Feine Familie, feine Schlammschlacht

SCHLOSS ESTERHAZY
SCHLOSS ESTERHAZYAPA/ROBERT JAEGER
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Der Erbschaftsstreit in der Familie Esterházy ist schon legendär. Jetzt wurde mit einem Gutachten aufmunitioniert. Sukkus: Viele Unternehmen des Imperiums schreiben Verluste, Teile des Vermögens befinden sich nicht mehr im Land.

Macht Geld glücklich? Mit dieser Frage beschäftigen sich seit Menschengedenken Philosophen, Lebensberater und Seifenopern. Eine österreichische Familie, deren Name gleichsam als Synonym für Reichtum gilt, kann die Frage wohl eindeutig beantworten: Geld hat der alten und weit verzweigten Familie Esterházy wahrlich kein Glück gebracht. Dafür jede Menge Streit.

Journalisten leben schon seit Jahrzehnten gut und gern von den nervenzerfetzenden Zores der „lieben Familie“. Das war schon so zu Lebzeiten von Melinda Esterházy, einst Österreichs reichster Frau. Seit ihrem Tod im Jahr 2014 erst recht. Ob noch irgendjemand einen Überblick über die zahllosen Prozesse hat? Auch egal – bei Gericht traf man sich jedenfalls vornehmlich aus Sorge um das stattliche Erbe, ein Milliardenvermögen.

Die Voraussetzungen für ein gedeihliches Miteinander sind nämlich nicht die besten: Melindas Ehe mit Paul Maria Aloys Esterházy de Galantha blieb kinderlos. Mitte der Neunzigerjahre, nach dem Tod ihres Mannes, gründete Melinda Esterházy zwar Stiftungen, um eine Zersplitterung des Vermögens – Kulturschätze, gigantischer Landbesitz, zahlreiche Immobilien, Weingüter und Unternehmen – zu verhindern. Aber: Als Verantwortlichen setzte sie ihren Neffen Stephan Ottrubay ein. Das kam und kommt in der Familie gar nicht gut.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein jahrelanger Streit, der zwischen Ottrubay und Paul-Anton Esterházy, dem Großneffen des 1989 verstorbenen Fürsten, tobt. 30 Jahre jung ist der Großneffe, er lebt und arbeitet in Deutschland – und führt so etwas wie einen Privatkrieg gegen Ottrubay. Weil Esterházy „ihm nicht zustehende Apanagen in bedeutender sechsstelliger Höhe lukrieren und Stiftungen in seinen Einflussbereich bringen will“, wie eine Sprecherin Ottrubays behauptet? Weil Esterházy sich „für das Familienvermögen verantwortlich fühlt und der Familie die Kontrollrechte entzogen wurden“, wie er selbst erklärt?

Wie auch immer. Dem Streit haben wir es jedenfalls zu verdanken, dass es nun auch wirtschaftlichen Einblick in das Konglomerat Esterházy gibt. Paul-Anton Esterházy hat nämlich Wirtschaftsprüfer Werner Albeseder mit einem Gutachten über das Unternehmen Esterházy beauftragt. Und Albeseder, einer informierten Öffentlichkeit als Finanzberater der ins Straucheln geratenen Schwedenbombenfirma Niemetz bekannt, hat nach Studium der im Firmenbuch offengelegten Jahresabschlüsse geliefert. 40 Seiten. Hinzu kommt noch eine üppige Darstellung der Jahresabschlüsse der Esterházy-Unternehmen. Sie alle liegen der „Presse“ vor.

Und sie zeichnen ein einigermaßen ernüchterndes Bild.

Über Arbeitsmangel konnte sich Albeseder jedenfalls nicht beklagen: Mittlerweile gibt es etliche Esterházy-Wirtschaftsstiftungen, die an insgesamt 48 Unternehmen beteiligt sind. Bei 28 dieser Gesellschaften wurde das Geschäftsjahr 2014 operativ mit einem Verlust abgeschlossen. Laut Albeseder beliefen sich die Verluste der defizitären Gesellschaften auf insgesamt 11,5 Millionen Euro. Der Betrag entspreche ziemlich genau den aus den Privatstiftungen im Jahr 2014 geleisteten Zuschüssen in Höhe von rund 11,7 Millionen Euro.

Interessant ist vor allem der Blick auf die Esterházy Betriebe GmbH, eine Art Holding und quasi Nukleus des „Konzerns“. Vor Rücklagenbewegungen gab es hier in den vergangenen Jahren regelmäßig Verluste. Zuletzt waren es rund 3,7 Millionen Euro Miese. Dafür werden dort 157 Beschäftigte gezählt, der Gutachter merkt an: „Es ist unklar, weshalb die Esterházy Betriebe GmbH so viele Mitarbeiter benötigt, zumal diese Gesellschaft lediglich die Funktion des konzerninternen Dienstleistungsunternehmens hat.“ Und: „Trotz der von Jahr zu Jahr steigenden Verluste steigen auch die Vergütungen der Geschäftsführer an.“ Erraten: Das betrifft Stephan Ottrubay.

Sei's drum. Für Paul-Anton Esterházy ist besonders alarmierend, dass Vermögen in der Schweiz gelandet ist – so jedenfalls die Conclusio des Gutachtens. Dies betreffe die Weinaktivitäten und den Immobilienbesitz.

Und das ging so: Ende 2013 wurde die East Wine Participation AG in Wien gegründet, die dann die ursprüngliche Esterházy Wein GmbH übernahm. Schon dieser Umstand lässt den Gutachter rätseln: „Für eine Gesellschaft innerhalb einer Unternehmensgruppe ist die Rechtsform einer AG höchst ungewöhnlich“, schreibt er. Im Jahr darauf wurden freilich 80 Prozent der Aktien dieser AG abgetreten: 45 Prozent an die East Wine (International) AG in Zug. 35 Prozent an die Sterling Holdings (International) in London. Jedenfalls die Abtretung an die East Wine (International) AG ist für den Gutachter „nicht nachvollziehbar“.

Ähnliches passierte im Immobilienbereich: Da gibt es die noch von Melinda Esterházy gegründete Coreal Immobilien Verwaltungs- und Beratungs GmbH, die Mitte 2008 in eine AG umgewandelt wurde. Der Gutachter: „Eine wirtschaftliche Begründung für die Umwandlung [. . .] ist nicht erkennbar.“ Allerdings weist er darauf hin, dass im April 2006 im Schweizer Kanton Zug die Esterházy Vermögensverwaltung AG gegründet wurde. In dieses Unternehmen sind letztlich Coreal-Aktien – „und damit umfangreicher Liegenschaftsbesitz“ – eingebracht worden.

So weit das Gutachten. Und was wird Paul-Anton Esterházy mit dieser Expertise machen? „Wir evaluieren noch“, sagt er. „Es ist uns auf jeden Fall ein Anliegen, dass die Öffentlichkeit zur Kenntnis nimmt, dass dort, wo Esterházy draufsteht, nur Ottrubay drinnen ist. Das Vermögen und das Erbe wird sicher nicht im Sinn von Onkel Paul V. und der Tradition der Familie Esterházy verwaltet.“

Die Sprecherin von Stephan Ottrubay will gegenüber der „Presse“ auf die Details des Gutachtens „im Einzelnen nicht eingehen“. Erstens, weil Ottrubay das Gutachten gar nicht bekannt sei. Und zweitens, weil hinter den Anschuldigungen ohnehin bloß eine große politische Intrige gewittert wird: Ende 2010 sah sich nämlich die Esterházy-Stiftung „gezwungen“, gegen das Land Burgenland Schadenersatzklage „wegen der Vernachlässigung des Schlosses Esterházy“ während der 40-jährigen Pacht einzureichen. Die Sprecherin: „Alle von uns angestrebten Einigungsversuche mit Landeshauptmann Hans Niessl waren davor erfolglos geblieben.“

Das Burgenland werde in dem Verfahren von Anwalt Gabriel Lansky vertreten, und einige Monate nach Klagseinbringung hätten die Angriffe von Paul-Anton Esterházy begonnen. Lansky habe in dem Verfahren „weitgehend idente Vorbringungen“ wie Esterházy formuliert. Es gebe offenbar gute Kontakte zwischen Niessl und Esterházy – „zahlreiche gemeinsame öffentliche Auftritte“ würden dies belegen.

Ein Ende des Streits ist also in weiter Ferne, Paul-Anton Esterházy sagt der „Presse“ auch, dass er „nicht aufgeben“ werde. Womit es für die eingangs gestellte Frage eine eindeutige Antwort gibt: Die Anwälte und Berater sind sicher glücklich.

(Print-Ausgabe, 22.10.2016)

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