Supermarkt: Die Ohnmacht der Ökonomen

(c) Reuters (Toru Hanai)
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Die Marktwirtschaft wird für die Krise verantwortlich gemacht, während der Staat den Unschuldigen spielt. Und den Ökonomen die Konzepte fehlen.

Wenn von den Kurstafeln das Blut trieft, Millionen von Arbeitnehmern rund um den Globus auf die Straße gesetzt werden und mit den Banken die Leuchttürme des Kapitalismus vor der Verstaatlichung stehen, ist die Stunde der apokalyptischen Propheten gekommen. Wie etwa jene der Herren Ahmadinejad, Chávez und Morales, die in der Vorwoche das Ende der Marktwirtschaft vorausgesagt haben.

Die drei Freunde der totalitären Staatsführung treffen mit ihrer Prognose ziemlich genau den Mainstream der akademisch gebildeten Eliten des Westens. Kaum ein Tag, an dem nicht ein honoriger Professor den Staat aufforderte, noch stärker in die Wirtschaft einzugreifen, um sie wieder flottzukriegen.

John Maynard Keynes lässt grüßen. Seine Schlussfolgerungen aus der Großen Depression scheinen den einzigen Ausweg aus der Krise zu weisen. Ähnlich wie in den 30er-Jahren stecken wir laut Ökonomen auch heute wieder in einer „Liquiditätsfalle“: Wenn bei einem Zinssatz von null Prozent niemand mehr investiert und konsumiert, versagt die Geldpolitik und die Staaten haben über konzertierte Ausgabenprogramme die Wirtschaft anzukurbeln.

Elchtest gescheitert. Klingt plausibel, scheint aber nicht recht zu funktionieren. Seit Monaten werden Milliarden in die Wirtschaft gepumpt, es wird verstaatlicht, was das Zeug hält – von einer breiten Entspannung ist aber nicht viel zu sehen. Womöglich ist es für ein Urteil noch zu früh. Fest steht, dass Keynes' Theorien schon in kleinen Praxistests gescheiterten. In den 70er- und 80er-Jahren schnürten die Staaten riesige Konjunkturpakete – der Abschwung kam trotzdem. Japan versucht seit Beginn der 90er-Jahre, durch öffentliche Investitionen der Flaute zu entkommen – die Staatsschulden explodierten, der Aufschwung blieb trotzdem aus. Deutschland steckt Unsummen in den Osten, der aber noch immer nicht blühen mag.

Wo liegt das Problem? Die Politik steckt die öffentlichen Gelder nicht in die zukunftsträchtigsten Projekte. Sondern in jene, die vorübergehend am meisten Arbeitsplätze sichern. Bestes Beispiel dafür sind General Motors und Chrysler. Nur zwei Monate, nachdem die US-Steuerzahler die beiden Autoriesen vor der Insolvenz gerettet haben, betteln deren Chefs erneut in Washington um Hilfe. Kein Wunder: Die beiden Konzerne waren schon in Zeiten der Hochkonjunktur de facto bankrott. Statt sie pleitegehen zu lassen, wird Geld verpulvert, das produktiven Unternehmen fehlen wird, wenn sie kurzfristig in einen Liquiditätsengpass rutschen sollten.

Die „Konjunkturpakete“ dienen in erster Linie der Sicherung des sozialen Friedens und nicht der Ankurbelung der Wirtschaft. Das ist wohl unumgänglich – es wäre freilich besser, die Dinge beim Namen zu nennen als falsche Hoffnungen zu wecken. Die Zeiten werden rau. So oder so. Die „gemütliche“ Krise wurde nämlich noch nicht erfunden.

Wie es aussieht, stehen wir am Ende mit jeder Menge Schulden und einer hartnäckigen Flaute da. Historisch gesehen hat sich die öffentliche Verschuldung in den drei auf eine Finanzkrise folgenden Jahren stets verdoppelt. Oder wie der britische Historiker Niall Ferguson unlängst in einem Vortrag vor der liberalen Mont Pèlerin Society meinte: „Die Defizite steigen wie in Zeiten eines Weltkriegs – nur ohne Weltkrieg. Die Verschuldung vieler Staaten wird auf über 100 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen – das ist ein Keynesianismus, der Angst macht.“


Breite Ratlosigkeit. Ebenso beängstigend ist die Ratlosigkeit der Experten. Während die Marktwirtschaftler noch ihre Wunden lecken, predigen die Keynesianer unverdrossen den starken Staat (derselbe Staat hat übrigens die aktuelle Krise mit einer Niedrigzinspolitik und dem Fluten der Märkte mit billigem Geld überhaupt erst ermöglicht).

Das ändert nichts daran, dass die Marktwirtschaft ein überaus fehleranfälliges System ist. Allerdings das beste fehleranfällige System, das wir kennen. Ein System, das hunderte Millionen von Menschen aus der Armut geführt hat und bisher nach jeder Krise besser funktioniert hat als vorher. Darauf sollten wir vertrauen – bevor wir Experten à la Hugo Chávez und Mahmud Ahmadinejad nachlaufen und unsere Zukunft in deren Hände legen.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2009)


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