Kaufen Sie österreichisch?

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Made in Austria(c) APA (WIRTSCHAFTSKAMMER OESTERREICH)
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Wer heute für den Kauf "inländischer" Waren eintritt, fordert spätestens morgen, nicht mehr bei "Ausländern" einzukaufen. Nicht Protektionismus, sondern unsozialer Nationalismus.

Der britische Premierminister Gordon Brown hat seinen Kopf als Erster aus der Deckung gestreckt. Angesichts der globalen Wirtschaftskrise, die seinem Land auf Jahre hinaus herbe Wohlstandsverluste bescheren wird, sah Brown die Zeit gekommen, seine Landsleute an ihre patriotischen Pflichten zu erinnern. Dazu gehört, bevorzugt Waren „Made in Britain“ zu kaufen. Auch der sympathische US-Präsident Barack Obama wollte etwas für „echte“ Amerikaner tun und dachte laut darüber nach, nur jenen Firmen staatliche Konjunkturspritzen zu verpassen, die „echten amerikanischen“ Stahl einsetzten. Ähnliches spielt sich derzeit in Frankreich und anderen Ländern ab.

Nun spricht freilich nichts dagegen, wenn Regierungschefs Waren und Dienstleistungen ihrer Heimatländer bewerben. Allerdings haben wir es nicht wirklich mit einer PR-Tour für die britische oder amerikanische Wirtschaft zu tun – sondern mit einer Rückkehr zu einem unsozialen Nationalismus der besonderen Art. Die Regierungschefs nutzen die Wirtschaftskrise dazu, der Bevölkerung vorzugaukeln, „heimische Arbeitsplätze“ (die haben neuerdings offenbar einen Reisepass) sichern zu können, indem sie indirekt zum Boykott „ausländischer“ Ware aufrufen.

So etwas macht bei einer verängstigten Öffentlichkeit gewaltig Eindruck. Ganz nach dem Motto: „Die tun wenigstens etwas gegen die steigende Arbeitslosigkeit.“ Wohin das alles führen kann, zeigt ein aktueller Werbespot, mit dem gewerkschaftsnahe Lobby-Gruppen dieser Tage die USA überziehen. Darin wird öffentlich gegen ausländische Facharbeiter gehetzt. Im Original hört sich das so an: „Trotz Millionen von Arbeitslosen lässt unsere Regierung eineinhalb Millionen Ausländer ins Land, die die Jobs von Amerikanern einnehmen.“ Soll heißen: Hätten die USA keine Ausländer im Land, gäbe es 1,5 Millionen Arbeitslose weniger.

Ein derartiges Wirtschaftsverständnis ist keine amerikanische Spezialität. Eher schon eine europäische, um nicht zu sagen: eine durch und durch österreichische. Seit Jahren wettert die FPÖ gegen Zuwanderer, bis im Sommer des Vorjahres sogar Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) meinte: „Ich plädiere für den Stopp ausländischer Facharbeiter, solange es in Österreich Arbeitslose gibt.“ Wer also in einem unserer Nachbarländer lebt und auch noch etwas kann, soll sich gefälligst woanders Arbeit suchen.

Was kommt als Nächstes? Öffentliche Aufträge nur mehr an Firmen, die Inländern gehören und die keine Ausländer beschäftigen – wie etwa von einem kleinen österreichischen Bundesland im Dezember 2005 gefordert? Wie lange wird es dauern, bis der erste Politiker seine Landsleute offen dazu aufruft, in der Stunde der Krise nicht bei Ausländern oder bestimmten Volksgruppen einzukaufen? Hatten wir ja alles schon einmal.

Betretenes Schweigen

Bemerkenswert an der Sache ist nicht nur das auffallende Schweigen der ansonsten stets alerten Gemeinde der Besorgten. Auch Ökonomen halten sich auffallend zurück – mit Ausnahme von Nobelpreisträger Paul Krugman, der „Buy American“ für ziemlich gut hält.

Die Verbraucher werden mit derartigen Aufrufen freilich angehalten, im Inland hergestellte Waren zu erwerben, obwohl diese in minderer Qualität bzw. zu überhöhten Preisen angeboten werden. Wäre es anders, würden sie ohnehin gekauft werden – und kein Regierungschef müsste „Buy British“ oder „Kauft deutsch!“ propagieren. Dass Menschen dieser Tage Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes haben, ist absolut nachvollziehbar. Weniger verständlich ist, dass Politiker diese Ängste mittels nationalistischer Propaganda zur Steigerung der eigenen Popularität für sich zu nutzen versuchen.

Beginnt ein Land mit der Abschottung der eigenen Wirtschaft, versteht dies der Nachbarstaat als Einladung zur Revanche – bis die Sache außer Kontrolle gerät. Ein Weg, der in den sozialen und wirtschaftlichen Abgrund führt. Protektionismus macht nämlich alle ärmer. Bestes Beispiel dafür ist die Landwirtschaft: Wer (wie die USA und Europa) seine Agrarmärkte abschottet, die Herstellung landwirtschaftlicher Güter subventioniert, um anfallende Überschüsse mit weiteren Förderungen auf die Weltmärkte zu werfen, soll wissen, dass er damit afrikanische Bauern aus dem Markt katapultiert und in die Armut treibt.

Verbraucher in hoch entwickelten Ländern können dadurch zwar einige nicht konkurrenzfähige Landwirtschaften am Leben halten, zahlen dafür aber höhere Preise. Das führt freilich zu Wohlstandsverlusten. Ebenso verhält es sich mit der Abschottung der Märkte gegen asiatische Billigprodukte, wie Schuhe oder T-Shirts.

Schäbig an der Sache ist, dass sich nicht unterentwickelte Länder von dem übermächtigen Westen abzuschotten beginnen – sondern genau umgekehrt: Länder, die seit 60 Jahren in Frieden leben und deren Bürgern die Türen zu den besten Universitäten der Welt offenstehen, fürchten sich vor schlecht qualifizierten Arbeitern aus Staaten, die bis vor wenigen Jahren im ökonomischen Mittelalter hausen mussten und Freiheit für einen abstrakten Begriff hielten. Und Regierungschefs erwachsener Demokratien sind sich nicht zu blöd, die Wirtschaftskrise als Vorwand zu gebrauchen, um Konkurrenz aus Billiglohnländern zurückzudrängen – unter dem tosenden Applaus der Gewerkschafter.

Warum aber sollte das wissensbasierte Europa sein Heil in der Erzeugung von Billigschuhen, T-Shirts oder landwirtschaftlichen Produkten suchen und sich dann auch noch Konkurrenten mit Zöllen vom Leibe halten? Und wie sollten Vietnamesen, Brasilianer oder Rumänen (um einige zu nennen) zu bescheidenem Wohlstand kommen, mit dem sie irgendwann europäische Qualitätsware kaufen können, wenn sie bei uns weder arbeiten noch ihre technologisch unterentwickelten Güter verkaufen dürfen?

New Hampshire oder Waldviertel

Die Politiker, die nun nach Abschottung schreien, wissen genau, dass es sinnvoll ist, wenn weniger entwickelte Volkswirtschaften weniger entwickelte Güter herstellen, um diese in höher entwickelten Staaten zu verkaufen. So wie es sinnvoll ist, dass nicht jeder Bürger in Österreich seinen eigenen Tisch und Sessel zimmert, sondern das jemandem überlässt, der das besser und günstiger erledigen kann. Ob dieser Tischler im Waldviertel, in Sussex, New Hampshire oder Shanghai sitzt, ist nebensächlich. Es sei denn, man heißt Gordon Brown und bangt um seine Wiederwahl.


franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2009)

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