Interessant, was man im Wahlkampf nicht hört

Interessant Wahlkampf nicht hoert
Interessant Wahlkampf nicht hoert(c) EPA (TANNEN MAURY)
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Im Wahlkampf ist viel von der „Reichensteuer“ die Rede, die so ohnehin nicht kommt. Von den wirklich wichtigen wirtschaftspolitischen Fragen hört man dagegen wenig Konkretes.

Lustig ist er ja, der Wahlkampf. Nicht nur wegen der Frank-Forderung nach der Todesstrafe für die im Lande offenbar überhandnehmenden Berufskiller. Auch die Großparteien haben nicht zu verachtende Lachschlager in petto. Der Bundeskanzler etwa tourt derzeit mit seiner „Reichensteuer“ von Wahlveranstaltung zu TV-Diskussion.

Nach den bisherigen Ankündigungen sieht diese ungefähr so aus: Die rund 400 Mrd. Euro an Vermögen, die laut Daumen-mal-Pi-„Studie“ der Linzer Uni dem reichsten Prozent der Bevölkerung gehören, sollen per 0,5-prozentiger Substanzsteuer gezwickt werden, was 1,5 bis zwei Mrd. Euro bringt.

Wirklich? Ausgenommen, so hört man, werden nämlich Betriebsvermögen und landwirtschaftliche Betriebe. Und mit den Stiftungen wird man sich rechtlich auch ein bisschen schwertun, denn diese sind (über die Eingangssteuer) ja schon jetzt vermögensbesteuert.

Zum Glück haben Österreichs Milliardäre ihr Geld ja in kleinen Scheinen unter der Matratze stecken. Und nicht in Betrieben, landwirtschaftlichen Gütern und Stiftungen. Denn an die würde man so blöderweise nicht herankommen.

Vielleicht liegt die „Marie“ aber auch auf dem „Oma-Sparbuch“, das der ebenfalls lustig aufgelegte Koalitionspartner ÖVP durch die „Reichensteuer“ gefährdet sieht. Dort liegen im Schnitt übrigens weniger als 20.000 Euro. Da fehlt auf die Million, ab der die Steuer greifen soll, noch einiges.

Diese Million ist in den offiziellen Politikeraussagen spannenderweise einmal ein „Freibetrag“ und dann wieder eine „Freigrenze“. Es sieht jetzt ein wenig nach i-Tüpfelreiterei aus, aber der Unterschied ist schlicht der: Wird es ein „Freibetrag“, dann wäre bei einem Vermögen von einer Million und einem Euro und einem Steuersatz von 0,5 Prozent ein halber Cent an Steuer fällig; wird es eine „Freigrenze“, dann sind 5000 Euro ans Finanzamt zu überweisen. Also eh ein zu vernachlässigender Unterschied, den ein Politiker nicht kennen muss, oder wie?

So, wie die Reichensteuerdebatte von allen Seiten geführt wird, zeigt sie jedenfalls sehr schön, wie Wähler im Vorfeld von Wahlen vera..., äh, veräppelt werden.

Nicht, dass es keine korrekturwürdige Schieflage im Steuersystem gäbe: In diesem Land wird der Versuch, Vermögen zu erwerben, mit Abgabensätzen (Steuern und Sozialbeiträgen) von weit über 50Prozent drastisch abgestraft, während die, die Vermögen für sich arbeiten lassen, von der Finanz deutlich bevorzugt werden. Das im Rahmen einer großen Steuerreform aufkommensneutral zu korrigieren, wäre eine lohnende und wirtschaftsstimulierende Aufgabe.

Hat man in diesem Wahlkampf etwas von Konzepten dafür gehört? Ich meine: von wirklichen Konzepten, nicht von hingeworfenen Killerschlagworten wie „Arbeit entlasten“, ohne dazuzusagen, wie?

Nein, hat man nicht! Wie es überhaupt deutlich interessanter ist, was man in diesem Wahlkampf von den Regierungsparteien alles nicht hört. Man hört zwar, siehe oben, wie man den Steuerzahlern noch die eine oder andere Milliarde aus der Tasche ziehen könnte, aber kein Sterbenswörtchen darüber, wie man die Wachstumsdynamik bei den großen Ausgabenbrocken einzubremsen gedenkt.

Dass die beiden größten Einzelausgaben – nämlich die jährlich sieben Milliarden für die ÖBB (einschließlich Haftungen für die Infrastruktur, die mit hundertprozentiger Sicherheit schlagend werden) und die drei bis vier Milliarden für die Landwirtschaft (die teilweise den Umweg über Brüssel machen, deshalb aber trotzdem aus heimischen Steuergeldern stammen) – kein Thema sind, ist klar: Solange es eine rot-schwarze Koalition gibt, gilt die Regel: „Lässt du meine Eisenbahner in Ruhe, lass ich den Bauern leben.“ Da ist nichts zu machen, das jeweilige Wählerpotenzial ist zu groß.

Aber: Konkrete Pläne für eine echte Bildungsreform? Konkrete Pläne für eine Verwaltungsreform? Für eine Umgestaltung des ineffizienten und erstarrten Föderalismus? Für die Umgestaltung des Pensionssystems in ein tragfähiges, gerechtes Altersversorgungssystem, das sich langfristig finanzieren lässt und mit Privilegiennestern à la Nationalbank oder Gemeinde Wien Schluss macht? Große Fehlanzeige!

Die Themen wären ja auch anstrengend, heikel, und man würde damit nur potenzielle Wähler vergraulen. Da konzentrieren wir uns schon lieber auf eine „Reichensteuer“, die gut nach Robin Hood klingt – und in dieser Form ohnehin weder verwirklichbar noch sinnvoll ist. Nur zur Erinnerung: Die alte, von Ferdinand Lacina abgeschaffte Vermögenssteuer brachte sehr mickrige Erträge, die noch dazu zu 80Prozent aus Betriebsvermögen stammten, das jetzt nicht angetastet werden soll. Das wird nichts.

Was sehr wohl „etwas wird“, ist eine Erhöhung der Grundsteuer. Das ist ebenfalls eine Vermögenssteuer, und man kann ihre Anhebung sogar argumentieren: Ihre Basis, die Einheitswerte, wurde seit Jahrzehnten nicht angepasst und ist deshalb schon reichlich realitätsfern. Diese Erhöhung wird sehr bald kommen, wahrscheinlich schon 2014. Und sie wird keine „Reichensteuer“ sein, sondern auch kleine „Häuselbauer“, Eigentumswohnungsbesitzer und natürlich auch Mieter treffen. Eine Absenkung der Arbeitskosten im Gegenzug wird es selbstverständlich nicht geben.

Aber darüber redet man im Wahlkampf nicht so gern. Was ja fast schon wieder verständlich ist.


E-Mail: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2013)

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