ÖIAG: Die geplatzte Privatisierungsblase

(c) FABRY Clemens
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Der Um- und Ausbau der Staatsholding ÖIAG war das große Ziel der ÖVP. Jetzt ist das ehrgeizige Unterfangen zu einem Miniabsatz im Koalitionsvertrag verkommen. Dafür einigte man sich auf die Postenverteilung.

Am Freitag, dem 6.Dezember, ist sich Michael Spindelegger seiner Sache noch ganz sicher. Gerade hat der ÖVP-Chef den Bundesparteivorstand absolviert. Danach verkündet Spindelegger sieben Punkte, die quasi als Bedingung für eine Koalition mit der SPÖ erledigt werden müssten. An sechster Stelle: umfangreiche Privatisierungen.

Am Donnerstag, dem 12.Dezember, ist sich Michael Spindelegger seiner Sache nicht mehr so sicher. Gerade hat er sich mit Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann auf eine neuerliche Koalition geeinigt. Danach stehen beide den versammelten Journalisten Rede und Antwort. Privatisierungen? Darüber werde man reden, sagt Spindelegger, „wenn wir den Zeitpunkt für richtig halten“.

Das ist die österreichische Innenpolitik „neuen Stils“: In weniger als einer Woche ist alles anders.

Tatsache ist: Die von der ÖVP geforderte und propagierte ÖIAG neu ist zum alten Hut verkommen. Bei der Staatsholding bleibt alles, wie es war. Bis auf zwei Kinkerlitzchen, auf die sich ÖVP und SPÖ dann doch noch in letzter Minute einigen konnten:

1.) Die Zahl der Kapitalvertreter im ÖIAG-Aufsichtsrat soll von zehn auf zwölf aufgestockt werden.

2.) Die Aufsichtsräte müssen sich in Hinkunft – wie ihre Kollegen bei den Banken – einem Eignungstest (Fit-&-Proper-Test) unterziehen.

Das war's auch schon. Paukenschläge klingen anders.

Wobei man nicht ungerecht sein soll. Eine wesentliche Einigung gibt es schon, nur findet sie im Koalitionsabkommen keinen Niederschlag. Aus verständlichen Gründen: Es geht um die Postenverteilung zwischen ÖVP und SPÖ.

Und da sieht die Einigung so aus: Neun ÖIAG-Aufsichtsräte sollen von der ÖVP bestellt werden, nur drei von der SPÖ. Dafür hat sich die SPÖ mit ihrer Forderung durchgesetzt: Neben den Kapitalvertretern werden in Hinkunft weiterhin auch Betriebsräte in dem Kontrollgremium sitzen dürfen. Was vom Gesetz her keineswegs so vorgesehen wäre, da die ÖIAG selbst nur über eine Handvoll Mitarbeiter verfügt. Dafür bekommt die ÖVP als kleines Dankeschön jeweils drei Aufsichtsratssitze in den ÖBB und in der Asfinag.

Und die Privatisierung? Die kommt im Koalitionsabkommen zwar mit einem dünnen Satz vor, wird aber reichlich schwammig abgehandelt. Wohl werden Privatisierungen als Ziel definiert. Wann und bei welchen Unternehmen das genau passieren soll, bleibt freilich offen. Des Rätsels Lösung: Vor der Wiener Landtagswahl im Herbst 2015 soll genau gar nichts passieren. Blöd halt, dass in Österreich permanent irgendwo gewählt wird, aber man wird sehen.

Das war's also schon mit der ÖIAG neu. Dabei hatte die ÖVP alles so minutiös geplant. Im vergangenen Jahr hatte Spindeleggers Kabinett die Zukunftsinitiative „Unternehmen 2025“ ins Leben gerufen: Von Mai bis Oktober hatten etliche hochkarätige Manager wirtschaftspolitische Inputs geliefert. Auch zum Thema Privatisierungen.

Im Spätsommer 2013 schließlich wurden diese Inputs in ein neues ÖIAG-Konzept gegossen – unter Federführung von Wirtschaftsforscher Ulrich Schuh und dem Industriellen Norbert Zimmermann.

Das Konzept kann sich durchaus sehen lassen. Es sieht vor, dass die ÖIAG neu als klare Privatisierungsagentur fungiert: Jene Unternehmen, an denen sie jetzt schon Anteile hält (OMV, Telekom, Post), sollen bis zu einer Sperrminorität von 25 Prozent plus eine Aktie privatisiert werden. Darüber hinaus wird angeregt, den Stromkonzern Verbund ebenfalls in die ÖIAG neu einzugliedern – zu einem späteren Zeitpunkt eventuell auch den Güterverkehr der ÖBB.

In der Folge sieht das Konzept vor, dass die ÖIAG neu – nach erfolgten Privatisierungen – überhaupt das Beteiligungsmanagement anderer staatlicher Unternehmen übernimmt: etwa von Infrastrukturunternehmen wie dem Straßenbauunternehmen Asfinag oder der Bundesimmobiliengesellschaft BIG. Oder von Forschungsunternehmen.

Und weil man schon so schön am Bündeln von staatlichen Eigentümerinteressen war, gab's gleich noch einen Vorschlag: die Gründung einer Kulturgüterstiftung. In ihr sollten die Bundesforste, die Bundestheater, die Spanische Hofreitschule, Museen etc. eingebracht werden.

Die SPÖ war all dem keineswegs abgeneigt. Jedenfalls hatte sie dem Konzept inhaltlich nichts entgegenzusetzen. Nebenbei bemerkt: Erst in den letzten Tagen der Koalitionsverhandlungen hatten die Roten überhaupt einen Verhandlungsführer für das Thema Privatisierungen gefunden. Mangels geeigneter SPÖ-naher Manager wurde es schlussendlich Kanzler-Intimus Josef Ostermayer.

Zu Beginn der vergangenen Woche schien auch alles nach Plan zu laufen: Etliche SPÖ-Granden äußerten sich öffentlich durchaus positiv zum Privatisierungsplan. Etwa Wiens Bürgermeister Michael Häupl.„Ich bin nicht grundsätzlich gegen Privatisierungen“, sagte er. Immerhin.

In der SPÖ ging die Zustimmung sogar so weit, dass personelle Planspiele starteten. Hintergrund: Mit einer größer werdenden ÖIAG ist auch ein zweiter Vorstand (neben dem amtierenden Rudolf Kemler) notwendig. Prompt wurden in SPÖ-Kreisen potenzielle Kandidaten ventiliert: Wirtschaftskammer-Vizepräsident Christoph Matznetter etwa. Oder Ex-OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer sowie Siemens-Boss Wolfgang Hesoun. Auch der Name von ORF-Chef Alexander Wrabetz machte die Runde.

Und: Die SPÖ verlangte, dass nicht nur das ÖVP-Finanzministerium Eigentümervertreter der ÖIAG ist. Sondern auch das rote Bundeskanzleramt.

Doch dann, in den vergangenen Tagen, protestierten Betriebsräte von Telekom, Post und OMV lautstark gegen die geplanten Privatisierungen – von denen bloß „ausländische Milliardäre“ profitieren würden. Und die SPÖ machte einen Rückzieher.

Aus der Traum. Geblieben ist ein höchst schlanker Absatz im Koalitionsabkommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2013)

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