Der intransparente Schnüffelstaat

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Nicht nur die Finanz, auch die Staatsbürger wollen mehr Durchblick.

Dass die Konteneinsicht für Finanzfahnder erleichtert wird (derzeit muss dafür erst ein Strafverfahren eröffnet werden), ist klar – und im Sinne der Steuergerechtigkeit auch in Ordnung. Dass „Finanzer“ nicht aus Jux und Tollerei in fremden Vermögensverhältnissen herumwühlen dürfen, sondern dafür die Zustimmung eines unabhängigen Richters brauchen, muss allerdings auch gewährleistet sein. Sonst kann man ja gleich jedem Polizisten Hausdurchsuchungen nach Lust und Laune erlauben. Ein Schnüffelstaat à la DDR schießt weit über das Ziel der Steuerbetrugsbekämpfung hinaus. Den braucht hier niemand. Die, die ihn wollen, sollte man sich gut merken – für die nächsten Wahlen.

Darüber wird ja schon intensiv diskutiert. Was noch immer völlig ausgeblendet wird, ist die an dieser Stelle schon mehrfach angesprochene fehlende Symmetrie zwischen Staat und Bürger: Während die finanzielle „Intimsphäre“ der Bürger immer weiter entblättert wird, denken Bund, Länder und Gemeinden nicht im Traum daran, ihre Geldverschleuderungsmaschinen transparent zu machen. Dabei sind die Summen, die der Finanzminister mit der (wie gesagt wichtigen und gerechtfertigten) Steuerbetrugsbekämpfung holen kann, absolute Peanuts gegen das, was in den ineffizienten Strukturen des heimischen Föderalismus und des damit verbundenen Förderwesens schlummert.

Würde man hier hineinschneiden, dann bräuchte man über die Gegenfinanzierung einer Steuerreform nicht mehr lange reden. Das Geld liegt hier auf der Straße. Man muss es nur sehen – und dafür benötigt man eben Durchblick.

Wir fordern die Regierung also ultimativ auf, hier für Klarheit zu sorgen. Anfangen kann gleich einmal Finanzminister Hans Jörg Schelling: Der soll doch, Himmel noch einmal, endlich die dem Finanzminister vom Gesetz her zustehende Kompetenz nützen und den Gebietskörperschaften (Ländern und Gemeinden) eine einheitliche Rechnungslegung verordnen. Er braucht dazu lediglich die Zustimmung des Rechnungshofpräsidenten – und die hat er.

Zu verhandeln gibt es da gar nichts mehr. Länder, Gemeinden und deren Organisationen beweisen ja seit nunmehr 41 Jahren in der eigens dafür geschaffenen „Heiligenbluter Kommission“, dass sie das weder können noch wollen. Wie lange wollen sich die Finanzminister der Republik noch von dieser jährlich tagenden Versager-Kommission pflanzen lassen?

Die einheitliche Rechnungslegung wäre die Grundvoraussetzung dafür, überhaupt einen exakten Überblick über die Finanzen der Republik zu haben. Dass es den bis heute nicht gibt, ist ein unfassbares politisches Armutszeugnis.

Der nächste Schritt wäre dann, die bereits vorhandene, aber zur lächerlichen Karikatur verkommene Transparenzdatenbank ordentlich zu befüllen (wogegen sich bezeichnenderweise ein paar mächtige Landesfürsten querlegen). In diese gehört auch die von der EU bereits erzwungene, aber derzeit auch noch sehr bruchstückhafte Agrar-Transparenzdatenbank hinein. Und zwar eine um Bundes-, Landes- und Gemeindeförderungen erweiterte, denn derzeit enthält sie nur EU-Förderungen. Und auch in diesem Sektor, in den insgesamt mehr als drei Mrd. Euro fließen, fehlt nahezu vollständig der Gesamtüberblick.

Eine ordentlich geführte Transparenzdatenbank ist die Voraussetzung dafür, Doppel- und Dreifachförderungen zu verhindern. Derzeit hat ja niemand einen wirklichen Überblick darüber, was wo wie gefördert wird. Da versickert sinnlos Geld, das nur deshalb nicht gehoben werden kann, weil niemand der großzügigen Almosenverteiler sich in die Karten schauen lassen will. Bei einem Fördervolumen von gut 19 Mrd. Euro geht es hier freilich nicht gerade um Kleingeld. Wenn es die Regierung hier nicht schafft, für Durchblick zu sorgen und auch die Konsequenzen aus dem, was da zum Vorschein kommt, zu ziehen, dann möge sie uns bitte nicht mehr mit Sonntagsreden zum Thema Budgetsanierung belästigen.

Transparenz braucht natürlich auch politische Strukturen, die sie ermöglichen. Und da sieht es leider ganz finster aus. Ein Beispiel: Wien hat gut ein Viertel seiner nicht gerade geringen Schulden in ausgelagerten Unternehmen stecken. Will die Opposition darüber Genaueres wissen, kann sie der Bürgermeister mit Rückendeckung durch die Stadtverfassung getrost mit einem herzhaften „Schmecks“ bedienen. Für ausgelagerte Unternehmen gibt es im Gemeinderat nämlich nicht einmal ein Fragerecht. Wie sich das mit den Usancen einer entwickelten Demokratie verträgt, könnte man auch einmal thematisieren. Und Wien ist in Sachen Intransparenz kein herausragender Einzelfall.

Also, liebe Bürgermeister, Landeshauptleute und Minister: Macht hier endlich Ordnung, bevor ihr uns unter Generalverdacht stellt. Wir könnten sonst den Generalverdacht hegen, dass ihr ein bisschen viel zu verbergen habt. Und wahrscheinlich werden wir mit diesem Verdacht auch nicht sehr weit daneben liegen.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2015)

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