Budget: Dr. Jekyll und Mr. Hyde im Ministerrat

�BB: PRESSEGESPR�CH ´INVESTITIONEN IN DIE SCHIENENINFRASTRUKTUR IN DER STEIERMARK´
�BB: PRESSEGESPR�CH ´INVESTITIONEN IN DIE SCHIENENINFRASTRUKTUR IN DER STEIERMARK´(c) APA/ERWIN SCHERIAU
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Der Finanzminister hat für Staatsausgaben künftig eine Erfolgskontrolle angekündigt. Wird auch Zeit, denn derzeit werden Milliarden ohne exakt definiertes Ziel ausgegeben.

Es gibt Dinge, die kann der begnadetste Kabarettist nicht erfinden. Zum Beispiel die Szene aus der gestrigen Sitcom namens Budgetdebatte, in der der Finanzminister zum wiederholten Mal über die viel zu hohen Infrastrukturinvestitionen der ÖBB moserte, woraufhin ihm der Bundeskanzler entgegenschleuderte, dass die Bundesbahn selbst diese Projekte „am wenigsten nötig“ hätte.

Dazu muss man wissen, dass die beiden Herren am Tag davor gemeinsam mit ihren Ministerkollegen im Ministerrat zusammengesessen sind und dabei – unmittelbar vor der Budgetrede Schellings – den ÖBB-Rahmenplan 2016 bis 2021 mit Infrastrukturinvestitionen von 14,6 Mrd. Euro in diesem Zeitraum beschlossen haben.

Da dort das Einstimmigkeitsprinzip herrscht, werden die beiden Herren die „viel zu teuren“ Investitionen, die die Bahn selbst „am wenigsten braucht“, wohl mitgetragen haben. Gegen dieses hier demonstrierte Nestroy'sche „Wer is stärker, i oder i“ erscheint ja Dr. Jekyll/Mr. Hyde als ausgesprochen kompakte Persönlichkeit.

Wir walzen das hier deshalb so aus, weil der Finanzminister in seiner Budgetrede erfreulicherweise die Einführung einer „Spending Review“ angekündigt hat. Das ist eine Ausgabenanalyse, die die Wirksamkeit und Notwendigkeit der einzelnen Ausgaben kontrollieren soll. So etwas wäre vielleicht schon vor dem Start einer Investition sinnvoll. Und nicht erst im Nachhinein, um dann festzustellen, dass Bahn-Investitionen, für die bisher bereits 42,5 Mrd. Euro an Vorbelastungen für künftige Budgets genehmigt wurden, von der Bahn „am wenigsten“ benötigt werden und eher ein Baubeschäftigungsprogramm darstellen.

Schelling hat also erfreulicherweise eine „Spending Review“ angekündigt und dabei gleich einige wichtige Kandidaten dafür genannt. Arbeitsmarkt, Bildung und Pensionen etwa. Auf einige hat er auch vergessen, was aber passieren kann, wenn man bei der Budgetrede die Parteibrille aufbehält. Landwirtschaft zum Beispiel.

Dabei könnte es dort auch gewissen Handlungsbedarf geben. So hat etwa der Chef des Bauernbunds (also einer Teilorganisation einer angeblich wirtschaftsaffinen Regierungspartei) zum Schrecken der immer mehr von Arbeitslosigkeit bedrohten Kabarettisten das Budget bejubelt, weil es dabei helfe, „den Strukturwandel einzudämmen“. (Und nein: Das war nicht Moskau 1981. Das war Wien 2016.)

Wie auch immer: Herr Schelling hat die „Spending Review“, den ersten Schritt zu besserem und sinnvollerem Wirtschaften, angekündigt, und Bundeskanzler Kern hat angedeutet, dass man das nächste Budget ambitionierter angehen werde. Wir wollen das jetzt einfach einmal glauben – und hätten da ein paar Vorschläge für Effizienzkontrolle, die auch Ergebnisse bringen kann.
• Die Förderungen: Österreich schüttet mehr als 19 Milliarden Euro im Jahr an Förderungen für Unternehmen und Privatpersonen aus. Das liegt auch nach der Herausnahme der Zuschüsse für Bahn und Krankenhäuser noch immer deutlich über dem EU-Schnitt. Der Rechnungshof hat schon mehrfach festgestellt, dass es in diesem Bereich keine genau definierten Wirkungsziele und deshalb auch keine Kontrolle über Zielerreichungen gibt. Und dass zusätzlich auf vielen Ebenen unkoordiniert (und damit häufig parallel) gefördert wird.

Man könnte beispielsweise nachforschen, ob fünf parallele Pendlerförderungen oder die unkoordinierte Förderung der Landwirtschaft auf vier Ebenen (EU, Bund, Länder, Gemeinden) ein Muster für Effizienz sind und ob die Förderungen sinnvolle Zielerreichungen inkludieren. Und nein: „Verhinderung von Strukturwandel“ ist in einer Industriegesellschaft im 21. Jahrhundert kein förderungswürdiger Weg zu wirtschaftlichem Erfolg.
• Bildungssystem: Man könnte einmal dem Phänomen nachgehen, wieso ein im internationalen Vergleich sehr teures Bildungssystem nur sehr mittelmäßige Ergebnisse liefert. Da geht es nicht um Einsparungen, sondern um richtigen Mitteleinsatz. Wäre doch lohnend, oder?

Dasselbe gilt natürlich für die Effizienz der eingesetzten Mittel im Arbeitsmarkt, im Gesundheitswesen und so weiter und so weiter. Da gibt es sehr viel zu „reviewen“. Und wenn man aus den Ergebnissen auch noch Konsequenzen zieht, dann wird das mit Sicherheit schöne Einsparungen und/oder Effizienzsteigerungen liefern. Das hätten wir bitter nötig. Wäre schön, wenn die Regierung diese Ankündigung ausnahmsweise einmal wahr macht und gleich die Ärmel hochkrempelt.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2016)

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