Euro: Das Drama unter dem Rettungsschirm

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Der Vergleich mit den USA zeigt: Mit einer inkonsistenten Finanz- und Wirtschaftspolitik nach Euro-Muster lässt sich keine Gemeinschaftswährung machen. Schon gar keine, die dem Dollar ernsthaft Konkurrenz machen soll.

Wir brauchen keine Hilfe“, beteuerte der portugiesische Regierungschef, Jose Socrates, zu Beginn dieser Woche. Oh Gott – es geht also schon wieder los: Mit praktisch denselben Worten haben nämlich die Regierungschefs Griechenlands und Irlands am Vorabend ihrer Hilfsansuchen zu beruhigen versucht.

Aber so lustig ist die Sache gar nicht: Die Verunsicherung steigt, der Euro sinkt, die Euro-Regierungschefs flattern von einem Finanzdesaster ins andere, und die Europäer beginnen sich Sorgen um ihr Erspartes machen.

Bei der Gelegenheit: Vor Kurzem ist bekannt geworden, dass der US-Bundesstaat Illinois einen Teil seiner Schulden nicht mehr in (neu aufgenommenem) Geld, sondern nur noch in Schuldscheinen (so genannten IOUs) bezahlt. Illinois ist nämlich de facto pleite, kann seine Zahlungen an die Universitäten und das Gesundheitssystem nicht mehr leisten und bleibt seinen Staatsangestellten immer öfter die Gage schuldig. Das verbindet Illinois mit den anderen drei US-Pleitestaaten Kalifornien, Michigan und New York. Die vier repräsentieren rund 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der größten Volkswirtschaft der Welt.

Zum Vergleich: Die aktuellen Euro-„Problembären“ Griechenland, Irland und Portugal schaffen nur deutlich unter zehn Prozent des Euro-BIPs. Und sie sind bei Weitem nicht so pleite wie Illinois oder Kalifornien. Die Amerikaner müssten also ein Problem haben, gegen das sich das derzeitige Euro-Domino direkt putzig ausnimmt.

Und? Ist der Dollar abgestürzt? Haben Obama und sein Finanzminister Geithner aufgeregt mit „Rettungsschirmen“ gewachelt? Reden die Gouverneure von Texas und Florida im Fernsehen nur noch von der „schwersten Krise für unser Währungs- und Wirtschaftssystem seit dem Zweiten Weltkrieg“?

Bisher hat man es eher so gehört: Vier Staaten pleite? So what! Deren Problem. Im allerernstesten Ernstfall wird irgendwie Washington einspringen. Aber vorher wird es einen deftigen „Haircut“ für die Finanziers geben. Mit den (auch mit hohen Risikoaufschlägen versehenen) US-Bundesstaatsanleihen lässt sich also viel schlechter (vor allem aber nur mit viel höherem Risiko) spekulieren als mit den de facto EU-garantierten Anleihen der Euro-Pleitekandidaten.

Vor allem aber: Die Märkte schätzen die Fähigkeiten der Amerikaner, Nägel mit Köpfen zu machen, deutlich besser ein. Denn über den Dollar ist eine konsistente Finanzpolitik gestülpt. In der Eurozone dagegen herrschen Kompetenzgewirr und Sprunghaftigkeit.

So lässt sich keine Gemeinschaftswährung machen, das wissen wir unterdessen. Nicht, dass die Erkenntnis neu wäre: Dass eine funktionierende Dollar-Konkurrenz eine Art Bundesstaat braucht, und nicht einen einmal da-, einmal dorthin schwankenden Staatenbund ohne konsistente Wirtschafts- und Steuerpolitik, war auch den Euro-Vätern klar.

Ihr Fehlschluss war, dass es einfacher ist, zuerst die Gemeinschaftswährung einzuführen und dann zu warten, bis diese Klammer die politische Union sozusagen von selbst zusammenwachsen lässt. Und dass es für eine Weltwährung reicht, eine einheitliche Zinspolitik zu machen (während im Hintergrund 16 Finanz- und 16 Wirtschaftsminister ihre nationalen Süppchen kochen).

Wir wissen jetzt, dass das nicht funktioniert. Und wir ahnen, dass uns dieser Lernprozess sehr viel an Wohlstand kosten wird.

Ganz einfach deshalb, weil auf politischer Ebene nationale Schrebergärten noch immer mit Killerargumenten verteidigt werden. Beispielsweise mit dem, dass eine gemeinsame Steuerpolitik auf Bundesstaatsebene den gesunden Steuerwettbewerb ausschalten würde. Ein Blick nach Amerika (wo es zwar 52 verschiedene Steuersysteme gibt, aber auf gesamtstaatlicher Ebene mit den Bundessteuern eine Klammer darübergelegt ist) zeigt, dass das nicht stimmen muss. Während ein Blick nach Europa demonstriert, dass das Fehlen dieser Klammer zahlreiche Angriffspunkte bietet. Eine Währung braucht eben nicht nur einen Notenbankchef, sondern auch Finanz- und Wirtschaftsminister.

Es ist aber müßig, darüber jetzt zu lamentieren. Die Konstruktion der EU und die Stimmung der Bevölkerung in vielen EU-Ländern lassen den „Superstaat“, der den Euro wieder auf Spur bringen könnte, nicht zu. Wir werden also zusehen müssen, wie die einzelnen, nicht durch den verteufelten „Superstaat“ geschützten Euro-Dominosteine nur mit abstrakten Zahlungsversprechen, die von Mal zu Mal unrealistischer werden, vor dem Fallen bewahrt werden.

Derzeit werden jedenfalls Staaten „gerettet“, um das direkte Auffangen jener Großbanken, die deren Anleihen halten, zu verhindern. Mit dem Effekt, dass diese Großbanken sehr viel Geld damit machen, indem sie den so gewonnen Spielraum nutzen, um sich auf das nächste Euro-Spekulationsopfer zu stürzen. Mit einer derart hilflosen Politik lässt sich keine Gemeinschaftswährung darstellen. Schon gar keine, die gerne auf Dollar-Konkurrenz machen würde.


E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2010)

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