Handelt, bevor uns der Euro um die Ohren fliegt!

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Symbolbild(c) EPA (TOBIAS KLEINSCHMIDT)
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Die Euro-Malaise soll am kommenden Freitag Chefsache werden. Doch die Währungsunion leidet an ein paar politischen Konstruktionsmängeln. Statt endlich Klartext zu reden, wird geheuchelt, was das Zeug hält.

Nach dem eher jämmerlichen Schauspiel, das die Euro-Finanzminister in Sachen Schuldenkrise bisher hingelegt haben, soll die Euro-Malaise also am kommenden Freitag Chefsache werden. Gut, dass wir hierzulande das drängendste Problem schon gelöst haben und die Enkel („Töchtersöhne“, wie es in der gesungenen Version wohl klingen wird) endlich per Bundesgesetz in die Bundeshymne hieven können. Da hat der Regierungschef jetzt den Kopf frei für das vergleichsweise nebbiche Problem, dass mindestens fünf Euroländer riesige offene Flanken für Anleihespekulationen bieten und der Euro am Auseinanderbrechen ist.

Zu fürchten ist freilich, dass dabei nicht viel herauskommt. Dass man wieder über panikartiges Geldherumschütten mittels Rettungsfonds reden wird. Und nicht über die Wurzel der Krise: nämlich über die Fehlkonstruktion der Währungsunion.

Die Regierungschefs könnten sich beispielsweise die Frage stellen, wieso massiv (und erfolgreich) gegen Italien und Irland spekuliert wird und nicht gegen Minnesota oder Kalifornien. Obwohl auch die beiden US-Bundesstaaten de facto zahlungsunfähig und die USA insgesamt deutlich höher verschuldet sind als die Eurozone.

Die Antwort könnte lauten: Weil die bundesstaatliche Konstruktion der US-Währungsunion solche Spekulationen auf einzelne Teile viel zu riskant und daher sinnlos macht, während die schrebergärtnerische Konstruktion des Euro eine Einladung zum schnellen Geldverdienen darstellt.

Diese Antwort will von den EU-Regierungschefs aber niemand hören. Sie wäre nämlich mit dem Eingeständnis verbunden, dass man die europäische Währungsunion vom Schwanz her aufgezäumt hat und dabei wegen des scheuenden Pferdes in der Mitte steckengeblieben ist.

Der Plan war wohl, die politische Union über die Währungsunion zu erzwingen. Der ist aber am Widerstand der „überfahrenen“ EU-Bürger gescheitert. Und jetzt haben wir eine Gemeinschaftswährung ohne ausreichend schlüssige Fiskal- und Wirtschaftspolitik. Und einen gemeinsamen Währungsraum, in dem zwar viel von Konvergenz die Rede ist, in der diese aber nicht erzwungen werden kann. Man muss kein Wirtschafts-Nobelpreisträger sein, um zu sehen, dass das nicht funktionieren kann.

Die Grundfrage hat also (reichlich spät) zu lauten: Wollen wir einen gemeinsamen Währungsraum mit allen Konsequenzen (zum Beispiel bundesstaatsähnlicher Struktur, die es ermöglicht, Euro-Konvergenzkriterien etwa gegen Defizitsünder auch durchzusetzen) und können wir das unseren Wählern glaubwürdig verklickern? Oder wollen wir mit allen Konsequenzen (etwa dem Rückfall Europas in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit) in die Zeit der nationalen Mikrowährungen zurück. Einen dritten Weg wird es auf längere Sicht nicht geben.

Statt in dieser Sache Klartext zu reden, wird geheuchelt, was das Zeug hält. Man hört etwa von der EU-Kommission abwärts die Leier, die Eurozone dürfe „keine Transferunion“ werden.

Echt? Was ist die EU denn jetzt? Werden nicht schon derzeit 40P rozent des gesamten EU-Budgets unter dem Titel Agrarförderung von einem erfolgreichen in einen chronisch erfolglosen Wirtschaftssektor transferiert? Und die diversen Staaten-Rettungspakete sind keine Transfers?

Die Wahrheit ist: Es gibt keine Währungsunion, die nicht zugleich Transferunion ist. Auch die Dollarzone nicht: In den USA machten die (automatischen) Transfers von reichen in ärmere Regionen 2010 satte 550 Mrd. Dollar aus. Und ganz nebenbei wurden 2009 rund 261Mrd. Dollar (also annähernd das Volumen der bisherigen Rettungspakete für Griechenland, Irland und Portugal zusammen) für „Nothilfen“ an die budgetklammen Bundesstaaten überwiesen. Allerdings als einmalige Hilfe.

Der Unterschied: Die US-Transferunion ist ein wenig intelligenter konstruiert. Die Transfers laufen überwiegend über die Arbeitslosenhilfe und „Medicaid“, die Schulden der meisten Bundesstaaten sind dagegen gedeckelt. Es gibt also keine Dauertransfers zur Defizitabdeckung unverantwortlich wirtschaftender Länder, wie sie in der Eurozone drohen.

Dass Spekulationen etwa gegen Italien erfolgreich scheinen, solche gegen, sagen wir, Minnesota aber nicht, lässt nur einen Schluss zu: Spekuliert wird nicht gegen schlechtes Wirtschaften, sondern gegen politische Hilflosigkeit. Wie man immer wieder sieht, mit Erfolg. Die Euro-Regierungschefs werden also gut daran tun, einmal festzulegen, was sie wirklich wollen und wie das zu erreichen ist. Und zwar „shortly“, wie das in fekterschem Neudeutsch neuerdings heißt. Sonst wird uns der Euro bald unkontrolliert um die Ohren fliegen. Und das wäre die teuerste Variante.


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2011)

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