E-Control: Wettbewerbshüter auf der Hut

E-Control: Strom- und Gaskunden sind deutlich mobiler geworden
E-Control: Strom- und Gaskunden sind deutlich mobiler geworden(c) E-Control, Anna Rauchenberger
  • Drucken

Walter Boltz soll für geordneten Wettbewerb unter den Energieunternehmen sorgen. Die frohlocken schon: Angeblich soll Boltz' Vertrag nicht verlängert werden.

Bis zum März 2016 ist es natürlich noch lange hin. In der österreichischen E-Wirtschaft ticken die Uhren allerdings anders. Dort geht es zu, als würde besagter März unmittelbar vor der Türe stehen. Erstaunlich, was Vorfreude so alles bewirken kann.

Im März 2016 laufen die Verträge der beiden Chefs der E-Control aus. Die E-Control: Das ist jene österreichische Behörde, die seit dem Jahre 2001 dafür zu sorgen hat, dass es beim Wettbewerb in der Strom- und Gasbranche mit rechten Dingen zugeht. Von Anfang an war dafür Walter Boltz zuständig. Vor vier Jahren hat er mit Martin Graf einen Ko-Vorstand bekommen.

Dass die Branche dem März 2016 so heftig entgegenfiebert, hat einen triftigen Grund: Mit dem Regulator hat sie schon seit jeher keine besonders große Freude. Logisch: Jahrzehntelang haben die Energieversorger der Bundesländer wie die Maden im Speck gelebt. Die Versorgungsgebiete waren schön säuberlich aufgeteilt, der Verkauf von Energie war ohnehin ein Selbstläufer, das Geschäft brummte also wie ein Hochleistungs-Trafo.

Und dann kam die Marktliberalisierung. Wettbewerb, von der EU aufs Aug' gedrückt. Jammerschade um das gemütliche Leben.

Dafür kann der Regulator natürlich überhaupt nichts. Aber es ist nun einmal so, dass er seinen Job machen muss. Für die Branche ist er damit zum Feindbild Nummer eins geworden.

Und damit kommen wir zur Vorfreude in der Branche: Regulator Martin Graf dürfte recht fest im Sattel sitzen. Er ist mit einem „roten Ticket“ in die E-Control-Chefetage gefahren – die SPÖ dürfte an seinem Verbleib großes Interesse haben. Anders ist das für Urgestein Walter Boltz. Der ist seinerzeit von bürgerlicher Seite in die E-Control bestellt worden. Allerdings: In der ÖVP ist er nicht verankert. Er hat in seinem Lebenslauf „nur“ eine führende Funktion beim Beraterunternehmen Pricewaterhouse-Coopers vorzuweisen. Fachlich mag das durchaus für ihn sprechen, aber in Österreich – wir wissen ja.

Im zuständigen Wirtschaftsministerium gibt man sich ob der Anfrage zurückhaltend bis erstaunt: Die beiden Posten würden via Headhunter ausgeschrieben werden, mehr sei dazu nicht zu sagen. In der Branche herrscht dennoch unverhohlene Jubelstimmung: Boltz' Vertrag werde nicht verlängert werden, heißt es allerorts. Die Kunde wird schon eifrig verbreitet, und auch einen Nachfolger soll es bereits geben. Nämlich Magnus Brunner. Der ist Jurist und Vorstand der OeMAG, Abwicklungsstelle für Ökostrom. Nicht zu vernachlässigen: Brunner war einst Büroleiter und Pressesprecher des Vorarlberger ÖVP-Landeshauptmanns Herbert Sausgruber. Seit 2009 ist er von Vorarlberg entsandtes ÖVP-Mitglied des Bundesrates.

Man wird sehen, die Sache wird eh erst im Herbst entschieden. Jedenfalls bleibt die Frage: Was in aller Welt hat Walter Boltz angestellt, dass seine Demontage so genüsslich betrieben wird? Aus Sicht der Branche, die er zu beaufsichtigen hat: jede Menge.

Von Anfang an wurde moniert, dass Boltz einer Art Machtrausch verfallen sei und also der Branche das Leben schwer mache. Ein besonderer Dorn im Auge der Energieunternehmen ist das Faktum, dass der Regulator nicht bloß die Marktöffnung beaufsichtigt, für Versorgungssicherheit sorgt und Netztarife festlegt (wie dies die Binnenmarktrichtlinie vorschreibt). Nein, Boltz habe es sich von Anfang an zur Aufgabe gemacht, als „Robin Hood“ der Konsumenten zu agieren. „Er ist viel umfassender als seine europäischen Kollegen tätig“, sagt ein Branchenvertreter, der namentlich nicht genannt werden will – denn das öffentliche Anschütten des Wettbewerbshüters geziemt sich natürlich überhaupt nicht. Jedenfalls: Boltz habe die E-Control – unerhört – zu einer Anlaufstelle für Konsumenten gemacht, was man ja am Beispiel des Tarifkalkulators gut sehen könne. Der ist online abrufbar und soll Konsumenten beim Wechsel ihres Energieversorgers behilflich sein.

Seit Jahren hat Walter Boltz also in der Branche ähnliche Beliebtheitswerte wie ein flächendeckender Blackout. Doch vor wenigen Wochen, Mitte März, hat der Regulator der Branche so etwas wie den finalen Stromschlag verpasst. Da hat er nämlich öffentlich eine sogenannte Whistleblower-Plattform ins Leben gerufen. Dort können verärgerte Konsumenten anonym ihrem Zorn freien Lauf lassen.

Klingt gut, kommt in der Öffentlichkeit auch gut an – bringt die Branche aber total in Rage. Immerhin wird mit der Plattform insinuiert, dass Konsumenten den Zorn ihres Versorgers zu fürchten hätten, so sie sich mit Namen und Adresse beschweren. Da hat es Walter Boltz wohl ein bisschen zu gut gemeint.

Den Energieversorgern kann's freilich nur recht sein. Schon vor Jahren haben sie versucht, sich des unbequemen Regulators zu entledigen. Angeblich waren damals die Landesfürsten von Niederösterreich und Wien, Erwin Pröll und Michael Häupl, schwer dahinter. Eh klar: Macht man „ihren“ Landesversorgern das Leben schwer, schlägt das voll auf die Landesfinanzen (in Form von geringeren Dividenden) durch. Walter Boltz blieb dennoch im Sattel, dafür wurde er immerhin aufgrund des installierten Ko-Vorstands Martin Graf quasi entmachtet.

Und nun? Glaubt man den Branchengerüchten, soll Walter Boltz als Regulator bald Geschichte sein. Er selbst wollte dazu nichts sagen, für die „Presse“ war er nicht zu erreichen.

Allerdings: Sollte er das jüngste Arbeitsprogramm der rot-schwarzen Regierung studiert haben, dann hatte er ja eine gewisse Vorwarnung. Dort, auf Seite 31, findet sich nämlich ein höchst interessanter, schlanker Satz. Es geht um die Energiepolitik des Landes. Und um den Regulator. „Stärkere Konzentration der E-Control auf Regulierungstätigkeit“, steht dort schwarz auf weiß.

Heißt auf gut Deutsch: Der Regulator soll gefälligst das Aufhussen der Konsumenten bleiben lassen.

Die Landeschefs haben sich also offenbar durchgesetzt. Bei der E-Control wird in den nächsten Monaten wohl vieles anders werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.