Wie Milliarden einfach versickern

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Die Finanzierung der Bahntunnels zeigt, wieso die Staatsschulden explodieren: Riesenausgaben werden nicht hinterfragt, die Verantwortung wird zwischen dem Unternehmen und dem Bund elegant hin- und hergeschupft.

In den vergangenen Wochen sind zwei verkehrs- und finanzpolitisch wesentliche Akte gesetzt worden: Die Startschüsse für den Bau der Eisenbahntunnels durch die Koralm und durch den Brenner sind gefallen. Über Sinn und Unsinn dieser Projekte ist schon viel geschrieben worden. Interessant ist heute ein anderer Aspekt: Koralm- und Brennerbahn kosten zusammen laut Voranschlag 13,2 Mrd. Euro, mit Finanzierungskosten und den im Tunnelbau laut WU-Studie üblicherweise jenseits der 70 Prozent liegenden Baukostensteigerungen also locker mehr als 20 Mrd. Euro.

Diese mehr als 20 Milliarden Euro werden die von den ÖBB verursachte Staatsschuld um exakt diesen Betrag hochtreiben. Zusätzlich zu den 20 Milliarden, mit denen die Bahn schon jetzt in der Kreide steht – und die ab 2014 voraussichtlich auch ganz offiziell zu den Staatsschulden zählen. Das sind dann insgesamt also an die 15 Prozent der (derzeitigen) jährlichen Wirtschaftsleistung dieses Landes. Oder 20 Prozent der schon recht üppigen Staatsschulden. Also ein ordentliches „Bröckerl“.

Und jetzt die Zwölferfrage: Wer verantwortet eigentlich diese Ausgaben, wenn die beiden Projekte, Gott behüte, nicht das bringen, was man sich von ihnen versprochen hat, sich also als Fehlinvestition erweisen?

Die Antwort: eigentlich niemand. Denn die finanzielle Verantwortung für Bahninvestitionen wird zwischen dem Unternehmen und dem Bund so elegant hin- und hergeschupft, dass sich am Ende alle „abputzen“ werden.

Formell ist die Sache einfach: Die Bahn ist für die Errichtung der Infrastruktur zuständig. Sie entscheidet, was gebaut wird und nimmt dafür auf dem Kapitalmarkt Kredite auf. Weil aber niemand einer Aktiengesellschaft, die nach normalen Kriterien pleite ist, so viel Geld borgt, übernimmt der Staat die Haftung. So sieht es das Gesetz vor, das zwecks Staatsschuldenversteckens gebastelt worden ist. Sinnloserweise, denn die versteckten Schulden werden ja bald wieder zur Gänze in den offiziellen Staatsschulden auftauchen.

Hört man sich ÖBB-Manager außerhalb offizieller Tunnelreden und bei abgeschalteten Mikrofonen an, dann klingt das aber ganz anders: Dann hört man, die Bahn würde den Koralmtunnel „derzeit noch weniger als den Brenner“ benötigen, es gebe wesentlich wichtigere Vorhaben, für die kein Geld da sei. Aber man könne nichts machen, denn man bekomme diese Projekte vom Eigentümer Staat in Gestalt des Infrastrukturministeriums „aufs Auge gedrückt“.

Andererseits sind die Projekte formell von den Aufsichtsräten der ÖBB-Holding und der Infrastruktur AG beschlossen worden. Allerdings wiederum nur auf Basis von Eigentümerweisungen. Eine Aktiengesellschaft lässt sich also zu irgendetwas von außen „beauftragen“ und finanziert das, obwohl hoffnungslos verschuldet, formell auch noch durch eigene Kreditaufnahmen? Seltsam, seltsam!

Ein naiver Mensch ohne tiefere Einblicke in die Geheimnisse der heimischen Innenpolitik könnte das so zusammenfassen: Die Bahn baut mit 20 Milliarden Euro, die sie nicht hat, zwei Tunnels, von deren Nutzen sie nicht überzeugt ist – und keiner ist dafür verantwortlich. Zahlt irgendwann ohnehin der Steuerzahler. Verstörend, nicht?

Warten wir also auf den nächsten ÖBB-Rechnungshofbericht, der die dort häufig wiederkehrende Feststellung, es seien wieder soundso viele Milliarden „ohne erkennbaren Nutzen für den Kunden“ verbraten worden, enthält. Immerhin zeigt uns dieses Beispiel aber ausschnittsweise, wie unverantwortlich die überbordende heimische Staatsverschuldung zustande kommt.

Apropos Staatsschulden und deren Finanzierung: Die an dieser Stelle vor Kurzem angestellte Rechnung, wonach der Staat von Arbeitseinkommen bei Vollbetrachtung schon mehr als 60 Prozent an Abgaben und Steuern herunterreißt und damit trotzdem nicht auskommt, hat neben sehr vielen positiven Reaktionen auch Kritik hervorgerufen. Etwa in der Art, dass es bei den Steuern durchaus noch Aufwärtspotenzial gebe. (Stimmt: rund 40 Prozent bis zu kubanischen Verhältnissen). Während sparen ganz pfui sei, weil die Ausgaben ja überwiegend Sozialtransfers seien.

Ganz süß die Argumentation eines SPÖ-Nachwuchspolitikers, der sinngemäß meinte, sinnvolle Einsparungen seien schon deshalb keine Option, weil die ja selbst bei günstigster Betrachtung „maximal zehn Prozent der Staatsausgaben von 150 Mrd. Euro“ erreichen könnten.

Guter Mann: 15 Mrd. Euro sind 4600 Euro pro Haushalt und Jahr. Oder der Unterschied zwischen Defizit und Überschuss im Budget. Wer argumentiert, dass es sich da gar nicht auszahlt, hinzugreifen – der hat sich wohl für einen Top-Posten in dieser Regierung empfohlen.


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2011)

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