Förderwildwuchs: Seid verschlungen, Milliarden

(c) EPA (MARTIAL TREZZINI)
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Mit einer Effizienzsteigerung im Förderwesen wären bis zu fünf Mrd. Euro zu holen. Aber Länder und Gemeinden wehren sich verbissen gegen die notwendige Transparenz.

Neunzehn Mrd. Euro gibt Österreich jährlich für direkte Förderungen aus, mehr als 80 Milliarden sind es einschließlich der zu den Förderungen gezählten Sozialleistungen. 3,5 bis fünf Mrd. Euro davon ließen sich nach Ansicht von Wirtschaftsforschern jährlich nur durch die Beseitigung von Ineffizienzen und Mehrfachförderungen einsparen. Also ohne großen Kahlschlag. Und zwar relativ kurzfristig. So weit die nackten Zahlen.

Und jetzt die große Frage: Warum hebt dieses Geld, das ganz offenbar auf der Straße liegt, niemand auf? Der Staat lebt ja schließlich nicht im Überfluss, ist hoch verschuldet, muss seinen Bürgern eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten der zivilisierten Welt abpressen. Und lässt den Gegenwert einer kompletten und noch dazu nachhaltigen Steuerreform-Gegenfinanzierung einfach liegen? Das sieht ein bisschen nach politischem Kapitalversagen aus.

Das Problem ist: Niemand kann den Förderwildwuchs mehr überblicken. Gefördert wird auf bis zu vier Ebenen (EU, Bund, Land, Gemeinde) – und eine Hand weiß nicht, was die andere tut. Und will es auch gar nicht wissen. Alle Versuche, wenigstens einmal grob festzustellen, wo die Milliarden hinrinnen, sind bisher an politischem Unwillen gescheitert. Vor allem dem der Länder.

Zwei Anläufe hat es ja gegeben: einmal auf EU-Ebene, wo die Landwirtschaftsförderungen und deren Empfänger in einer Datenbank dargestellt wurden. Das ist von der Bauernlobby gleich wieder abgedreht worden. Dort kann nur noch ein Teil der Agrarsubventionen (jener, der nicht direkt an Bauern geht) abgerufen werden.

Einen weiteren hat der damalige Finanzminister, Josef Pröll, 2010 gestartet: Eine Transparenzdatenbank sollte alle Förderungen und Sozialleistungen von Bund, Ländern und Gemeinden enthalten – und so totale Transparenz schaffen. Doppel- und Mehrfachförderungen hätten so einfach festgestellt und abgedreht werden können. Wer sich dieses damals geschaffene Transparenzportal (www.transparenzportal.gv.at) ansieht, merkt schnell: Die Idee ist gescheitert. Dort steht nur, welche Förderungen einem „zustehen“. Aber nicht, wer wie viel von wem bekommt. Auch die Idee, dort wenigstens im Hintergrund, nur für Behörden einsehbar, eine echte Transparenzdatenbank aufzubauen, ist mehr oder weniger Geschichte: Länder und Gemeinden liefern einfach nicht.

Jetzt, fünf Jahre nach dem Start der Transparenzdatenbank, ist von Durchsichtigkeit im Förderdschungel also noch immer keine Spur. Der Finanzminister, der jetzt einen weiteren (wohl auch vergeblichen) Anlauf dafür startet, weiß also selbst noch immer nicht exakt, wo seine Steuer-Euros wie verbraten werden.

Fest steht nur das ungefähre Ausmaß des Wildwuchses: Es existieren annähernd 2600 Bundesförderungen, 3100 Programme der Länder und rund 47.000 der Gemeinden. Vollkommen unkoordiniert natürlich, denn was ein richtiger Regionalkaiser ist, lässt sich doch nicht in seine Ausgaben hineinreden. Auch evaluiert wird nicht. Niemand kann also sagen, welche Förderungen ihren Zweck erfüllen und welche nicht. Letztere könnte man im Falle des Falles ja locker streichen.

Prinzipiell möglich wäre das, denn selbstverständlich haben beispielsweise Länder und Gemeinde entsprechende Kontrollinstanzen und -ausschüsse. Aber gewollt ist es nicht. Denn dann müsste man für Förderungen und Subventionen klare, nachvollziehbare Ziele definieren.
Förderungen würden aber eben nicht nach wirtschaftlichen Kriterien vergeben, sondern seien „ein politisches Gestaltungselement“, haben Wifo und KDZ (Zentrum für Verwaltungsforschung) schon vor einiger Zeit in einer Studie festgestellt. Das heißt, das Förderwesen funktioniert nicht nach wirtschaftlichen Kriterien, sondern nach dem Prinzip des Stimmenkaufs. Transparenz könnte da nur zu unangenehmen Fragen führen.

Wie die Sache in der Praxis läuft, hat man neulich gesehen: Da hat die von Finanzminister Schelling eingesetzte Aufgaben- und Reformkommission eine Entflechtung der Förderzuständigkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden im Sinne einer effizienteren Subventionssteuerung vorgeschlagen. Obwohl da noch nicht einmal konkrete Maßnahmen für mehr Transparenz vorgeschlagen wurden, hat die Gemeinde Wien dem Expertenbericht die Zustimmung verweigert. Die Ursprungsidee, nämlich die Förderungen der Länder und Gemeinden komplett in die Transparenzdatenbank einzuspielen, scheitert noch immer am Widerstand der Länder, obwohl diese mit dem Bund schon vor drei Jahren eine Grundsatzvereinbarung darüber geschlossen haben. Vorgeschoben werden „Kostengründe“.

Jetzt wird aber wenigstens wieder einmal „evaluiert“. Nein, nicht die Sinnhaftigkeit von einzelnen Förderungen, sondern die Sinnhaftigkeit der Datenbank selbst. Leicht möglich, dass sie solcherart zu Tode kommt. Für die notwendige Staatsreform ist diese Länder-Machtdemonstration nicht gerade ein ermutigendes Zeichen.

Es geht dabei schließlich nicht nur um Kuriositäten, wie die Frage, ob der Landeszuschuss zum Trachtenanzug oder die Gemeinde-Abschlagszahlung an Bauern für den fehlenden Gemeindestier noch ihre Berechtigung haben. Sondern auch um wirklich große Brocken wie etwa die Familienförderung, deren Effizienz heftig umstritten ist. Die aber mangels sinnvoller Evaluierung nicht zielgerichteter gestaltet werden kann. Offenbar können wir es uns noch leisten, mit Milliarden sinnlos herumzuwerfen. Anders ist die Fördermalaise nicht zu erklären.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2015)

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