AMS: Der Auftrag, die Millionen, der Streit

Auftrag Millionen Streit
Auftrag Millionen Streit(c) Clemens Fabry
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Das AMS lässt seine IT um einen dreistelligen Millionenbetrag aufrüsten – soweit der Plan. Doch die Ausschreibung zieht sich. Jetzt wurde sie überhaupt gestoppt: Ein Bieter soll bevorzugt behandelt worden sein.

Das Projekt ist kostspielig: Einen dreistelligen Millionenbetrag will das Arbeitsmarktservice (AMS) investieren, um sein IT-System auf den letzten Stand zu bringen.

Das Projekt ist auch streng vertraulich: Alle schweigen. AMS-Chef Herbert Buchinger bittet um Verständnis dafür, dass er zur laufenden Ausschreibung nichts sagen könne. Von den Bewerbern für den lukrativen Auftrag kam sowieso kein Mucks: Ihnen wurde gleich zu Beginn der Ausschreibung strengste Geheimhaltung auferlegt.

Wahrscheinlich ahnte man schon damals: Ein öffentlicher Auftrag dieser Größenordnung kann ohne Streit nicht über die Bühne gehen. Und da sind öffentliche Wortspenden sowie Informationen nach außen eher nicht so hilfreich.

Es kam jedenfalls, wie es kommen musste: Der Zuschlag für das Monsterprojekt erfolgte am 4.August dieses Jahres – er ging an IBM. Und seitdem fliegen die Fetzen, reihum: Die unterlegenen Bieter sind erzürnt, weil es ihrer Meinung nach bei der Ausschreibung nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Im ÖGB – er ist als Sozialpartner Miteigentümer des AMS – herrscht dicke Luft, weil der Zuschlag an IBM für eine ehemalige ÖGB-Firma das Aus bedeutet. Und das AMS ist überhaupt außer sich: Die unterlegenen Bieter haben nämlich beim Bundesvergabeamt Einspruch erhoben und prompt eine einstweilige Verfügung erwirkt.

Seitdem herrscht beim AMS Alarmstufe Rot. Beim Bundesvergabeamt wurde händeringend argumentiert, dass man zur österreichischen Arbeitsmarktverwaltung eine funktionierende, effiziente IT benötige. Und zwar raschest. Jeder Monat Verzögerung verursache einen Schaden von mindestens 1,5 Millionen Euro. Und, letzter vermeintlicher Trumpf: Das verlorene Geld würde schließlich der Förderung von Arbeitssuchenden entzogen werden.

Doch das Vergabeamt blieb hart. Vermutlich deshalb, weil ein paar Monate Verzögerung in dem Fall auch schon wurscht sind. Die Geschichte der AMS-IT-Ausschreibung feiert nämlich demnächst ihr zweijähriges „Jubiläum“.

Zwei Jahre für ein Ausschreibeverfahren zu benötigen, das muss man einmal schaffen – zumal mit diesem Ergebnis. Doch das AMS-Projekt lief schon von Anfang an eher unrund.

Die Chronologie der reichlich langwierigen Geschichte lässt sich anhand von Bescheiden des Bundesvergabeamtes, die der „Presse“ vorliegen, recht gut rekonstruieren: Demnach erfolgte die AMS-Ausschreibung zur IT-Unterstützung am 9.Dezember 2008. Erstmals. Bisher war nämlich eine Siemens-Tochter jahrelang für die AMS-IT zuständig gewesen. Was nicht unpraktisch war: In der Firma amsbg (Arbeitsmarktservice BetriebsgmbH) ist nämlich schon vor Jahren die EDV GmbH eingebracht worden – eine ehemalige Firma des ÖGB, die im Zuge der Bawag/ÖGB-Krise verkauft wurde.

Die Gewerkschafter mussten sich also um die Mitarbeiter ihrer einstigen Beteiligung keine Sorgen machen: Die amsbg konnte jahrelang recht gedeihlich vom alleinigen Kunden AMS leben.

Doch das war einmal. Jetzt musste das AMS ausschreiben. Und plötzlich sieht die Zukunft des amsbg nicht mehr rosig aus.

In den Unterlagen zur Ausschreibung wurde zwar explizit darauf hingewiesen, dass zumindest innerhalb einer zwölfmonatigen Übergangsphase auf den bisherigen Dienstleister (amsbg) nicht verzichtet werden dürfe. Doch mittlerweile werden die Dinge offenbar nicht mehr so eng gesehen. Jedenfalls hat das AMS just jenem Bieter den Zuschlag gegeben, der ohne amsbg auskommen will: IBM.

Das ist irgendwie verständlich. Immerhin lag IBM bei seinem „Last and best Offer“ preislich eindeutig besser als seine Konkurrenten: IBM bot seine Dienste um 180 Millionen Euro an, T-Systems um 200 Millionen, Siemens um 230 Millionen.

Doch genau das ist auch der Grund für die Anfechtung der Zuschlagsentscheidung beim Bundesvergabeamt: IBM habe, so heißt es, eine wesentliche Bestimmung der Ausschreibung nicht erfüllt – nämlich die weitere Beschäftigung des bisherigen IT-Dienstleisters amsbg. Kein Wunder also, dass IBM billiger anbieten könne.

Überhaupt drängt sich bei den IBM-Konkurrenten der Verdacht auf, dass IBM beim Ausschreibeverfahren äußerst zuvorkommend behandelt wurde. Das hat was: Die Bescheide des Bundesvergabeamts, die die Historie der Ausschreibung genau nachzeichnen, können diese Vorwürfe jedenfalls nicht wirklich entkräften.

Das erkennt man schon an der großzügigen Handhabung der Angebotsfrist: Ende Mai 2009 gab es überarbeitete Ausschreibungsunterlagen; als Ende der Angebotsfrist wurde der 5.November 2009 vorgegeben. Die Frist wurde dann auf den 19.November verlängert – weil IBM mit dem Zeitplan nicht zurechtkam.

Angeblich lag IBM bei den Erstgeboten an letzter Stelle, beim „Last and best Offer“, das am 11.Mai 2010 eingereicht werden musste, kam es beim IBM-Offert allerdings zu einer wundersamen Preisreduktion um 50 Prozent. Die Konkurrenten wunderten sich: Von Gesetzes wegen hätte das AMS den Bieter IBM ausscheiden müssen. Denn entweder war das Erstgebot unangemessen hoch oder das Letztgebot unangemessen niedrig. Jedenfalls sei eine plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises nicht gewährleistet.

Als am 4.August schließlich der Zuschlag erfolgte, kam es wieder zu Merkwürdigkeiten: Das AMS gab nicht bekannt, wie IBM bei anderen, qualitativen Kriterien abgeschnitten hat – was dem Bundesvergabegesetz widerspricht.

Bleibt nur die Frage, wieso die Auftraggeber IBM zugetan sein sollten. In der Gewerkschaft wird gemunkelt, Wolfgang Katzian, mächtiger Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten, habe persönlich für IBM Druck gemacht. Andere Gewerkschafter zürnen: Immerhin würde der IBM-Zuschlag 200 Arbeitsplätze bei der amsbg kosten – schlimm genug. Hinzu komme aber, dass es sich um Mitarbeiter einer ehemaligen Gewerkschaftsfirma handelt – das sei gleichsam Kindesweglegung. Katzian selbst konnte dazu nicht befragt werden: „Zur AMS-Ausschreibung sag ich sicher nichts“, lässt er der „Presse“ ausrichten.

„Kein Kommentar“ ist auch alles, was dem Chef des Vergabeamtes, Michael Sachs, zu entlocken ist. Bis Ende Oktober wird das Amt in der Angelegenheit entscheiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2010)

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