Deficit Spending: Höhere Staatsausgaben auf Pump – na und?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wer sich angesichts höchst spendierfreudiger Parteien am falschen Planeten wähnt, sollte sich freuen. Die Welt soll ja schon 2012 untergehen. Schade – wo doch danach endlich alles gut geworden wäre.

Vielleicht stimmt es ja wirklich, dass uns zu viel Fernsehen nicht besonders gut tut. Schließlich werden wir mit vielen Dingen konfrontiert, von denen wir eigentlich gar nichts wissen wollten. Zu Beginn dieser Woche war beispielsweise im „History Channel“ ein langer Bericht über die unmittelbar bevorstehende Entschlüsselung der sogenannten „Nostradamus-Briefe“ zu sehen.

Ganz gelüftet ist das Geheimnis um die Weissagungen des Apothekers aus der Provence zwar noch nicht, aber so viel sei schon klar: Irgendwann zwischen 1992 und 2012 kommt es zu einer Planeten-Konstellation, die nur alle 13.000 Jahre zu sehen ist. Aus Sicht der im Beitrag befragten Fachleute geht es dabei um mehr als ein schnödes Naturschauspiel: Es ist der Zeitpunkt unseres Untergangs.

Wenn wir einmal davon ausgehen, dass die Erde noch nicht untergegangen ist (sowas müssten wir doch eigentlich merken, oder?), bleiben uns also im besten Fall noch knapp vier Jahre. Vielleicht ist auch schon früher aller Tage Abend. Kein Grund gleich schwarz zu sehen: So gut wie alles spricht nämlich für 2012. Die Untergangsexperten weisen schließlich ausdrücklich darauf hin, dass auch der Kalender der Maya mit dem 21. Dezember des Jahres 2012 endet – und das könne schließlich kein Zufall sein.

Eigentlich ganz schön knausrig

Mit ein wenig Galgenhumor sind unserem bevorstehenden Ende ja auch ein paar positive Aspekte abzutrotzen. So relativiert sich zum Beispiel sehr vieles. Wenn etwa im laufenden Wahlkampf keine einzige Partei mehr über die einst „dringend notwendige Entlastung des Mittelstands“ spricht, sondern alle nur noch in höheren Ausgaben und Staatsschulden die Lösung aller Probleme sehen, können wir ruhigen Gewissens fragen: Who cares? Höhere Defizite und neue Schulden – wen soll das in vier Jahren denn noch interessieren? In diesem Sinne erscheinen die oft kritisierten Wahlgeschenke wieder in einem ganz anderen Licht. Ganz schön knausrig eigentlich.

Andererseits ist es freilich auch verdammt schade, dass 2012 alles aus sein soll. Schon deshalb, weil wir all die schönen Jahre, die da kommen mögen, nicht mehr erleben würden. Das gilt besonders für uns Österreicher. Nach 2012 wäre das Leben nämlich ausgerechnet in unserm Land wieder so richtig lebenswert – sagt die Politik.

So würde der von der ÖVP seit dem Jahr 2000 versprochene „ausgeglichene Staatshaushalt über den Konjunkturzyklus“ endlich Realität werden, wie Finanzminister Wilhelm Molterer verspricht. Der Begriff „Konjunkturzyklus“ könnte freilich leicht zu Missverständnissen führen: Als „ausgeglichen“ gilt der Staatshaushalt hierzulande jedenfalls, wenn in einem einzigen Jahr ein Mini-Überschuss übrig bleibt. Zyklus hin oder her. Wer also künftig von seinem Bankberater mit der blöden Frage konfrontiert werden sollte, wann denn das Minus auf dem Konto ausgeglichen sein wird, hält sich am besten an den Staat und antwortet: „Was soll das denn? Letzten Monat war das Konto ohnehin mit drei Euro im Plus!“

„Verdiente“ Entlastungen

Dass der Staat weniger ausgibt als er einnimmt, kommt in Österreich nicht viel öfter vor als die von Michel de Nostredame errechnete Planeten-Konstellation. Ausgerechnet dann, wenn es wieder so weit sein wird, sollen wird nicht mehr dabei sein dürfen? Zu blöd. Denken wir nur an all die Möglichkeiten, den zu erwartenden Überschuss in neue Ausgaben zu verwandeln.

Frühestens 2012 hätte es als Ergebnis 40-jähriger Dauersubventionierung der ÖBB auch der erste Zug in zwei Stunden von Wien nach Salzburg geschafft. Zudem wäre es in diesem Jahr wohl auch mit der längst fälligen Entlastung so weit gewesen. „Die Steuerreform müssen wir uns ja erst verdienen“, wie wir immer wieder zu hören bekommen. Stimmt. Mit „wir“ sind jene gemeint, die noch Steuern zahlen – und die müssen sich jene Steuerentlastungen, die ihnen die politische Elite nach den Wahlen eventuell gewähren könnte, wirklich erst „verdienen“ – im wahrsten Sinne des Wortes. In vier Jahren wäre das vielleicht zu schaffen gewesen.

Wenn 2012 die Welt untergehen sollte, käme das auch deshalb ungelegen, weil sich just dann die Lage am Pensionssektor entspannt hätte. Sagen jedenfalls SPÖ und ÖVP, die deshalb ja auch die „Hacklerregelung“ bis 2013 verlängert haben. Bis dahin hätten wir durchhalten müssen – dann wäre der Personalüberhang im öffentlichen Dienst, den Staatsbetrieben und der „Privatwirtschaft“ auf Kosten jüngerer Generationen abgebaut gewesen. Womit die Zeiten der sozialen Kälte, in denen „die Menschen“ mit „unnötigen Reformen“ gequält werden, endlich ihr Ende gefunden hätten.

Aber wer weiß – vielleicht wird es ja auch dieses Mal nichts mit dem Untergang. Schließlich haben uns die Konstellationen der Planeten ja auch vor 13.000 Jahren in Ruhe gelassen. Dann könnten wir ja schauen, ob in der übernächsten Legislaturperiode alles besser wird – so wie uns das die heute für die nächste Arbeitsperiode zur Wahl stehenden Politiker versprechen.


franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2008)

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