Wettbewerbshüter wittern illegale Absprachen im Stahlhandel

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Die Bundeswettbewerbsbehörde hat den österreichischen Stahlhandel im Visier: Wegen des Verdachts der Preisabsprachen gab es sieben Hausdurchsuchungen.

Wir schreiben den 29. Dezember 2011, und im Gasthaus Gmachl in Bergheim herrscht Feiertagsstimmung. Wie jedes Jahr. An einem Tisch, an dem vier Herren sitzen, ist die Stimmung allerdings eher gedrückt. Sie sind die Chefs zweier großer Stahlhandelsunternehmen, und sie machen sich Sorgen. Immer wieder beklagen sie den „ruinösen Preiskrieg“ in ihrer Branche.

Doch an diesem 29. Dezember soll es nicht bloß darum gehen, die kritische Lage zu bejammern. Es sollen Nägel mit Köpfen gemacht werden. Die Vertreter der beiden eigentlich konkurrierenden Unternehmen beschließen also, weitere Mitbewerber anzurufen. Mit ihnen soll ein neuerlicher Gesprächstermin vereinbart werden.
Gesagt, getan. Schon zwei Wochen später, am 12. Jänner, kommt es zu einem Treffen im Wiener Café Imperial. Dieses Mal sind vier Unternehmen mit von der Partie. Bis zum Sommer desselben Jahres sollen diese feinen Herrenrunden jeden Monat stattfinden, so wird es vereinbart. Und auch durchgeführt. Der Kreis wird immer größer, irgendwann wird das Ganze – „aus organisatorischen Gründen“ – in die Raststätte Rosenberger, St. Pölten, verlegt. Man will ja schließlich unter sich sein.

Denn die diskreten Runden sind natürlich schwer illegal. Es geht nämlich darum, einheitliche Preise und Konditionen zu vereinbaren. Auf dass es der Branche, die in den vergangenen Jahren immer wieder Verluste hat hinnehmen müssen, wirtschaftlich bald besser gehe. Zulasten ihrer Kunden, selbstredend.

Solch große Runden haben es aber auch an sich, dass sie schwer zu kontrollieren sind. Und so kommt es, wie es kommen muss: Es gibt Eifersüchteleien, es gibt Vorhaltungen, es gibt Druck, es gibt Streit.
Irgendwie kommt die Sache dann doch auf Schiene: Im August 2012 sendet das erste der beteiligten Stahlunternehmen ein Rundschreiben an seine Kunden, in dem der sonst übliche Skonto zurückgenommen wird. Kurz danach ergehen Rundschreiben von fünf weiteren Unternehmen mit zum Teil identischem Wortlaut und einheitlichen Aufpreisen.

Damit haben es die Herren wohl etwas übertrieben. Nicht besonders dienlich war wohl auch das Faktum, dass die Gruppe unter sich heillos zerstritten war. Wie auch immer: Die Sache flog auf. Anfang 2013 kam es zu einer Beschwerde bei der Bundeswettbewerbsbehörde. Und während sich die Herren noch in dem Jahr weiterhin monatlich trafen, wurde die Schlinge langsam enger gezogen. Mittlerweile hatten sich nämlich auch zwei Kronzeugen bei den Wettbewerbshütern gemeldet. Also Herren, die bei den klandestinen Treffen dabei gewesen waren. Im November 2013 schließlich wurde eine Gesprächsrunde abgesagt – bei einem der Beteiligten hatte es eine Hausdurchsuchung gegeben. Es sollten sechs weitere Razzien folgen.

Das vorläufige Ende der Geschichte: Die Wettbewerbsbehörde unter Theodor Thanner hat nun Anzeige beim Kartellgericht eingebracht. Insgesamt fünf Großen der Branche werden kartellrechtswidrige Preis- und Konditionenabsprachen vorgeworfen. Gegenüber der „Presse“ bestätigt die Behörde das Verfahren. Weitere Auskünfte werden allerdings verweigert.

Trotzdem sagen die geschilderten Begebenheiten jede Menge aus.

Erstens: Im Kampf um ein gedeihliches Auskommen gehen die Unternehmen bisweilen recht dreist vor. Vor wenigen Monaten war beispielsweise publik geworden, dass die österreichische Holzbranche eine ähnliche Vorgangsweise wie die Kollegen vom Stahlhandel gewählt hatte: In der Sägeindustrie hatte es viele Jahre lang heimliche Gesprächsrunden sogenannter Mitbewerber gegeben. Die „G10-Runde“ hatte sich jedes Quartal in einem Viersternehotel in Anif getroffen, um Preise abzusprechen.
Auch hier hat sich die Wettbewerbsbehörde eingeschaltet und sieben Hausdurchsuchungen durchgeführt.

Zweitens aber: Es wird für Unternehmen immer schwieriger, die Strategie des Miteinanders unter Konkurrenten auch unbeschadet durchzuziehen. Seit dem Jahr 2006 gibt es in Österreich die sogenannte Kronzeugenregelung nach EU-Vorbild. Und von ihr wird immer öfter Gebrauch gemacht. „Die Kronzeugenregelung hat sich für die Aufdeckung von Kartellen sehr bewährt“, schwärmt Wettbewerbshüter Thanner bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Und das ist nicht gelogen: Über 50 Kartellverfahren in Österreich gehen auf Informationen von Kronzeugen zurück.

Und die höchste jemals in Österreich verhängte Geldbuße ist ebenfalls Kronzeugen zu verdanken: 75,4 Millionen Euro mussten am Aufzugskartell beteiligte Unternehmen im Jahr 2008 blechen, weil sie von einem ursprünglichen Teilnehmer verpfiffen worden waren. Das war der deutsche Konzern Thyssen Krupp – und er kam als „erster Kronzeuge“ ohne Geldstrafe davon.

Die schöne „G10-Runde“ der Sägeindustrie ist übrigens ebenfalls durch einen sogenannten Whistleblower aufgeflogen. Wie auch die heimlichen Treffen der Stahlhändler.

Sie hätten es ahnen können: Schon bei einer der ersten Gesprächsrunden sei es unter den Teilnehmern zu Missstimmung gekommen, wie einer erzählt. Der Chef eines Unternehmens habe dort nämlich „ständig mit seinem erfolgreichen Geschäft angegeben“. So etwas kommt unter Alphatieren natürlich gar nicht gut. Möglicherweise war das schon der erste Riss in der vermeintlich zukunftsträchtigen Beziehung.

Imponiergehabe geht bei geplanten Absprachen offenbar gar nicht.

("Die Presse", Printausgabe vom 22.11.2014)

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