Wifo: Wirtschaftsforscher + Politik = Zores

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Streit um die Vermögenssteuer hat nun auch das Wifo erfasst. Dem Institut wird wieder einmal ideologische Schlagseite vorgeworfen. Raiffeisen hat den Geldfluss an das Wifo gestoppt.

Die Internetplattform ist erst seit wenigen Wochen online. Doch sie erfreut sich regen Zuspruchs. www.faire-steuern.at tritt ja auch „für eine Versachlichung der Diskussion um Steuergerechtigkeit“ ein. Über 1000 Unterstützer haben ihre Unterschrift bereits virtuell deponiert.

Der Konjunkturexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Markus Marterbauer, ist darob höchst erfreut. „Obwohl ich mit der Sache nichts zu tun habe“, wie er betont. Stimmt: Die Plattform wurde von Silvia Angelo, Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik in der Arbeiterkammer, ins Leben gerufen. Angelo hatte sich über eine Kolumne in der „Kronen Zeitung“ vom 19. April empört, in der über Marterbauers Engagement für die Vermögenssteuer hergezogen worden war. Auf der Internetseite liest sich das so: „Gerade vonseiten des auflagenstärksten Blattes in Österreich ist beinahe schon eine Kampagne gegen die Vermögenssteuer und gegen Personen, die für sie eintreten, initiiert worden.“

Sachlichkeit rein, ideologisches Hickhack raus – so lautet also das Credo. Das ist durchaus löblich. Denn seitdem in Österreich die Diskussion über Vermögenssteuern vom Zaun gebrochen worden ist, bleibt kein Auge trocken. Politisch ist die Sache jedenfalls fein eskaliert, der Riss geht nicht nur durch die sonst so aufs Kuscheln bedachte Koalitionsregierung – auch innerhalb der SPÖ wird heftig gestritten. Und jetzt steht auch noch das Wifo im Kreuzfeuer der Kritik.

Angelo hat es mit ihrer Initiative also sicher gut gemeint. Blöd ist halt nur, dass die Unterzeichner ihres offenen Briefes politisch doch recht eindeutig deklariert sind: Neben den „üblichen Verdächtigen“ in der SPÖ – den Gewerkschaftern Wilhelm Haberzettl und Rudolf Kaske, SPÖ-Klubdirektor Herbert Ostleitner oder Ex-Wissenschaftssprecher Josef Broukal – sind auch etliche Grün-Politiker wie Terezija Stoisits, Karl Öllinger oder Alexander Van der Bellen darunter. Sowie Christian Felber und Karin Küblböck von der Antiglobalisierungsbewegung Attac. Der Plattform scheint also weniger die Versachlichung der Diskussion gelungen zu sein. Vielmehr erhält Marterbauer dort Schützenhilfe von politischen Gruppierungen, die sich ihm offenbar nahe fühlen. Was das eigentliche Problem ist.

Doch Marterbauer stört die politische Schlagseite der Plattform überhaupt nicht: „Verteilungsfragen sind immer politische Fragen“, sagt er. Und: „Interessenvertretungen der Reichen haben zu solchen Themen eben weniger Zugang.“

Wifo-Chef Karl Aiginger sieht das offenbar nicht ganz so locker. Er hat bei der Plattform jedenfalls nicht unterschrieben. „Das ist grundsätzlich nicht mein Stil“, sagt er. „Ich bevorzuge die persönliche Auseinandersetzung.“ Ob es Marterbauers Image dienlich sei, dass politisch so klar Positionierte für ihn Stellung bezogen haben? Aiginger: „Dazu möchte ich nichts sagen.“

Muss er auch nicht. Der Wifo-Chef befindet sich nämlich ohnehin in einer äußerst heiklen Lage: Einerseits soll und will er Meinungsvielfalt im Wifo unterstützen. Andererseits wird die eindeutig ideologische Positionierung der stets in der Öffentlichkeit präsenten Wifo-Experten Margit Schratzenstaller, Stephan Schulmeister und vor allem von Marterbauer, der im Jahre 2002 auch Nationalratskandidat für die SPÖ war, vielerorts mit wachsendem Unbehagen gesehen. Zum Beispiel im Finanzministerium von ÖVP-Chef Josef Pröll, einem vehementen Gegner der „Reichensteuer“.

Das kann Aiginger deshalb nicht ganz egal sein, weil das Finanzministerium größter Geldgeber des Wifo ist: Im vergangenen Jahr etwa wurde das Wifo mit insgesamt 12,2 Millionen Euro bedacht – davon kamen 3,4 Millionen Euro vom Finanzministerium. Angeblich hatte Aiginger für heuer einen kräftigen Zuwachs dieser Mittel beantragt, doch das Ministerium winkte ab.

Ob dies bloß auf die generelle Sparsamkeit Prölls zurückzuführen ist? Gut möglich. Wenn's anders wäre, würde er sich hüten, das öffentlich kundzutun. Detto Raiffeisen: Der „Grüne Riese“ hat beschlossen, dass es heuer für das Wifo keinen Cent geben wird. Was der „Presse“ auch bestätigt wurde – über die Gründe gibt es aber nur Mutmaßungen: Angeblich soll intern kritisiert worden sein, dass man „die linke Wifo-Propaganda auch noch finanziell unterstützt.“ Für das Wifo ist der Rückzieher zwar kein Beinbruch: Raiffeisen hatte im Vorjahr nur 74.000 Euro an das Institut überwiesen. Das Signal freilich ist fatal. Zumal das Wifo schön langsam Argumentationsnotstand hat. Zuletzt hatten sich etliche ÖVPler darüber echauffiert, dass Marterbauer das Grundsatzpapier für „Reichensteuer-Hardliner“ Franz Voves mitverfasst hat. Marterbauer war vor einem Monat auch bei einer Pressekonferenz des steirischen SPÖ-Landeshauptmanns mit am Podium. Außerdem sitzt er in der neu installierten Steuerarbeitsgruppe der SPÖ.

Aiginger sagt, dass er mit alldem kein Problem hat: „Wir haben strenge Regeln im Haus. Mitarbeiter können sich durchaus politisch engagieren. Sie müssen nur dazu sagen, dass es sich um ihre persönliche Meinung und nicht um den Standpunkt des Wifo handelt.“ Aber kommt das auch bei der interessierten Öffentlichkeit so an? Aiginger: „Da kann ich die Medien nur bitten, die Dinge nicht zu vermischen.“

Marterbauer sagt, bei der Voves-Pressekonferenz sei betont worden, dass er dort als Privatperson anwesend sei. Und: „Wenn die Politik meine Argumente – für die es breiten wissenschaftlichen Konsens gibt – verwendet, dann freue ich mich darüber.“

Auf der Wifo-Homepage wird im Marterbauer-Lebenslauf übrigens kein Wort über seine seinerzeitige SPÖ-Kandidatur verloren. „Weil dort nur die wissenschaftliche Laufbahn beleuchtet wird“, sagt Marterbauer. Aiginger betont, dass in den Biografien „Privatsachen“ nicht verbreitet würden. „Dass ich gerne Fußball spiele, steht ja auch nicht in meinem Lebenslauf.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2009)

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