Als die Industrie blaumachte

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Warum die Industriellenvereinigung seinerzeit die Weichen für eine schwarz-blaue Koalition stellte. Und warum die Stimmung unter den Wirtschaftstreibenden heute ganz anders ist.

Die Frage ist offenbar ungehörig – und bleibt daher unbeantwortet. Weder der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, als auch sein Generalsekretär Christoph Neumayer stehen für ein Gespräch zur Verfügung. Sonst grundsätzlich gerne, heißt es im Haus der Industrie, aber in diesem Fall: leider nein.

Wir erfahren also nicht, welche Koalitionsvariante die mächtige Interessenvertretung bevorzugt. Schade, aber verständlich. Denn die Frage ist halt doch ein bissl heikel. Immerhin hat die derzeitige politische Ausgangslage eine gewisse Ähnlichkeit mit jener des Jahres 1999. Damals kam bekanntlich eine schwarz-blaue Koalition unter Kanzler Wolfgang Schüssel zustande. Und dabei spielte die Industriellenvereinigung eine maßgebliche Rolle. Ein Umstand, an den sich die IV des Jahres 2013 offenbar nur ungern erinnert.

Klar: Die Industriellenvereinigung mit rund 4200 Mitgliedern gibt zwar gut und gerne wirtschaftspolitische Denkanstöße. Unter Georg Kapsch ist sie allerdings mehr denn je darum bemüht, Distanz zu allen politischen Parteien zu wahren. Koalitionswünsche zu äußern, ist also strengstens verboten.

Offiziell galt das mit den Koalitionswünschen auch im Jahre 1999. Was die Industriellenvereinigung freilich nicht daran hinderte, hinter den Kulissen äußerst umtriebig zu sein – und die Weichen für eine bürgerliche Koalition zu stellen.

Andreas Khol, damals ÖVP-Klubchef, erinnert sich so: „Raiffeisen war massiv gegen die schwarz-blaue Koalition.“ Vor allem Raiffeisen-Boss Christian Konrad habe massiv quergeschossen. „Letztlich war die Koalition die Entscheidung von Wolfgang Schüssel und seiner Crew“, sagt Khol. Von der Industriellenvereinigung habe es „ein wenig Rückenwind gegeben“.

Er beliebt zu untertreiben. Denn tatsächlich hatte sich damals in der Interessenvertretung über die Jahre ordentliche Frustration über den wirtschaftspolitischen Stillstand durch rot-schwarz aufgestaut. Eine Reihe von Mächtigen der Industriellenvereinigung sah den Moment für eine lang ersehnte politische Wende gekommen. Und schritt zur Tat.

Galionsfigur war der Papierindustrielle Thomas Prinzhorn – als früherer IV-Wien-Präsident mit einer guten Portion Macht in der Interessenvertretung ausgestattet – und überdies jener Mann, mit dem die FPÖ als Spitzenkandidat in die Wahlen gegangen war. Prinzhorn hatte auch gute Kontakte zu einigen SPÖlern. Merkte aber rasch, dass eine rot-blaue Koalition nicht zu realisieren war.

Seine Kontakte zu bürgerlichen Wirtschaftstreibenden waren aber ohnehin brauchbarer: Mit den Papierindustriellen Alfred Heinzel und Veit Sorger machte er gemeinsame Jagdausflüge, ebenso mit dem damaligen Präsidenten der Industriellenvereinigung, Peter Mitterbauer. Jahrelange Freundschaft, ein tiefes Vertrauensverhältnis: Darauf konnte man schon bauen. In der Industrie war die FPÖ längst nicht mehr enfant terrible.

Zumal FPÖ-Chef Jörg Haider wohlweislich schon lange vorher die Nähe zu Wirtschaftstreibenden gesucht hatte – zu Prinzhorn natürlich, aber auch zum Industriellen Herbert Turnauer (Constantia), zum steirischen Industriellen Ernst Hofmann (Pankl & Hofmann) oder zu Billa-Boss Veit Schalle.

Die Botschaft lautete also: Die FPÖ ist ein probater Koalitionspartner für die „Wirtschaftspartei“ ÖVP. Jedenfalls ein besserer als die SPÖ.

Durch die Industriellenvereinigung ging so etwas wie ein Ruck – es gab immer mehr Mächtige, die sich für die schwarz-blaue Koalition aussprachen. Generalsekretär Lorenz Fritz gehörte ebenso dazu, wie der damalige Vizepräsident der IV, der steirische Textilindustrielle Werner Tessmar-Pfohl. Nicht zu vergessen: Der Präsident der IV Oberösterreich, Michael Teufelberger, und der Vorarlberger Fruchtsafthersteller Franz Rauch.

Für die ÖVP traf sich das gut. Allein hätte sie das Wagnis einer Koalition mit der FPÖ wohl nie durchgezogen. Sie brauchte Rückhalt aus der Wirtschaft. Und den hatte sie nun.

Es gab zahlreiche, diskrete Gespräche zwischen den Industriellen und der ÖVP-Spitze. Durchaus auch inoffizieller Natur: Etwa bei einer Jagd, die Alfons Mensdorff-Pouilly kurz nach den Wahlen veranstaltete. Dort konnte Prinzhorn die politische Lage mit Maria Fekter (damals im Präsidium des Wirtschaftsbundes) sondieren.

Der Rest ist Geschichte.

Der politische Einfluss der Industriellenvereinigung war damals jedenfalls so groß, dass die Interessenvertretung auch zu Koalitionsverhandlungen zu Rate gezogen wurde. Nach den nochmaligen Wahlen Ende 2002 war die IV bei den Koalitionsverhandlungen sogar hochoffiziell dabei – in Vertretung der ÖVP. Der damalige FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer erinnert sich: „Mein Vis-à-vis war die Industriellenvereinigung.“

Und heute? Heute ist die Industriellenvereinigung schon deutlich zurückhaltender. Und überhaupt hat sich die Interessenslage der Wirtschaftstreibenden deutlich verändert. Der Traum von Schwarz-Blau (plus Team Stronach) ist offenbar geplatzt.

Raiffeisen ist wie damals entschieden gegen eine Koalition mit den Freiheitlichen. Und in der Industriellenvereinigung ist es – wie inoffiziell zu erfahren ist – zu einer Wende gekommen: Die Wenigsten dort können etwas mit der FPÖ anfangen, Heinz-Christian Strache hat – im Gegensatz zu Haider – auch nie aktiv die Nähe zu Wirtschaftstreibenden gesucht.

Vor allem aber: Die Anti-EU-Politik der FPÖ hat die nachgerade EU-euphorische Industriellenvereinigung nachhaltig verschreckt. Dazu kommt noch, dass der nunmehrige Präsident der Interessenvertretung, Georg Kapsch, eine tiefe, persönliche Abneigung gegen die Freiheitlichen hegt. Kapsch gilt als Liberaler, er war einst im Präsidium des Liberalen Forums in Wien. Undenkbar, dass er eine Koalition mit der FPÖ goutieren, geschweige denn fördern würde. „In der Industriellenvereinigung sehe ich – von einigen, wenigen Ausnahmen abgesehen – keine Unterstützung für eine FPÖ-Regierungsbeteiligung“, meint denn auch Politikberater Thomas Hofer.

Die Zeiten haben sich eben geändert. Bestes Beispiel ist der 40-jährige Cord Prinzhorn, der mittlerweile in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist: Er ist Geschäftsführer der Prinzhorn-Holding – und mischt auch politisch mit. Mit einem nicht unwesentlichen Unterschied: Beim gerade zu Ende gegangenen Wahlkampf hat er die Neos unterstützt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2013)

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