Peter Michaelis: Die ÖIAG und ein Gentleman

Peter Michaelis
Peter Michaelis(c) APA (Herbert Pfarrhofer)
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Keiner wird neuerdings so lustvoll geprügelt wie ÖIAG-Chef Peter Michaelis. Immerhin hat er das Fiasko mit der AUA-Privatisierung zu verantworten. Ob der höfliche, übervorsichtige Manager der richtige für den Job ist?

Die Schule Schloss Salem ist das wohl bekannteste Internat Deutschlands. Im deutschen „World's Luxury Guide“ wird Salem als „Nobeladresse in idyllischer Landschaft“ geführt, als „Vorzeigeschule“. Die 1920 gegründete Erziehungsstätte sieht es als ihre Mission, „Persönlichkeiten zu bilden“. Und sie will Schüler und Absolventen „auf ihrem persönlichen Weg zu akademischem und beruflichem Erfolg“ unterstützen.

Peter Michaelis hat hier die Schulbank gedrückt. Heute ist er ÖIAG-Chef. Salem hat also ganze Arbeit geleistet, in jeder Hinsicht: „Michaelis ist wahrscheinlich der höflichste ÖIAG-Chef, den wir je hatten“, meint ein Manager eines staatsnahen Unternehmens.

Ansonsten gibt es eher wenig Lob für den 62-Jährigen: Die von ihm geleitete Privatisierung der AUA ist zu einem echten Fiasko geworden. Und alle echauffieren sich: „Unfassbarer Dilettantismus“, tobt etwa AUA-Aktionär Hans Schmid. „Wenn man ein Privatisierungsverfahren macht und es bleibt nur ein Bieter übrig, ist das ein Lehrstück dafür, wie man es nicht macht“, alteriert sich Günter Geyer, Chef des AUA-Aktionärs Wiener Städtische.

Die hohe Politik ist ebenfalls außer sich: ÖVP-Chef Josef Pröll hat seit Mittwoch offiziell „die Nase voll“. Und SPÖ-Chef Werner Faymann weiß jetzt, dass er Michaelis „keine Träne nachweinen“ würde.

Das ist natürlich alles nicht besonders schmeichelhaft – für Peter Michaelis aber noch lange kein Grund, die Contenance zu verlieren: „Ich muss das abschütteln, damit ich mich auf meine eigentliche Aufgabe konzentrieren kann“, sagt er. Milde geht er auch mit den Rücktrittsaufforderungen, die es von allen Seiten hagelt, ins Gericht: „Die sind ein Ausfluss dessen, dass alle mehr Informationen haben wollen. Aber in einem Bieterverfahren ist das nicht möglich: Ich befinde mich auf einer Gratwanderung zwischen Politik und Aktienrecht.“ Bange ist ihm dabei offenbar nicht: „Ich stehe das alles durch“, sagt Michaelis.

Beneidenswert. Andererseits hatte Michaelis in den vergangenen acht Jahren seines Wirkens auch reichlich Gelegenheit, Erfahrung im Umgang mit harschen Tönen zu sammeln. Kritik war sein ständiger Wegbegleiter. Ob Voest, Telekom oder VA Tech: Jede Privatisierung hatte nachgerade desaströse Begleitmusik. Das Muster war stets das gleiche: Geheime Informationen wurden publik, Michaelis schwieg, es kam zum politischen Schlagabtausch, Michaelis äußerte sich zaghaft. „Letztlich waren aber alle Privatisierungen erfolgreich“, freut er sich heute.

Beurteilt wird am Ende des Tages – das ist sein Credo.

Wird Peter Michaelis also bloß grobes Unrecht zuteil? Ist es nicht so, dass in Österreich eh jede Privatisierung für politische Misstöne sorgt? Braucht es da nicht gerade einen Mann vom Schlage eines Michaelis? Ruhig, beharrlich, unbeirrbar?

Viktoria Kickinger, einst ÖIAG-Sprecherin, lässt jedenfalls nichts über ihren ehemaligen Chef kommen: „Peter Michaelis hat ein klares Wertesystem, man kann sich auf ihn verlassen.“ Und dass er es seit Jahren niemandem Recht machen könne, liege wohl auch daran, „dass er Auslandsösterreicher ist“. Ein Mann also ohne politischen Rückhalt, ohne Seilschaften.

Da mag was dran sein. Andererseits: Gerade das war ja jener Manager-Typus, den die Wende-Regierung seinerzeit, im Jahr 2000, so verzweifelt gesucht hat.

Das neue ÖIAG-Gesetz wurde damals aus der Taufe gehoben, die Verstaatlichten-Holding sollte fortan unabhängig und unpolitisch agieren. Ein politisch unvoreingenommener Manager, der die große, weite Welt der internationalen Wirtschaft geschnuppert hatte, musste also her.

Es wurde der Oberösterreicher Peter Michaelis, damals Manager bei Mannesmann. Bilderbuch-Karriere hatte er zwar nicht vorzuweisen, aber immerhin passte das mit dem Auslandsösterreicher. Und dank Salem kommt er auch „wie ein steifer Deutscher“ (ein Weggefährte) rüber. Man hätte es schlechter treffen können, befand man damals in der Regierung.

In den ÖIAG-Unternehmen machte sich allerdings rasch Ernüchterung breit, wie einer erzählt: „Viele haben bei Aufsichtsratssitzungen den Eindruck bekommen, dass Michaelis betriebswirtschaftlich nicht sonderlich firm war.“ Was wohl auch daran lag, dass Michaelis weniger durch strategischen Input als durch Fragen auffiel: „Uns kam es so vor, als ob er bloß Fragen für das Sitzungsprotokoll gestellt hat. Quasi, um sich abzusichern.“

Womit wir bei jenem Attribut wären, das Michaelis am häufigsten verliehen wird: Er gilt als „unsicher“, Wohlmeinendere sagen „vorsichtig“. Obwohl die ÖIAG mit seinem Amtsantritt „entpolitisiert“ werden sollte, machte er schleunigst seine Aufwartung bei den Landeshauptleuten. Sicher ist sicher. Oder war's bloß Höflichkeit?

Viel schwerer wiegt aber laut Beobachtern ohnehin das Faktum, dass der ÖIAG-Boss lange braucht, bis er sich zu Entscheidungen durchringt. An mangelndem Arbeitseifer liegt's jedenfalls nicht: Michaelis gilt allgemein als äußerst fleißig. Trotzdem: Oft werden die Börsenkurse von ÖIAG-Firmen dank aufgekommener Gerüchte tagelang in Grund und Boden geprügelt, ehe sich Michaelis zu einem denkbar knappen Statement aufrafft. In der Causa AUA ist das nicht anders. Was sogar den sonst so zurückhaltenden Ex-ÖIAG-Vorstand Johannes Ditz unlängst aus der Reserve lockte: In einem Hörfunk-Interview zeigte er sich über die AUA-Informationspolitik „entsetzt“.

„Michaelis wäre ein toller Arzt geworden“, meint ein Manager, der ihm eigentlich wohlgesinnt ist. „Er würde wirklich alle Parameter erheben, und die Diagnose würde hundertprozentig halten.“ Wenn's dann nicht zu spät ist.

„Entscheidungen müssen sauber analysiert werden“, sagt Michaelis dazu. Ein wahres Wort: Die ausufernden Berater-Honorare unter seiner Ägide haben schon den Rechnungshof konsterniert. Zumal das gute Geld nicht immer optimal investiert ist: Ein Gutachten, das einen Partner für die AUA dringend nahe legte, lag zwei Jahre in Michaelis' Schublade. Da ist viel wertvolle Zeit verloren gegangen: Mittlerweile muss die marode Airline der deutschen Lufthansa ja quasi nachgeschmissen werden.

Was einen Polit-Insider zum wenig schmeichelhaften Urteil veranlasst: „Michaelis führt nicht. Er reagiert.“ Angesichts seiner Jahresgage von zuletzt 700.000 Euro ein teurer Spaß.

Trotzdem wurde Michaelis' Vertrag per Juli dieses Jahres um drei Jahre verlängert. Obwohl es durchaus probate Gegenkandidaten gegeben hätte. „Die ÖVP wollte aber von Michaelis nicht abgehen“, sagt ein Partei-Intimus, „weil sie damit eingeräumt hätte, dass die seinerzeitige Entscheidung für Michaelis ein Fehler war“.

Michaelis ficht das alles nicht an. „Ich habe ein klares Ziel vor Augen“, sagt er, „nämlich: die AUA in eine zukunftsträchtige Partnerschaft zu führen.“ Obwohl er sich „manchmal schon frage, warum ich mich all dem aussetze. Aber dann sage ich mir, dass ich Verantwortung für das Unternehmen trage.“

Ob er sie auch bis zum Ende seiner Vertragszeit tragen wird? Da spricht wieder der Stoiker aus Peter Michaelis: „Es gibt für mich überhaupt keinen Grund daran zu zweifeln.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2008)

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