übernehmen, die die finanzielle Kapazität des jeweiligen Haftungsgebers bei Weitem übersteigen, war in den wilden Nullerjahren (bevor die EU diese Praxis aus Wettbewerbsgründen Gott sei Dank abgedreht hat) nämlich keineswegs auf Kärnten beschränkt: Mit Ausnahme Salzburgs und des Burgenlands haften alle Bundesländer (siehe Grafik) mit Milliardensummen für ihre Landesbanken. Wien steht für Verbindlichkeiten der Bank Austria gerade.

Besonders schockierend: In drei Fällen (Kärnten, Tirol und Vorarlberg) übersteigt die Haftung für die jeweilige Landesbank (in Kärnten: Ex-Landesbank) die Jahreseinnahmen bei Weitem. Würde beispielsweise die Vorarlberger Hypo ein „Kärnten-Problem“ bekommen, wären im Ländle die Einnahmen von vier Jahren weg. Das könnte das Land natürlich nicht schultern, womit das Problem wieder beim Bund (und damit bei uns allen) landen würde.

Dass so etwas unwahrscheinlich ist, weil die meisten Hypos ja eher „fades“ Geschäft machen und nicht auf internationalen Finanzmärkten herumzocken, ist leider eine Illusion: Die Tiroler mussten beispielweise beträchtliche Summen an Landesgeld einschießen, um ihre bei Italien-Zockereien auf die Nase gefallene Landesbank vor Schlimmerem zu bewahren. Das Problem wird – dank des EU-Verbots, neue Haftungen für Landesbanken einzugehen – kleiner und wird in den kommenden Jahrzehnten ganz verschwinden. Der größere Teil davon schon bis 2017.

Aber derzeit haften die Länder für ihre Banken noch mit fast 50 Mrd. Euro. Wie viel es genau ist, lässt sich nicht sagen: Die Zahlen in obiger Grafik geben den Stand zum Jahreswechsel 2011/2012 wieder, neuere gibt es laut Auskunft des Finanzministeriums noch nicht. Grob geschätzt dürften wir derzeit bei rund 47 Mrd. Euro Bankenhaftungsvolumen liegen.

Das macht 16.800 Euro Drohpotenzial, das unverantwortliche Landespolitiker jedem einzelnen Steuerzahler für die Landesbanken umhängen. Sie tun das sicherlich gern. Denn im Gegensatz zu den Steuerzahlern, die jetzt ein paar Jahre lang zittern und den Banken die Daumen halten müssen, profitiert die Landespolitik ja davon: Landeshaftungen sind schon deshalb sehr beliebt, weil die Haftungsnehmer den Ländern für Haftungen, die diese nie im Leben einlösen können, ja frecherweise auch noch Haftungsprovisionen bezahlen müssen.

Auch die Hypo Alpe Adria zahlt noch immer Haftungsprovisionen an das Land Kärnten. 2012 etwa sechs Mio. Euro, deren Zahlung die Bank zuerst verweigert hatte, wozu sie dann aber gerichtlich gezwungen wurde.

Insgesamt hat das Land Kärnten solcherart fast 150 Mio. Euro aus der Hypo gezogen. Versteht man jetzt, wieso Haftungen, die man später sowieso dem Bund umhängen kann, in den Landesregierungsstuben so beliebt sind?

Und was machen die Länder mit solchen Provisionen? Auch da hat Kärnten ein schönes Beispiel geliefert: Jörg Haider hatte per Landesregierungsbeschluss (unter Komplizenschaft des damaligen Koalitionspartners SPÖ) 2003 und 2004 insgesamt 58,2 Mio. Euro als „Vorschuss“ auf künftige Haftungsprovisionen aus der Bank gezogen – und damit im Wahljahr 2004 die Landesparteienförderung verdoppelt.

Landeshaftungen Kaernten
Landeshaftungen Kaernten (C) DiePresse

Kurz und gut: Die Bundesländer haben zum eigenen Vorteil unverantwortliche Haftungen übernommen, für die sie nie geradestehen können. Und der Bund, der im gelebten Föderalismus eine Art Eunuchenrolle einnimmt, sah dem Treiben hilflos zu. Im Vorjahr wurde zwar eine Haftungsobergrenze für Länder eingezogen, die aber völlig sinn- und wirkungslos ist: Die Länder können das Risiko ihrer Haftungsübernahmen selbst einschätzen, also im Prinzip weitermachen wie bisher. Bis auf Landesbankenhaftungen natürlich, denn gegenüber der EU gilt der Landesfürstenstatus ja Gott sei Dank nicht.

Es ist natürlich, realpolitisch gesehen, unrealistisch, sich hier Veränderungen herbeizuwünschen. Aber genau besehen gibt es wohl nur zwei Möglichkeiten: Entweder man nimmt den Ländern die Verfügungsgewalt über ihre Finanzen.

Oder man macht sie, mit allen Konsequenzen, für ihr Handeln verantwortlich, was Insolvenz- und Abwicklungsregeln für Bundesländer bedeuten würde. Dem unglaublichen Treiben aber weiter einfach zuzusehen, ist unverantwortlich und letztendlich zukunftsgefährdend.


E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2013)

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