Wozu sind eigentlich Landtage gut?

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Die österreichische Form des Föderalismus fördert finanzielles Hasard, über den Finanzausgleich ist das nicht zu reformieren. Wir brauchen deshalb einen radikalen Staatsumbau.

So wie die Gespräche um den neuen Finanzausgleich für Bund, Länder und Gemeinden anlaufen, ist zu befürchten: Wir bekommen keine (eigentlich längst überfällige) Föderalismusreform, sondern eine Fortschreibung des gelebten, zur Geldverschwendung geradezu herausfordernden heimischen föderalen Systems. Vielleicht mit dem Unterschied, dass ein bisschen mehr Steuerautonomie für die Länder (ohne adäquate Anhebung der Eigenverantwortung dieser Gebietskörperschaften) dazukommt.

Die jüngsten Aussagen der Ländervertreter deuten darauf hin: Eckpunkt ist offenbar, dass der Aufteilungsschlüssel, der die Länder stark begünstigt, nicht verändert werden darf. Dass also nicht weniger Geld fließt. Keine Rede von einer Entwirrung der unklaren (und damit sehr teuren) Kompetenzverteilung zwischen den Gebietskörperschaften, keine Rede mehr von der Entwirrung der teilweise wirklich schon irren Finanzströme, auf denen Geld zwischen diesen Gebietskörperschaften hin- und her und im Kreis geschickt wird, keine Rede mehr von der Beseitigung kostspieliger Parallelstrukturen.

Mit anderen Worten: Die Länder wollen weiterwursteln wie bisher. Nur kosten darf es noch ein bisschen mehr. Dafür hätte man den alten Finanzausgleich nicht bis 2016 aufschieben müssen, schade um die verlorene Zeit. Wenn der Finanzminister dem Land etwas Gutes tun will, dann sorgt er jetzt dafür, dass der nächste Finanzausgleich nur für einen sehr kurzen Zeitraum abgeschlossen wird. Und nützt diese Zeit, um eine Debatte über eine echte Föderalismusreform anzustoßen.

Dass die föderale Konstruktion des Landes einen „Geburtsfehler“ aufweist, der im strikten Gegensatz der konservativen Bundesländer zu dem roten Wien nach dem Ersten Weltkrieg fußt und dazu führt, dass im Staat der Schwanz mit dem Hund wedelt, ist oft genug analysiert worden. Dass die daraus resultierende Praxis, dass einer (der Bund) das Geld einnimmt und ein anderer (die Länder) dieses Geld dann ohne Einnahmenverantwortung beim Fenster hinauswirft, ökonomischer Schwachsinn zur Potenz ist, auch.

Eine mögliche Lösung wäre das Modell Schweiz: Die Länder bekommen weitgehende Steuerautonomie, müssen mit diesem Geld aber auch auskommen. Und die hierzulande de facto bestehende implizite Staatsgarantie für alle Länderblödheiten (die mit der Ansage, Kärnten dürfe keineswegs in Konkurs gehen, gerade wieder bekräftigt wurde) gibt es nicht. Steuerwettbewerb unter den Gebietskörperschaften sorgt zudem dafür, dass die Steuern insgesamt im Zaum gehalten werden.

Ein wirklich kluges System, das freilich einen Schönheitsfehler enthält: Man braucht dazu Schweizer. Und nicht Landeskaiser, die gewohnt sind, mit dem Geld anderer Machtpolitik zu machen.

(c) Die Presse

Hören wir uns dazu einen an, der es wissen muss, weil er als Landesregierungsmitglied einmal selbst Teil dieses Systems war: Der ehemalige steirische Landesrat Gerhard Hirschmann hat neulich bei einer Veranstaltung der Agenda Austria gemeint, ihm gefalle das Schweizer Modell durchaus. Es lasse sich aber in Österreich nicht umsetzen, weil Eigenverantwortung in der heimischen Politik keinen Stellenwert besitze und weil hier der Wettbewerb unter den Ländern nur als „Ausgabenwettbewerb nach oben“ stattfinde. Der Zustand der Länder sei so, dass man nicht einmal wisse, welche Schulden und welchen Personalstand ein Bundesland genau habe.

Hirschmann hat dafür einen radikalen Vorschlag: Die (identitätsstiftenden) Länder sollen zwar bestehen bleiben, aber als bloße Verwaltungseinheiten des Bundes. Der (direkt vom Volk gewählte) Landeshauptmann wäre dann der oberste Verwaltungsbeamte, die Landtage, die dann keine gesetzgebende Körperschaft mehr wären, könnte man ebenso wie den Bundesrat einsparen.

Eine Idee, die schon vor einiger Zeit Notenbankpräsident Claus Raidl in den von Herbert Paierl und Markus Heingärtner herausgegebenen „Reformen ohne Tabu – 95 Thesen für Österreich“ dargelegt hat. Und eine gute dazu: Wäre damit doch gleich auch ein größerer Teil der sehr kostspieligen Parallelstrukturen – der berühmte Faktor 10 – beseitigt.

Tatsächlich braucht die Landtage als gesetzgebende Institution niemand: Im Wesentlichen werden dort Bundesgesetze neunmal nachvollzogen. Oder es werden unsinnige Landesgesetze beschlossen. Wie etwa, um ein Beispiel zu nennen, neun unterschiedliche Bauordnungen, die dazu führen, dass Fertighausunternehmen im kleinen Österreich neun verschiedne Varianten anbieten müssen.

Das wäre zugleich eine enorme Verwaltungsreform. Hirschmann meinte dazu etwas salopp, es wäre billiger und effizienter, die Hälfte der Landesbeamten bei vollen Bezügen nach Hause zu schicken, „damit sie nicht herumregulieren“.

Keine Angst: Bevor so etwas passiert, zahlt Kärnten seine Schulden zurück und verkauft Niederösterreich seine Landesbank. Wir wissen zwar alle, dass ein nicht geringer Teil der Schuld am rapiden „Absandeln“ dieses Landes an der ineffizienten, zu finanziellem Hasard – von den Kärntner Haftungen bis zu niederösterreichischen Wohnbau- und Wiener Franken-Spekulationen – herausfordernden Konstruktion des heimischen Föderalismus liegt. Wir wissen auch, dass ein föderaler Umbau gegen den Willen der Länder noch illusorisch ist und der Leidensdruck von unten noch nicht reicht. Aber träumen wird man wohl dürfen.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2015)

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