Irritationen im Raiffeisen-Reich

Heinrich Schaller, mächtiger Raiffeisen-Boss, fehlte bei einer entscheidenden Sitzung.
Heinrich Schaller, mächtiger Raiffeisen-Boss, fehlte bei einer entscheidenden Sitzung.(c) Michaela Bruckberger
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Eigentlich hätte die Fusion von RZB und Raiffeisen International vergangene Woche offiziell beschlossen werden sollen. Doch bei dem wichtigen Termin fehlte ausgerechnet die Schlüsselperson: Heinrich Schaller ließ sich entschuldigen.

Für große Ereignisse braucht's starke Nerven, keine Frage. Oft ist es aber so, dass das Nervengerüst aller möglichen beteiligten Personen eher nicht so stabil ist, weil es sich eben um ein so großes Ereignis handelt. Man sieht also: Der gemeine Teufelskreis kennt keine Gnade.

Kommen wir von der Theorie zur Praxis: Die geplante Fusion der Raiffeisen-Spitzeninstitute ist da ein ganz gutes Beispiel. Bekanntlich soll die Raiffeisen Zentralbank (RZB) mit ihrer börsenotierten Osteuropatochter Raiffeisenbank International (RBI) fusioniert werden. Und die Nerven aller Beteiligten sind bis zum Anschlag gespannt. Die Herrschaften im Reich des „grünen Riesen“ haben ja in den vergangenen Monaten auch jede Menge Probleme zu bewältigen gehabt. Da war zunächst die Frage, wer mit wem fusioniert. Dann ging es darum, ob auch alle an einem Strang ziehen. Und schließlich auch um die Frage, wer denn überhaupt der starke Mann im neuen Konglomerat sein soll.

Klar ist, dass RZB-Chef Walter Rothensteiner und RBI-Chef Karl Sevelda das – aus Altersgründen – eher nicht sein werden. Wer dann? Da gibt es eigentlich nur einen, der in Frage kommt: Heinrich Schaller nämlich. Seines Zeichens Chef der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich.

Schaller ist also der logische Kronprinz, was freilich nicht ganz unbrisant ist: Schaller zeigte sich lange Zeit höchst skeptisch gegenüber den Fusionsplänen. Mittlerweile scheint er aber überzeugt worden zu sein.

Vergangene Woche sollten also endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden: Am Dienstag war eine Aufsichtsratssitzung der RZB anberaumt, am Mittwoch folgte die RBI. Maximale Aufregung also bei Raiffeisen, ebenso unter den Journalisten. Die Fusion von RBI und RZB stehe bevor, hieß es unisono.

Es kam dann doch anders. Die Entscheidung über die Fusion wird nun erst Anfang Oktober erwartet. So stand es in einer dürren Aussendung, die Raiffeisen an Journalisten verschickte. Begründung für den weiteren Zeitbedarf gab es keine.

Man möchte sich die Nervenprobe, die die Raiffeisen-Granden gerade durchmachen, gar nicht ausmalen. Am vergangenen Mittwoch bestand sie jedenfalls darin, dass bei der Aufsichtsratssitzung ein entscheidendes Mitglied einfach fehlte: Heinrich Schaller hatte sich entschuldigen lassen. Mit der Begründung, dass er zur Voest-Aufsichtsratssitzung ins texanische Corpus Christi fliegen müsse.

Dass man bei Raiffeisen über diese „merkwürdige Prioritätensetzung“ einigermaßen irritiert war, ist noch eine vornehm zurückhaltende Beschreibung der Stimmungslage. Wohl war Schaller tags zuvor bei der RZB-Sitzung dabei gewesen. Aber dass er, die Schlüsselfigur in dem ganzen Prozedere, auch am Mittwoch dabei sein würde – davon war man eigentlich ausgegangen. War er aber nicht. Schaller fehlte und hatte einem anderen Aufsichtsratsmitglied eine Vollmacht erteilt.

Das muss man erst einmal verdauen – siehe angeschlagenes Nervenkostüm. Und bei Raiffeisen gibt es seitdem Fragen über Fragen: War's eine Brüskierung Schallers? War's tatsächlich bloß eine ärgerliche Terminkollision? Hatte er nur aus Gründen der Höflichkeit den Voest-Termin wahrgenommen, weil der von ihm früher zugesagt worden war? War's gar eine Machtdemonstration des Oberösterreichers?

An Erklärungsversuchen mangelte es also nicht, die Sache ist ja auch durchaus mysteriös. Wie auch immer: Vermutlich wäre die Aufregung über Schallers Fernbleiben auch rasch wieder abgeebbt – wie das halt beim Nervenflattern so ist. Wäre nicht wenige Tage später eine zusätzliche Information durchgesickert, die erneut für Stirnrunzeln sorgte: Schaller war gar nicht in Corpus Christi. Wohl hatte er dort zugesagt, an der Aufsichtsratssitzung teilzunehmen. Aber er hat den Flug über den Atlantik nie angetreten.

Das macht stutzig. Wieso war Heinrich Schaller nicht bei dem Termin, der ihm offenbar wichtiger war als jener bei Raiffeisen? „Das hatte krankheitsbedingte Gründe“, beeilt sich Schallers Sprecher klarzustellen. Sonst keine.

Man sieht also: Die Nerven liegen offenbar bei allen blank. Am Ende sollte sich aber alles wieder in Wohlgefallen auflösen. Vielleicht legt Heinrich Schaller ein ärztliches Attest vor?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2016)

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