SuperMarkt: Der Pakt mit dem Teufel

(c) EPA (ANDY RAIN)
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Mit dem permanenten Rettungsschirm sollte der Euro stabilisiert werden. Komisch, rettet der Schirm doch nur jene, die keine Rettung verdienen. Was Kapitalismus kann, und wofür er nichts kann.

Nach monatelangem Zaudern wurde zu Beginn der vergangenen Woche endlich der Sack zugemacht, wie die im unermüdlichen Rettungseinsatz stehenden Europolitiker erleichtert feststellen durften: Der permanente Rettungsschirm namens „ESM“ (für Austrokanadier: EMS) ist beschlossene Sache, womit der Finanzwelt endlich jenes Signal ausgesandt werden konnte, das den Geldgebern die erhoffte Sicherheit bringen sollte. Ab jetzt haben nämlich die Wackelstaaten der Eurozone eine unbeschränkte Garantie in der Tasche, aus der Gemeinschaftskasse finanziert zu werden, falls die Märkte wieder verrückt spielen und schwächeren Ländern unverschämt hohe Zinsen abverlangen sollten.

An das große Geld kommen freilich nur jene Staaten, die strenge Auflagen akzeptieren, wie die Euro-Gruppe einmütig verspricht. Das ist aber noch nicht alles: Auch Banken, die sich auf den Märkten nicht mehr zu annehmbaren Kosten finanzieren können, dürfen künftig den von der europäischen Solidargemeinschaft gefüllten Geldspeicher anzapfen. Auch für sie gilt die Erfüllung strenger Auflagen.


Rettung für die Aktionäre. Das klingt vielversprechend. So sehen das auch die Vertreter von SPÖ und ÖVP, die den Rettungsschirm am Mittwoch mithilfe der Grünen absegneten. Und damit den rotweißroten Beitrag zum ESM in Höhe von 19,5 Milliarden Euro. Eine Summe, die dem Budgetdefizit Österreichs aus zwei Jahren entspricht – so viel Geld sollte der Republik die Sicherung des Euro auch wert sein.

Unglücklicherweise wird mit dem ESM aber nicht die Gemeinschaftswährung gerettet. Zu Hilfe geeilt wird den Gläubigern. Allen voran den Banken, die im großen Stil Schulden europäischer Staaten aufgekauft und nun in ihren Büchern stehen haben.

Was zu einer vergleichsweise paradoxen Situation führt, waren sich nach Ausbruch der Finanzkrise doch alle Experten einig, dass vor allem ein zentraler Konstruktionsfehler die Weltwirtschaft in regelmäßigen Abständen an den Rand des Abgrunds treibt: die ungeschriebene Verpflichtung, Banken von relevanter Größe vor dem Ruin zu bewahren, weil deren Untergang die Staaten mehr Geld kosten würde als für die Rettung der Institute einzusetzen ist. In ökonomischen Zirkeln laufen diese Banken unter „too big to fail“.

Ein Umstand, der die Geldhäuser seit Jahren hohes Risiko nehmen lässt. Warum auch nicht? Geht die Sache schief, werden die Kosten kurzerhand an die Steuerzahler delegiert. Dass dieser Prozess der staatlich organisierten Sozialisierung von Bankverlusten auch noch als „Auswuchs des Finanzkapitalismus“ durchgeht, hat freilich was. Würde die kapitalistische Lösung doch nur so aussehen, dass Kosten für Fehlinvestitionen dort bleiben, wo auch die Gewinne für riskante Transaktionen anfallen: bei den Eigentümern, den Investoren und deren Gläubigern.

Womit wir auch schon beim fundamentalen Problem des ESM angekommen wären: Aus „too big to fail“ wird „too bigger to fail“: Die Banken werden hochoffiziell dazu eingeladen, jedes Risiko zu nehmen und etwaige Verluste bei den solventen Eurostaaten abzuladen. So wie die Repräsentanten überschuldeter Staaten freundlich angehalten werden, ihren Reformeifer tunlichst zu zügeln. Was um Himmels willen sollte einen Regierungspolitiker der Eurozone auch dazu verleiten, seine Wiederwahl mit einer unlustigen Haushaltssanierung zu vergeigen, wenn am Ende ohnehin die Bürger aus den solideren Euroländern die Zeche bezahlen? Zumal die ach so strengen Auflagen wohl nur weitere Beruhigungspillen sind, die den verängstigten Bürgern in den Mund geschoben werden. Niemand weiß nämlich, wie diese Auflagen aussehen und wie deren Einhaltung durchzusetzen wäre.

Das alles führt auch dazu, dass 170 Ökonomen aus dem deutschen Sprachraum in einem offenen Brief an die Politiker appellieren, diesen ESM nicht zu ratifizieren. Den Aufstand proben nicht nur bekannte Euro-Nörgler, sondern eine ganze Reihe renommierter Ökonomen – wie Charles Blankart, Hans-Werner Sinn, der frühere DIW-Chef Klaus Zimmermann, Georg Milbradt oder Bernhard Felderer. Sie verweisen darauf, dass die Schulden europäischer Banken dreimal so hoch sind wie jene der Staaten. Besorgt zeigen sich die Wissenschaftler auch darüber, dass die Schuldnerländer längst die Kontrolle in der EZB übernommen haben. Diese Länder waren es übrigens auch, die den Rettungsschirm durchgedrückt haben.


Gut gewärmte Vorhölle. Der ESM ist in seiner aktuellen Fassung also nicht die Lösung. Eher eine Art Vorhölle, in der alle gescheiterten Investitionen der europäischen Staatengemeinschaft gebunkert werden, um dort von den Steuerzahlern entsorgt zu werden. Zu retten ist der Euro nur mit glaubhaften Reformen in den Mitgliedsländern, mit deren Hilfe die Haushalte langfristig finanzierbar bleiben.

Nicht schaden könnte freilich auch ein Insolvenzrecht für Banken und Staaten. Damit für alle Investoren unmissverständlich klar wird, dass sie es sind, die für genommene Risken einzustehen haben. Und nicht unbeteiligte Dritte – wie steuerzahlende Bürger.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2012)


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