SPÖ vs. ÖBB-Chef Kern: Rachegelüste unter Genossen

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Die SPÖ hat ein Problem mit einem ihrer Genossen: mit dem allzu ehrgeizigen ÖBB-Chef Christian Kern. Wie das Leben so spielt: Jetzt nimmt der Rechnungshof Kerns Vergangenheit im Verbundkonzern unter die Lupe.

Am Anfang war das Gerücht. Das war vor ziemlich genau einem Jahr, und das Gerücht besagte: Christian Kern, damals noch relativ neuer ÖBB-Chef, soll nächster SPÖ-Bundeskanzler werden.

Das Gerücht klang reichlich obskur. Wie es zustande gekommen war, konnte auch nicht eruiert werden: Manche behaupteten, Kern habe dies selbst in vertrautem Kreise angekündigt. Andere wiederum meinten, in der SPÖ gebe es nicht wenige, die so ein Szenario gutheißen würden: Kanzler Werner Faymann hat ja nicht gerade das Zeug dazu, Intellektuelle scharenweise für die Partei zu begeistern. Der smarte Christian Kern hingegen – der wäre schon aus einem ähnlichen Holz wie weiland Franz Vranitzky geschnitzt.

Die Sache wurde schlussendlich publik – und SPÖler Kern dementierte prompt: „Ich habe mich vor einigen Jahren dazu entschlossen, Manager zu sein und nicht Politiker“, sagte er. Nachsatz: „Und das soll auch so bleiben.“

Seitdem ist das Gerücht in Vergessenheit geraten. Und die schöne Geschichte könnte damit eigentlich auch zu Ende sein.

Seit einigen Monaten macht sie allerdings wieder die Runde. Und zwar deshalb, weil aus der SPÖ in regelmäßigen Abständen so ganz und gar nicht freundliche Wortspenden über den einstigen Shootingstar Kern kommen. Weil sich Werner Faymann vor ihm fürchtet? Weil Kern neuerdings auf Tuchfühlung mit ÖVP-Regierungsmitgliedern geht? Weil Kern eine Medienpräsenz hat, die Faymann schön langsam suspekt wird?

Jedenfalls gab es kurz vor Ostern ein neuerliches Gerücht: Die SPÖ, so hieß es, suche akribisch nach Wegen, um den offenbar (zu) ehrgeizigen Christian Kern in die Schranken zu weisen. Faymann-Getreue seien diskret auf der Suche nach schwarzen Flecken auf Kerns ach so weißer Weste. Kryptisch wurde darauf hingewiesen, dass Kerns Vergangenheit als Vorstand im Stromkonzern Verbund in Augenschein genommen werden sollte.

Auch das war – so schien es zumindest – nichts als ein bösartiges Gerücht. Nichts, das eine weitere Verfolgung wert wäre. Bis jetzt. Denn im Verbundkonzern spielt sich gerade recht Seltsames ab.

Wie's der Zufall so will, wurden am Montag dieser Woche Vertreter des Rechnungshofes im Stromkonzern vorstellig. Das ist natürlich ihr gutes Recht: Der Verbund gehört der Republik zu 51 Prozent, und da darf die oberste Kontrollbehörde schon dann und wann ein wachsames Auge auf die Gebarung des Unternehmens werfen.

Trotzdem war die Überraschung im Stromunternehmen groß. Zumal die freundlichen Herren vom Rechnungshof über keinen schriftlichen Prüfauftrag verfügten, was doch einigermaßen ungewöhnlich ist. Und die Frage nach dem Auftraggeber der Prüfung wurde auch eher unbefriedigend beantwortet: Der Rechnungshof sei von sich aus tätig geworden, hieß es lakonisch.

Klartext wurde hingegen beim Gegenstand der Prüfung geredet: Es gehe um das Auslandsgeschäft des Verbund-Konzerns. Und zwar interessiert sich der Rechnungshof für das Auslandsgeschäft ab dem Jahr 2007.

Das ist just jenes Jahr, in dem Christian Kern in den Vorstand der Verbundgesellschaft gehievt wurde. Sein damaliger Zuständigkeitsbereich – erraten: das Auslandsgeschäft.

Eine Sprecherin des Rechnungshofes bestätigte der „Presse“ gestern die Prüfung. Und damit auch alles seine Richtigkeit hat, werde es auch noch einen schriftlichen Prüfauftrag geben. Der wird halt nachgereicht, da darf man nicht kleinlich sein. Ende Mai werden die Verbund-Auslandsbeteiligungen dann in Augenschein genommen.

Das wird spannend. Denn die drei wesentlichen Beteiligungen, die der Stromkonzern im Ausland hat, geben schon länger keinen Grund zur Freude: In Frankreich und Italien werden rote Zahlen geschrieben, in der Türkei war dies bis zum letzten Jahr der Fall.

Keine Frage: ein echtes Problem. Aber wie sehr kann es Christian Kern angelastet werden?

Die Italien-Beteiligung wohl kaum. Das dortige Joint Venture Sorgenia, an dem der Verbund 44,8 Prozent hält, wurde 1999 gegründet. Jahrelang lieferte es auch Gewinne – doch mittlerweile macht der hohe Gaspreis Probleme: Sorgenia verfügt nämlich in erster Linie über Gaskraftwerke. Es muss also ein hoher Preis für Gas bezahlt werden, für den erzeugten Strom sind die Preise allerdings niedrig. Die Folge: 2001 machte der Verlust 3,3 Millionen aus, im ersten Quartal 2012 schon 14,7 Millionen Euro.

Das Sorgenkind Frankreich hat sich der Verbund im Jahre 2006 eingehandelt – also ein Jahr, bevor Kern Vorstand wurde. Allerdings: Die Anteile am dortigen Anbieter Poweo wurden bis zum Jahre 2009 auf 46 Prozent aufgestockt. Es war nicht der beste Schachzug.

Bei Poweo gab es gleich zwei Fehleinschätzungen: Erstens war der Verbund der Meinung, dass die Liberalisierung des französischen Strommarktes effektiver über die Bühne gehen würde – und dem Staatskonzern EdF Kunden abspenstig gemacht werden könnten. War aber nicht.

Fehleinschätzung Nummer zwei: Es wurden langfristige Verträge für den Gasbezug abgeschlossen. Und somit hat der Verbund mit den französischen Gaskraftwerken das gleiche Problem wie mit den italienischen: teures Gas, niedrige Preise für den damit produzierten Strom.

Von der Vertriebsgesellschaft in Frankreich hat sich der Verbund mittlerweile getrennt – angeblich wurden mit dem Abenteuer gut 100 Millionen Euro verbrannt. Und die Gaskraftwerke bleiben vorerst.

In der Türkei wurden 2011 exakt 47,3 Millionen Euro Verlust geschrieben. Dort hält der Verbund 50 Prozent am Energieunternehmen EnerjiSA. Operativ läuft alles bestens. Doch die Wechselkurse sind ein Problem – zumal von Hedging abgesehen wurde. Die Beteiligung wurde 2007, also unter Christian Kern, eingegangen.

Reicht das, um ihn karrieretechnisch ins Out zu befördern? Er selbst sieht die Rechnungshofprüfung „gelassen“, wie er sagt. „Gerade der Verbund hat eine Tradition, Entscheidungen sorgfältig im gesamten Management abzuwägen.“

Klingt plausibel, einerseits. Andererseits: Seit wann ist die politische Intrige sachlichen Argumenten zugänglich?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2012)

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