Dissidenten in der Chefetage

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Der Krieg gegen die Finanzmarktaufsicht hat Schuhfabrikanten Heini Staudinger berühmt gemacht. Sein Geschäft profitiert auch davon. Ein Blick in die Vergangenheit: Wie es anderen österreichischen Rebellen erging.

Die vergangene Woche war für Heinrich „Heini“ Staudinger durchaus turbulent: Am Dienstagabend war er quasi Stargast bei einer Podiumsdiskussion in Wien, am Mittwoch im „Club 2“ des ORF. Müde? Keine Spur, der Waldviertler Unternehmer blüht richtiggehend auf. Bei einem Telefonat mit der „Presse“ am Donnerstag ist er überaus vergnügt, er lacht viel und schallend. Gerade sei er in einem Kaffeehaus in der Josefstädter Straße gewesen, erzählt er belustigt, „und der Wirt hat sich den Kaffee nicht zahlen lassen“.

Ja, Heini Staudinger hat es zweifellos zu Prominenz gebracht. Dabei ist der Anlass eigentlich kein so erfreulicher: Seit Wochen führt er Krieg gegen die Finanzmarktaufsicht. Einen sehr öffentlich geführten Krieg, wohlgemerkt. Es geht darum, dass Schuhfabrikant Staudinger von rund 230 Anlegern privat Geld gesammelt hat und dieses in seinen Waldviertler Betrieb investiert. Dafür gibt es vier Prozent Zinsen – aber halt auch jede Menge rechtlicher Zores. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) sieht darin nämlich ein Bankgeschäft, und dafür hat Staudinger keine Konzession. Jetzt ist er zu 2000 Euro Strafe verdonnert worden.

Das ist eigentlich das, was Staudinger wollte: Nun kann er die Sache nämlich juristisch klären lassen. Er will bis zum Höchstgericht gehen. Und er sieht sich als Galionsfigur: „Es geht nicht um eine Lösung für den Heini“, sagt Staudinger, „sondern um eine für alle Klein- und Mittelbetriebe.“ Da hat er zweifellos schon viel erreicht: Weil Staudinger in kurzer Zeit dermaßen populär geworden ist, ist die Wirtschaftskammer-Spitze – Präsident Christoph Leitl sowie Vize Christoph Matznetter – bereits virtuos auf den Zug aufgesprungen. Mit Finanzierungserleichterungen für Kleinbetriebe ist also schon demnächst zu rechnen.

Heini Staudinger kann durchaus mit sich zufrieden sein. Zumal sein Unternehmen ganz und gar nicht unter dem Kampf gegen Goliath leidet: „Heinrich Staudinger verdient einen Preis für geniales Marketing“, sagte Finanzmarktaufseher Helmut Ettl bei der Podiumsdiskussion am Dienstag. Da hat er wohl recht. „Mit dem 12. Dezember hatten wir erst 40 Prozent des Dezember hinter uns“, lacht Staudinger, „aber schon 67 Prozent eines üblichen Umsatzes in dem Monat.“ Das sei zwar auch auf die Witterung zurückzuführen, sagt er, „aber der FMA-Turbo hat schon auch sehr geholfen.“

Ob sich Staudinger an Beispielen aus der Vergangenheit orientiert hat? Es ist ja nicht das erste Mal in Österreich, dass ein Wirtschaftstreibender als Rebell auftritt. In der Vergangenheit hat es immer wieder Unternehmer und Manager gegeben, die gegen „das System“ gekämpft, den Schwenk in die Illegalität in Kauf genommen – und damit auch viel in Bewegung gebracht haben. Es ging allen vorrangig „um die Sache“. Freilich mit dem Kalkül, dass so ein öffentlich ausgetragener Kampf eines „Kleinen“ gegen „die da oben“ eine Welle der Solidarität auslöst und somit dem Geschäft keineswegs schadet. Im Gegenteil.

„Das war's wert“, sagt etwa Robert Hartlauer. Er meint damit das „Mords-Bahöö“, das sein Vater Franz Josef Hartlauer Anfang der Neunzigerjahre ausgelöst hat – was ihm eine Strafe in Höhe von 36.000 Euro einbrachte. Es ging um den 8.Dezember – an dem die Geschäfte damals feiertagsbedingt geschlossen bleiben mussten. Hartlauer wollte das nicht hinnehmen: Im Handel mit Fotoartikeln und Handys sei der Dezember „unsere Erntezeit“, sagt sein Sohn, „und mein Vater musste jahrelang mit anschauen, wie Österreicher an dem Tag ins benachbarte Ausland einkaufen gefahren sind.“

Hartlauer beschloss, eines seiner großen Geschäfte in der Linzer Landstraße am 8. Dezember offen zu halten. Der Unterschied zum heutigen Fall Staudinger: Überbordende Sympathien waren Hartlauer keineswegs gewiss. Zwar waren die Kunden durchaus angetan, dafür gab es öffentliche Drohungen vom damaligen oberösterreichischen ÖVP-Landeshauptmann Josef Ratzenböck, von SPÖ-Sozialminister Josef Hesoun, von der Gewerkschaft sowieso.

Hartlauer sei ein „gewissenloser, asozialer Unternehmer“, hieß es dort. „Die haben uns sogar Geschäftstüren mit Superkleber zugeklebt“, erzählt Robert Hartlauer. Und die oberösterreichische Wirtschaftskammer tat gleich einmal kund, dass Hartlauer von ihr keine Unterstützung erwarten könne.

Hartlauer senior zog die Sache trotzdem durch. Im ersten Jahr verkauften Familienmitglieder, im nächsten machten etliche Hartlauer-Mitarbeiter, auch in Wien, mit. Dafür gab es auch eine saftige Strafe, die aber in Kauf genommen worden sei. „Wir haben an dem Tag schöne Umsätze gemacht“, berichtet Hartlauer, „und der PR-Effekt war auch nicht schlecht.“ Im Jahr darauf, 1995, wurde das Offenhalten an dem Marienfeiertag schließlich legalisiert.

Man sieht also: Beim Thema Ladenschluss zahlt sich Rebellieren durchaus aus. Das hat Trachtenunternehmerin Gexi Tostmann schon vor Hartlauer bewiesen. Sie hat ihr Trachtengeschäft – ein „Pimperlgeschäft“, wie sie sagt – in den Achtzigerjahren immer wieder (verbotenerweise) an Samstagnachmittagen geöffnet. Manchmal auch an Sonntagen, wenn sich das mit einer Ausstellung verknüpfen ließ. „Die Anzeigen sind nur so auf mich niedergeprasselt“, erzählt sie heute. Gut so. Tostmann konnte die Sache somit ausjudizieren lassen, ging zum Verfassungsgerichtshof. Der hob im Jahre 1987 schließlich das rigide Ladenschlussgesetz auf.

Auch Tostmann wurde von der eigenen Standesvertretung und von der Gewerkschaft angefeindet. „Nach dem Motto: Die kann offenbar nie genug kriegen“, erzählt sie. „Ich habe das aber nie ernst genommen. Und bereut hab ich mein Engagement auch nie. Es hat mir Freude gemacht, weil es mir um das Grundrecht der Erwerbsfreiheit ging.“ Nachsatz: „So viel PR hätte ich sonst nie bekommen.“

Interessant, dass rebellische Unternehmer (mit Ausnahme von Staudinger) stets auch einen Kampf gegen ihre eigentliche Interessenvertretung führen mussten. Wie etwa jene zwei Wiener Apotheker, die unlängst die Apothekerkammer bekriegten, weil sie auch an Samstagnachmittagen offen halten wollen. Sie setzten sich schlussendlich durch.

Interessant auch, dass rebellierenden Großkonzernen kaum Sympathien entgegenschlagen. Als sich etwa vor vier Jahren sechs Industriebosse gegen die Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer auflehnten, ging das ziemlich unter. Dabei hatten Voest-Chef Wolfgang Eder sowie seine Kollegen von Magna, Kapsch und anderen Konzernen die Zahlung der vorgeschriebenen Kammerumlage einfach eingestellt. Und wurden von der Kammer geklagt. Die Sache ging bis zum Höchstgericht, doch die Rebellen hatten das Nachsehen.

Hans Peter Haselsteiner darf dagegen noch hoffen. Der Strabag-Chef hat zeitgleich eine Beschwerde bei der EU-Kommission gegen die Zwangsmitgliedschaft eingebracht. Sie ist dort immer noch schubladisiert, wie sein Anwalt Norbert Gugerbauer mitteilt. Solidaritätsbekundungen sind nicht überliefert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2012)

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