Sind 7,8 fehlende Milliarden kein Budgetloch?

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Am Beginn der Budgetloch-Planierungsarbeiten muss eine umfassende Staats- und Föderalismusreform stehen. Wenn die Regierung das nicht schafft, werden wir wohl nicht Spar-, sondern Belastungpakete erleben.

Wer wissen will, ob unsere Regierenden budgetmäßig endlich in der Realität angekommen sind, muss sich nur einen einzigen Satz zu Gemüte führen: „Es gibt kein Budgetloch“, tönt es von der Finanzministerin bis zum Bundeskanzler und vom Vizekanzler bis zum Wiener Bürgermeister permanent durch die politische Landschaft.

Wie bitte? Wie weltfremd und schlafmützig kann man sich denn geben? Was sind denn dann die 7,82 Mrd. Euro, die heuer laut Statistik Austria im gesamtstaatlichen Haushalt fehlen und die selbstverständlich durch die Aufnahme neuer Schulden finanziert werden müssen?

Die Wahrheit ist: Der Staat Österreich stolpert von einem Budgetloch ins nächste. Seit einem halben Jahrhundert hat es kein einziges Jahr mit einem ausgeglichenen Staatshaushalt gegeben. Seit den Siebzigerjahren hat das Budgetloch Jahr für Jahr Euro-Milliarden-Ausmaße.

Mit einer einzigen Ausnahme: 2001 gelang es dem damaligen Finanzminister Karl Heinz Grasser, den Fehlbetrag mithilfe von einmaligen Privatisierungserlösen und einer schlagartigen Anhebung der Steuer- und Abgabenquote um zwei Prozentpunkte, den Fehlbetrag in den niedrigen dreistelligen Millionenbereich zu drücken.

Im Übrigen ein schöner Beweis dafür, dass die einnahmenseitige Budgetsanierung nicht funktioniert: Schon ein Jahr später war man wieder über der Milliarde. Und 2004 hat Grasser dann das bis dahin höchste Defizit in der Geschichte der Republik abgeliefert. Wovon jetzt so viel geredet wird, ist nur die ungeplante Erweiterung des vorhandenen Budgetlochs in den kommenden Jahren. Es fehlen bis 2018 also nicht gut 40 Milliarden, sondern es fehlen gut 40 Milliarden mehr, als man bisher zugegeben hat.

Und die Regierung will diese Lücke auch keineswegs schließen. Angehen will man ja nur das bei achtzehnkommanochwas Milliarden verortete strukturelle Defizit, das weniger als die Hälfte des echten Fehlbetrags ausmachen dürfte. Das strukturelle Defizit ist der um Einmal- und Konjunktureffekte bereinigte Fehlbetrag. Also der, den es gar nicht geben dürfte, wenn Rot-Schwarz und zwischendurch Schwarz-Blau ihre strukturellen Hausaufgaben gemacht hätten.

Wie auch immer: Wenigstens das strukturelle Defizit anzugehen, wäre schon einmal ein wichtiger Schritt in Richtung finanzielle Gesundung. Nur: Wo man da konkret beginnen könnte – davon hat man noch nicht allzu viel gehört. Gelesen schon. Rechnungshof und Wirtschaftsforschungsinstitute haben ja schon hunderte ebenso konkrete wie von der Regierung ignorierte Vorschläge vorgelegt. Und auch der vor acht Jahren beendete Österreich-Konvent hat eine Reihe von Anregungen hinterlassen, die sogleich schubladisiert wurden.

Viele dieser Vorschläge würden erst mittelfristig wirken, einige aber sogleich. Dem „Gesamtwerk“ ist gemein, dass die dadurch möglichen Einsparungen den jetzigen Finanzierungsbedarf bei Weitem übersteigen, ohne deshalb gleich die neoliberale Sozialwüste zu hinterlassen, die hierzulande jedesmal so eindrucksvoll an die Wand gemalt wird, wenn das Wort Budgtkonsolidierung fällt.


Ein paar Beispiele gefällig? Das „Förderunwesen“, wie Ex-Rechnungshof-Chef Franz Fiedler die heimische Gießkannen-Förderpraxis einmal genannt hat, kostet hierzulande bezogen auf das BIP doppelt so viel wie im OECD-Schnitt. Das auf ebendiesen OECD-Schnitt zurückzuführen, würde allein sieben bis acht Mrd. Jahr einbringen (also mehr, als die Regierung für ihr angepeiltes strukturelles Fast-Nulldefizit überhaupt benötigt), wäre aber vielleicht zu radikal.

Nur: Was spricht dagegen, die vielen Gießkannenförderungen vom Briefmarkensammlerverein bis zur Subvention für Trachtenanzüge einmal ernsthaft zu evaluieren und vor allem die vielen Doppel- und Dreifachförderungen (etwa für die Landwirtschaft) abzustellen? Ganz einfach: Es gibt noch immer keine Transparenz bei den Förderungen, eine Förderstelle weiß nicht, was die andere tut und Länder und Gemeinden denken nicht im Traum daran, sich in dieses Wählerbeeinflussungsinstrument ernsthaft aus der Hand nehmen zu lassen.

Detto bei den Pensionen: Jeder weiß, wo die fehlenden Milliarden stecken und wie sie zu heben wären. Aber niemand traut sich drüber. Vor allem aber: Viele Privilegien-Pensionssysteme – von den Sozialversicherungen über einige Bundesländer bis zur Gemeinde Wien – haben noch nicht einmal die alte, für Bundesbedienstete längst geltende Pensionsreform nachvollzogen.

Nicht anders im Schulwesen: Die kostentreibenden Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Ländern sind längst identifiziert, können aber nicht beseitigt werden, weil es dazu keinen förderalen Konsens gibt. Vom Spitalswesen und dessen föderal bedingten Doppelgleisigkeiten reden wir da noch gar nicht, obwohl Experten auch hier Sparpotenzial in Milliardenhöhe sehen, ohne dass die Qualität der medizinischen Versorgung sinken würde. Geht nicht, weil das Landessache ist.

Man sieht: Ohne Länder läuft gar nichts. Und in der derzeitigen föderalen Struktur schon gar nicht. Das heißt: Bevor überhaupt mit ernsthaften Sparmaßnahmen begonnen werden kann, muss eine umfassende Staatsreform her. Schafft das die Regierung nicht, dann wird auch das kommende „Sparpaket“ ein simples Steuererhöhungspaket werden. Und in fünf Jahren werden sich wieder alle wundern, dass sich im noch immer unsanierten Haushalt wieder neue Budgetlöcher auftun.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2013)

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