Das gern erzählte Märchen von der Ökosteuer

(c) APA (Georg Hochmuth)
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Der nächste Inflationsschub kommt vom Ölpreis. Den muss man nicht gleich durch Steuern mutwillig aufdoppeln. Kann natürlich sein, dass das durchaus beabsichtigt ist.

Wenn der Bund seine Budgetkonsolidierungspläne halbwegs umsetzen will, dann muss er in den nächsten vier Jahren laut Wifo zusätzlich zehn Mrd. Euro „aufstellen“. Geplant ist, 40Prozent davon über Steuereinnahmen, den Rest über Einsparungen hereinzubekommen. Man wird wohl nicht weit danebenliegen, wenn man davon ausgeht, dass das völlig unrealistisch ist. Und dass das Verhältnis zwischen Steuern und Einsparungen statt 40 zu 60 in der grausamen Realität wohl eher 60 zu 40 sein wird. Wenn es gut geht.

Macht ungefähr sechs Mrd. Euro, die der Steuerzahler mehr „pecken“ wird. Wie das gehen soll, ist noch unklar. Aber die Steuererfinder in Ministerien, Wirtschaftsforschungsinstituten und in einigen Sozialpartner-Stuben sind ja schon eifrig am Tüfteln.

In diesem Kontext versucht man, uns die bevorstehende Mineralölsteuererhöhung um bis zu 20 Cent je Liter samt der ebenfalls angedachten zusätzlichen CO2-Steuer als „Ökologisierung des Steuersystems“ zu verklickern. Man werde also fossile Energie stärker belasten, was durchaus gewünschte Lenkungseffekte bringe. Und im Gegenzug die hierzulande mit Steuern und Abgaben viel zu hoch belastete Arbeit entlasten.

Klingt gut und vernünftig. Ist aber eine ziemlich unverschämte Lüge.

Natürlich wir es unter den oben dargelegten finanziellen Eckpfeilern des Staates keine Entlastungen geben. Sondern eher das Gegenteil: Gibt es doch schon Zirkel, die über eine vorübergehende Anhebung des Einkommensteuer-Höchstsatzes um fünf Prozentpunkte und eine Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage für die Sozialversicherung diskutieren. Und damit einer starken Erhöhungder Arbeitskosten das Wort reden.

Es geht in den kommenden Monaten und Jahren also niemandem, schon gar nicht dem Finanzminister, um „Ökologisierung“. Sondern um das Füllen krisenbedingter Budgetlöcher. Das ist so auch in Ordnung, denn ein größerer Umbau des Steuersystems sollte als Basis ja halbwegs geordnete Staatsfinanzen haben.

Wenn dem aber so ist, dann sollte man an die „Ökosteuern“ in nächster Zeit ein wenig vorsichtiger herangehen. Der simple Grund heißt Inflation. Die ist derzeit kein Thema, könnte aber bald eines werden. Und der erste große Impuls wird zweifellos von den Energiekosten kommen.

Zu verdanken haben wir das dem schwächelnden Euro: Dessen Wechselkurs ist gegenüber dem US-Dollar seit den Höchstständen im vergangenen Herbst um annähernd 15Prozent zurückgegangen, seit Jahresbeginn allein um 6,3Prozent. In diesem Ausmaß werden natürlich in Dollar gehandelte Importprodukte – etwa Rohöl – teurer. Und damit alle Produkte, die direkt oder indirekt mit dem Ölpreis verknüpft sind. Also beispielsweise Erdgas.

Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass wir derzeit trotz seit Längerem kaum veränderter Rohölnotierungen vergleichsweise hohe Benzinpreise haben. Ein Großteil der (derzeit freilich geringen) Inflationsrate kommt daher.

Wenn der Ölpreis zu steigen beginnt (was bei anziehender Nachfrage mit Sicherheit passiert), dann schlägt das diesmal (noch verstärkt um den Euro-Effekt) voll auf die Inflationsrate durch. Wie das läuft, hat man beim letzten Ölpreishoch gesehen, das hierzulande wegen des damals steigenden Euro-Kurses stark abgefedert wurde, in den USA aber binnen kurzer Zeit zu einer Verdoppelung der Treibstoffpreise führte.

Diesen mit Sicherheit kommenden Inflationsimpuls noch steuerlich ordentlich aufzudoppeln, wäre wohl nicht der Gipfelpunkt wirtschaftspolitischer Intelligenz. Nicht zuletzt deshalb, weil er in einer Inflationsspirale münden würde: Höhere Inflation führt beispielsweise relativ rasch zu einer automatischen Preiswelle von den Mieten bis zu den Versicherungsprämien.

Und dann haben wir bei anspringender Konjunktur das Teuerungsproblem schon, bevor die in der Krise so überreichlich in den Markt geschüttete Liquidität ihren (sicheren) Weg in die Teuerungsrate findet und diese zusätzlich in lichte Höhen treibt.

Kann natürlich sein, dass das durchaus beabsichtigt ist. Es gibt ja nicht wenige sehr ernst zu nehmende Wirtschaftsexperten, die durchaus fundiert meinen, zumindest die Euro-Staaten und die USA würden aus ihrer Schuldenfalle ohne saftige Inflationierung ihrer Staatsschulden gar nicht mehr herausfinden. Dass das mit breitflächiger Vermögensvernichtung verbunden sei, müsse man als Kollateralschaden akzeptieren.

Das wollen wir aber doch nicht unterstellen. Wenngleich: Ein bisschen mehr Ehrlichkeit in der Steuerdiskussion würde man sich schon wünschen. Dazu gehört etwa, dass man Budgetlöcherstopfen nicht wider besseres Wissen als „Ökologisierung“ verbrämt. Deren Zeit kommt nämlich erst, wenn die Staatsschuldenkrise ausgestanden ist.


josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2010)

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