Gegenprognose: Warum die Erholung nicht kommt

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Themenbild(c) Clemens Fabry
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Die „Konjunkturwende“ ist rein schuldenfinanziert, die Prognosen werden angesichts der Stimmung in den Betrieben nicht halten, auf Pro-Kopf-Basis erreichen wir im günstigsten Fall BIP-Stagnation.

Wenn die Bevölkerung eines Landes laut Prognose um 1,5 Prozent wächst und das Bruttoinlandsprodukt gleichzeitig real um 1,6 Prozent – wie nennt man das dann? Den lang erwarteten Aufschwung, wie die Wirtschaftsforscher nebenan meinen? Oder vielleicht doch Stagnation? Das wirklich relevante BIP pro Kopf wächst bei solchen Daten ja nur hauchdünn, nachdem es heuer übrigens geschrumpft ist. Oder, einfacher gesagt: Wenn das auf den Einzelnen entfallende volkswirtschaftliche Kuchenstück nicht größer wird, kann man wohl kaum von Aufschwung sprechen.

Die Wachstumsprognosen, die uns IWF, Nationalbank, Wifo und IHS jetzt geliefert haben und die uns für das kommende Jahr 1,5 bis 1,9 Prozent Wirtschaftswachstum voraussagen, bieten uns also wenig Anlass zur Stimmungsaufhellung. Das eigentlich Betrübliche daran ist aber, dass ihr Eintreffen extrem unwahrscheinlich ist. Es ist nämlich völlig unklar, wo dieses Wachstum herkommen soll.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl hat diese Woche in launiger Runde erzählt, er habe OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny zwei Kisten vom Feinsten Roten versprochen, wenn die OeNB-Prognose von 1,9 Prozent Wachstum 2016 auch nur ansatzweise eintreffe. Wetten habe der OeNB-Chef nicht wollen – und das wohl aus gutem Grund. Leitl selbst bezieht seine Prognoseskepsis aus den Rückmeldungen seiner Mitgliedsbetriebe. Dort sei die Stimmung anhaltend sehr schlecht, investiert werde fast ausschließlich, wenn Ersatzinvestitionen fällig werden. Binnen weniger Jahre sei die betriebswirtschaftliche Investitionsquote (Investitionen in Relation zum Anlagevermögen, Anm.) von 14 auf fünf Prozent gefallen. Ein katastrophaler Wert für ein hochentwickeltes Industrieland.
Man muss aber nicht über Zugang zu kammerinternen Informationsnetzen verfügen, um zu sehen, wie der Hase läuft, beziehungsweise humpelt. Ein paar unsortierte Meldungen aus den vergangenen Tagen sind alarmierend genug:

► Die Frachtraten der Seeschifffahrt sind auf den tiefsten Stand seit vielen Jahren gefallen. Ein Anzeichen dafür, dass der Welthandel ordentlich stottert.

► Die Rohstoffpreise sinken auf breiter Front weiter, obwohl die Preise einiger Industrierohstoffe schon um bis zu 80 Prozent abgestürzt sind. Ein Zeichen dafür, dass die Industrie global verdammt unterausgelastet ist und wenig Rohstoffe nachfragt.

► Die Wachstumsraten in den Schwellenländern, in den vergangenen Jahren die globalen Konjunkturlokomotiven, brechen auf breiter Front ein.

Die internationalen Impulse werden also eher schwach ausfallen. Wie zum Beweis dafür hat die Voestalpine, der österreichische Leuchtturm-Industriebetrieb schlechthin, ihre mittelfristige Umsatzprognose gestern um ein Viertel (!) gekappt.

Und die Impulse aus dem Inland? Der von vielen erwartete Konsumschub wird mit Sicherheit geringer ausfallen, weil die Teilrückvergütung der kalten Progression, die man hier euphemistisch „Steuerreform“ nennt, durch alle möglichen Steuer- und Abgabenerhöhungen teilweise wieder konterkariert wird. Und über die mantraartig verbreitete Voodoo-Ökonomie mit dem Konjunkturschub durch die Flüchtlingswelle kann man ohnehin nur noch den Kopf schütteln. Das Einzige, was hier verlässlich zu erwarten ist, ist ein Anstieg der Staatsverschuldung.

In dieser Situation könnte man vielleicht einen kleinen Konjunkturschub auslösen, indem man die Betriebe durch ein besseres wirtschaftspolitisches Umfeld zum Investieren ermuntert. Aber das genaue Gegenteil ist der Fall: Die Kleinen werden mit neuen, in der Steuerreform versteckten Schikanen gemagerlt, die Großen bekommen das alpenländische Musterschülertum in regulatorischen Dingen zu spüren. Derzeit ist man ja gerade dabei, die Voestalpine mit überzogenen Umweltstandards aus dem Land zu mobben.

Dass Unternehmer in diesem Umfeld mit „Hut drauf“ und „wieso soll ich hier investieren?“ reagieren, kann ihnen wirklich niemand verübeln. Genau hier gehört gezielt angesetzt. Dann wird es wieder aufwärts gehen. Über „Konjunkturschübe“, die zu annähernd 100 Prozent über Staatsschulden finanziert werden – und die sich noch dazu als teuer erkaufte De-facto-Stagnation entpuppen, müssen wir jetzt aber nicht unbedingt zu jubeln beginnen.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

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