Angriff auf den Berater der Republik

Wolfgang Peschorn
Wolfgang PeschornClemens Fabry
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Wolfgang Peschorn ist seit 2006 Anwalt und Berater der Republik. Doch im Zuge des Hypo-Skandals ist der mächtige Beamte bei der Politik in Ungnade gefallen.

Er ist ausgesprochen sendungsbewusst, und damit macht man sich in Österreich nicht unbedingt Freunde. Wolfgang Peschorn weiß das wohl auch, aber er ist nun einmal so, wie er ist. Immerhin ist er als Präsident der Finanzprokuratur einer der mächtigsten Beamten des Landes. Und als Anwalt und Berater der Republik Österreich steht man halt gewissermaßen im Rampenlicht.

Bei ihm ist es jedenfalls so. Bei seinen Vorgängern überhaupt nicht. Gut, könnte man einwenden, damals gab es auch kein Debakel um die Kärntner Hypo Alpe Adria. Und tatsächlich: Der Hypo-Skandal hat Peschorn zu überwältigender Bekanntheit verholfen. Erst unlängst gab er in der ORF-Sendereihe „Am Schauplatz“ bereitwillig Auskunft über die Skandalbank. Was erneut nicht wenige seiner Kritiker auf den Plan gerufen hat. Peschorn agiere wieder einmal als „Aufdecker der Nation“, hieß es giftig. Vor allem aber: Er profiliere sich, schade dabei aber der Bank enorm.

Den wortgewandten Juristen, der im Jahre 2006 unter Finanzminister Karl-Heinz Grasser den Chefsessel der Finanzprokuratur erklomm, ficht das nicht sonderlich an. Kritik, Intrigen, Querschüsse waren in den vergangenen Jahren seine ständigen Wegbegleiter. Wolfgang Peschorn hat sich davon nie aus der Ruhe bringen lassen: „Ich vertrete die Interessen der Republik“, sagt er kühl, „und an diesen orientiere ich mich. Nicht an irgendwelchen Zurufen.“

Und doch ist mit einem Mal alles anders. Einst Everybody's Darling, ist Peschorn mittlerweile zum Buhmann der Nation geworden. Jedenfalls wird das in politischen Kreisen so gesehen.

Warum? Weil vor wenigen Tagen Peschorns Insolvenzszenario für die Hypo publik geworden ist: Seinen Berechnungen zufolge käme dies die Republik (also den Steuerzahler) um 5,3 Milliarden Euro billiger als die derzeitige Abwicklung. Angesichts der weiteren Milliarde, die die Hypo noch heuer für die Erstellung ihres Jahresabschlusses benötigt, eine nicht völlig von der Hand zu weisende Überlegung. Aber politisch leider höchst inopportun.

Und so beeilten sich Hypo-Aufsichtsratschef Klaus Liebscher sowie Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny, eine Hypo-Insolvenz kategorisch auszuschließen. Nach einer tagelang andauernden Schrecksekunde taten es ihnen Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger gleich. Motto: Eine Insolvenz sei keine Option – zumal sie unabsehbare wirtschaftliche und politische Folgewirkungen hätte.

Eine Folgewirkung hat Peschorns Szenario freilich jetzt schon: Sein Sessel wackelt – und zwar unübersehbar. Nach der Angelobung der neuen Regierung wird der Vertrag des Finanzprokurators (der eigentlich bis zum Jahr 2016 läuft) vorzeitig beendet werden, heißt es aus hohen politischen Kreisen. Man sei mit der Geduld am Ende.

Die vorzeitige Ablöse des Anwalts der Republik wäre jedenfalls beispiellos. Ein echter Paukenschlag. Soll da bloß ein unbequemer Geist mundtot gemacht werden? Oder hat Wolfgang Peschorn tatsächlich einfach den Bogen überspannt?

Fakt ist, dass die Rolle des jungen, ehrgeizigen Juristen schon vor Jahren als äußerst problematisch gesehen wurde. Beispiel „CSI Hypo“: Sie war Anfang 2010 vom damaligen ÖVP-Finanzminister Josef Pröll kurz nach der Notverstaatlichung der Hypo ins Leben gerufen worden. Ein vifer Schachzug, keine Frage: In Anspielung auf die populäre TV-Serie sollte das österreichische CSI-Team jeden Beleg umdrehen und alles „forensisch prüfen“. So etwas kommt in der Öffentlichkeit immer gut – zumal mit dem smarten Peschorn ein probater CSI-Chef gefunden worden war. Vergangenheitsbewältigung als „flotte Sache“, sozusagen.

Dann folgte freilich die große Ernüchterung. Vorstand und Aufsichtsrat der Hypo schlugen jedenfalls mehrmals im Finanzministerium Alarm: Peschorn verhindere mit seiner „Strategie der verbrannten Erde“ die Sanierung der Bank. Er klage alles und jeden und verunsichere die Mitarbeiter enorm, hieß es. Verhandlungen mit Schuldnern über eine zumindest teilweise Begleichung von Forderungen seien wegen Klagsdrohungen Peschorns unmöglich gemacht worden. Und als der Vorstand plante, die Mitarbeiter schad- und klaglos zu halten, wurde wiederum ihm mit Klage gedroht.

Im Sommer 2011 forderte der damalige Hypo-Aufsichtsratschef Johannes Ditz klipp und klar die Auflösung der „CSI Hypo“: Sie hatte Unsummen an Kosten verursacht, aber herzlich wenig zur Aufklärung beigetragen.

Worauf Peschorn Ende des Jahres stolz seine CSI-Bilanz präsentierte: Unter seiner Ägide habe es 70 Sachverhaltsdarstellungen an die Staatsanwaltschaft gegeben, 77 Beschuldigte und ein Forderungsvolumen von insgesamt 650 Millionen Euro. Beachtlich.

Was freilich nicht so an die große Glocke gehängt wurde: Von den 650 Millionen flossen tatsächlich nur 17 Millionen Euro an die Hypo. Und davon waren 16,5 Millionen vom inhaftierten ehemaligen kroatischen General Vladimir Zagorec. Er hatte Geld, das der Hypo gehörte, in Liechtenstein geparkt. Außerdem: Diesen 17 Millionen standen zu dem Zeitpunkt Kosten von kolportierten 21,6 Millionen Euro gegenüber – ausgegeben für Berater und Rechtsanwälte. Das bedeutet laut Adam Riese weitere Verluste. Für eine ohnehin verlustgebeutelte Bank.

Es kam zum Unvermeidlichen: Mitte 2012 wurde die „CSI Hypo“ – die bereits tausende Fälle angezeigt hatte – aufgelöst. Anstelle Peschorns wurde Rechtsanwalt Georg Krakow – einst Bawag-Staatsanwalt und späterer Kabinettschef von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner – Koordinator für die Aufarbeitung.

Doch Ruhe ist damit keinesfalls eingekehrt. Mittlerweile widmet sich die Politik der Peschorn-Vergangenheitsbewältigung. Da geht es etwa um dessen Rolle bei der Notverstaatlichung der Hypo im Dezember 2009. Über den Vertrag mit dem damaligen Eigentümer, der BayernLB, gab es über die Jahre widersprüchliche Aussagen: Einmal hieß es, die Finanzprokuratur habe ihn „maßgeblich gestaltet“, einmal hieß es, sie habe bloß „mitformuliert“. Tatsache ist, dass auf dem Vertrag das Logo der Behörde prangt.

Und Tatsache ist, dass der Vertrag heute äußerst kritisch gesehen wird: So hat die Republik unter Punkt sechs auf jede Gewährleistung – auch bei strafbaren Handlungen – verzichtet. Dafür hat sie zwei nachgerade fatale Garantien übernommen: Beispielsweise darf Bayern Kredite fällig stellen, sollte die Republik die Mehrheit an der Hypo verkaufen. Was eine allfällige Privatisierung nicht eben erleichtert.

Peschorn bleibt gelassen und harrt der Dinge: „Die Amtsverschwiegenheit verwehrt mir die Möglichkeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen“, sagt er. „Im Übrigen kann man zu solch unsubstanziierten Vorwürfen kaum etwas sagen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2013)

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