Drahtseilakt in der Arbeiterkammer

Werner Muhm
Werner Muhm(c) Die Presse - Bruckberger
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Werner Muhm, mächtiger AK-Direktor, wird demnächst 65. Trotzdem wird das mit seiner Pensionierung schwierig. Sein Chef, Rudolf Kaske, wäre zwar total dafür. Doch Muhm ist blöderweise enger Berater von Werner Faymann.

Damit braucht man der Arbeiterkammer erst gar nicht zu kommen: Die Frage nach einer Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters stellt sich dort nicht. Basta. Wenn es nach Wunsch der Arbeiterkammer geht, soll es so bleiben, wie es ist: Frauen gehen mit spätestens 60, Männer mit 65 Jahren in den Ruhestand.

So weit, so bekannt und unspektakulär.

Aber jede noch so eiserne Regel hat eine Ausnahme. Sogar in der Arbeiterkammer. Gesucht, gefunden: Der Direktor der Arbeiterkammer Wien, Werner Muhm, feiert am 8. April 2015 seinen 65. Geburtstag. Doch seine weitere Zukunft – Job oder Pension – ist denkbar unklar. Mehr noch: Die Sache ist so etwas wie ein Staatsgeheimnis.

Anfragen an die Arbeiterkammer helfen auch nicht weiter. Beim Betroffenen macht man sich damit nicht gerade beliebt. „Ich habe einen unbefristeten Dienstvertrag“, sagt Werner Muhm und beendet das Gespräch auch gleich mit: „Mehr sag' ich dazu nicht.“ Ein Sprecher der Interessenvertretung übt sich ebenfalls in Lakonie: „Werner Muhm hat ein aufrechtes Dienstverhältnis“, sagt er bloß. Wie lange noch? „Kein Kommentar.“ Ein einziges Mysterium.

Trügt der Eindruck, dass da ein höchst sensibles Thema angesprochen wurde? Keineswegs. Die Sache ist wirklich ziemlich heikel. Denn Werner Muhm ist nicht irgendwer – er ist ein ganz wichtiger Berater von SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann. Das spricht schon einmal dafür, dass in der Arbeiterkammer das gesetzliche Pensionsantrittsalter für ihn kurzerhand außer Kraft gesetzt werden könnte. Andererseits: Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske kann eher nicht so gut mit Werner Muhm. Und das macht die Angelegenheit dann doch ziemlich spannend.

Kaske ist seit März 2013 Präsident der Arbeiterkammer. Detail am Rand: Sein Vorgänger Herbert Tumpel, 16 Jahre lang an der Arbeiterkammer-Spitze, ist in Pension gegangen. Mit 65 Jahren.

Wie auch immer. Kaske übernahm also das Amt und war anfangs auch ganz angetan von der Expertise, die Muhm beisteuert. Fachlich sind die beiden ja durchaus auf einer Linie.
Doch bald stellte sich für Kaske heraus: Die Chemie mit Urgestein Muhm passt nicht so wirklich. Das war absehbar: Vorgänger Tumpel war nicht unbedingt erpicht auf öffentliche Auftritte – da war der stets wortgewaltige Muhm ein kongenialer Partner. Doch Kaske ist aus einem anderen Holz geschnitzt als sein Vorgänger. Ein Alphatier in seiner unmittelbaren Nähe ist unerwünscht. Muhm sagt zwar, dass er mit Kaske „bestes persönliches und inhaltliches Einvernehmen“ genießt. Doch in der Arbeiterkammer wird anderes erzählt: Kaske arbeite schon lang und akribisch am zukunftsweisenden Projekt „Entmuhmifizierung“ der Interessenvertretung.

Jedenfalls lasse Kaske keine Gelegenheit aus, über Muhm herzuziehen. Sei es gegenüber Gewerkschaftern, sei es intern. Jeder Fauxpas, den Muhm sich leistet – eine persönliche Genugtuung für Kaske. Zum Beispiel die Ereignisse rund um den weiteren Erwerb von Anteilen an der Telekom Austria durch den Mexikaner Carlos Slim. Zuvor hatte Muhm immer wieder postuliert, dass die Telekom „auf guten Beinen“ stünde und „auf gutem Kurs“ sei. Kurze Zeit später musste ebendieses Unternehmen eingestehen, dass es tief in die Verlustzone gerutscht ist. Und in der Politik gab es allgemein hörbares Aufatmen darüber, dass Slim dem Konzern mit einer großzügigen Kapitalspritze zur Seite steht.

Für Werner Muhm ist diese Episode also nicht so besonders imagefördernd gewesen. Trotzdem beißt sich Rudolf Kaske an ihm die Zähne aus. Für den Arbeiterkammer-Präsidenten besonders ärgerlich: Muhm will sich partout nicht an diskrete politische Abmachungen halten. Zum Beispiel an jene, die seine eigene Nachfolge in der Arbeiterkammer betrifft.

Es ist nämlich so, dass Maria Kubitschek schon heuer Werner Muhm als Arbeiterkammer-Direktorin hätte beerben sollen. Sie war lange Jahre in der Arbeiterkammer, bevor sie im Februar 2011 Kabinettschefin der damaligen SPÖ-Verkehrsministerin Doris Bures wurde.
Dort blieb sie allerdings nicht ganz drei Jahre. Seit Anfang 2014 leitet sie den Bereich Wirtschaft – in der Arbeiterkammer. Der (politisch paktierte) Hintergrund: Kubitschek sollte im Lauf des Jahres Muhm als Direktor(in) der Arbeiterkammer Wien nachfolgen.

Schmeck's. Muhm hat seine Funktion nach wie vor und denkt auch nicht daran (siehe oben), das Geheimnis um seinen Pensionsantritt zu lüften. Derweil werden in den Medien immer wieder neue Namen als potenzielle Muhm-Nachfolger für den Tag X lanciert. Nur der Name Maria Kubitschek kommt da nicht vor. Ob das ein Zufall ist?

Die Frage ist, wie lang das so weitergehen wird. In der Arbeiterkammer werden jedenfalls schon Wetten darüber abgeschlossen, ob Muhm tatsächlich 2015 in den Ruhestand geht. Kleiner Insider-Tipp: Generell überwiegt die Meinung, dass es so kommen wird.

Warum? Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens ist Rudolf Kaske im September mit 97 Prozent im Präsidentenamt bestätigt worden – womit er in der Angelegenheit kein unwesentlicher Machtfaktor geworden ist. Zweitens soll Doris Bures, mittlerweile Nationalratspräsidentin, alles andere als erbaut darüber sein, wie mit ihrer ehemaligen Mitarbeiterin umgegangen wird.

Drittens aber: Werner Faymann hat nach dem für ihn desaströsen Parteitag andere Sorgen, als ein Machtwort für Muhm auszusprechen. So dies überhaupt Gehör fände.
Gute, alte Zeiten: Als Muhm im Sommer 2012 von der damaligen ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter aus dem Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank hinausbugsiert wurde, hat dies noch zu einem heftigen Koalitionsstreit geführt. Auf der einen Seite: die ÖVP, die den roten Chefideologen Muhm partout nicht schmecken kann. Auf der anderen: der Kanzler, der auf den wirtschaftspolitischen Input Muhms vertraut – um nicht zu sagen: angewiesen ist.

Faymann setzte jedenfalls Himmel und Hölle in Bewegung, um seinen Vertrauten wieder in die Nationalbank zu hieven. Anfang 2013 war der großkoalitionäre Kuhhandel perfekt, und Muhm saß wieder im Generalrat.
Und wie wird das aktuelle Mysterium rund um seinen Arbeiterkammer-Job ausgehen? Das wird spannend und aufschlussreich.

So oder so.

("Die Presse", Printausgabe vom 13.12. 2014)

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