SuperMarkt: Große Klappe, leere Staatskasse

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Kommentar: Die Griechen müssen sich von ihren Euro-Partnern alle Schande sagen lassen. Unglücklicherweise wissen auch die Eurofinanzminister nicht, wie die Schuldenrückführung gelingen soll.

Die Erleichterung war förmlich greifbar. Nur wenige Stunden, nachdem Europas Führung vergangenen Sonntag nahezu geräuschlos die tragenden Säulen der Währungsunion niedergerissen hatte, schnellten die Aktienkurse in aller Welt in die Höhe, und der Kursverfall der Gemeinschaftswährung war gestoppt. Wären die Finanzminister nicht längst wieder in ihre Heimatländer abgerauscht, sie hätten sich ob der gelungenen Rettungsaktion wohl freudetaumelnd in den Armen gelegen. Schließlich haben sie enorm hohes Risiko genommen, in einer Situation, in der es um sehr viel ging. Glaubt man Österreichs Finanzminister Josef Pröll, dann stand Europa „vor einem Szenario wie in den 1930er-Jahren – die Arbeitslosigkeit wäre in 100.000er-Schritten gestiegen“.

Sollte Ihnen jetzt das Kipferl in den Kaffee gefallen sein, wäre es wohl an der Zeit, das Nervenkostüm ein wenig zu stärken. Die Sache ist nämlich – sorry – noch nicht ausgestanden. Indem die Euroländer den Pleitekandidaten aus ihren eigenen Reihen 750Milliarden Euro bereitstellen und damit das Problem der überschießenden Staatsverschuldung mit noch höheren Schulden zu lösen versuchen, ist leider noch nicht viel gewonnen. Im Gegenteil.

(c) Die Presse / GK


Exzessiver Ausgabenrausch. Die Eurozone leidet ja weder unter heftigen Spekulationen gegen schlecht haushaltende Staaten noch unter überharten Länderanalysen „amerikanischer“ Ratingagenturen. Sondern unter dem hemmungslosen Ausgabenrausch der nationalen Regierungen. Das ist die eigentliche Krise der Währungsunion, die unmittelbar nach deren Einführung ihren Lauf nahm und mit der Finanzkrise offensichtlich wurde.

Besonders schön sind die Folgen dieser Politik an Griechenland abzulesen: Einer brandaktuellen Erhebung des IWF zufolge müssten die Ausgaben gemessen an der Wirtschaftsleistung um 16Prozent sinken, damit das Land mit den Einnahmen die Ausgaben dauerhaft abdecken kann; die Zinsen für die Staatsschulden nicht berücksichtigt.

Mit diesem „strukturellen Defizit“ ist Griechenland nicht allein. Die dieser Tage gern als Euro-Musterknaben auftretenden Vertreter aus Deutschland und Österreich müssten in den nächsten Jahren ihre Ausgaben konsequent um vier Prozent der Wirtschaftsleistung zurückfahren (oder alternativ dazu die Steuern in derselben Größenordnung anheben), wollten sie ihr „Primärdefizit“ beseitigen. Mit anderen Worten: Schaffte es Österreich, seine Ausgaben um knapp zwölf Mrd. Euro zu drosseln, fiele nach Bezahlung der Zinsen noch immer ein Defizit in der Größenordnung von acht Mrd. Euro an.

Eine Aussicht, die selbst in der um Kalmierung bemühten OeNB für Unruhe sorgt. „Die Lage in Österreich ist zwar deutlich besser als in vergleichbaren Ländern, die Höhe des Konsolidierungsbedarfs ist aber doch überraschend“, wie Notenbank-Direktor Wolfgang Duchatczek die ihm bekannten IWF-Daten kommentiert. Die Unruhe der Notenbanker ist auch verständlich. Die Geldgeber an den Märkten sind derzeit ja weniger an der Höhe der Schuldenberge interessiert als an der Frage, wie die Länder die eingegangen Verpflichtungen zurückzuführen gedenken. Deshalb ist es beispielsweise für Irland einfacher, an den Märkten zu vergleichsweise vernünftigen Konditionen Geld zu bekommen als für Portugal. Irische Staatsdiener müssen längst mit Gehaltskürzungen zurechtkommen, während Lissabon noch kein Konzept hat, wie die Staatsausgaben zu senken wären, ohne das Land mit Ausschreitungen zu lähmen.

Knacker für den dicken Hund. Unglücklicherweise wissen auch die Eurofinanzminister nicht, wie die Schuldenrückführung gelingen soll. Die Frage, wie denn nun schon bisher vertragsbrüchigen Staaten (wie Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich oder Griechenland) zu glauben sei, dass sie ihre Budgetpläne künftig einhalten werden, bleibt unbeantwortet. Ein treuherziges „Jetzt aber echt“ wird wohl nicht mehr genügen. Vielmehr sind verwertbare Sicherheiten gefragt, die in der Lage sind, die Ausgabendisziplin zu erhöhen.

Die Gefahr, dass schwer defizitäre Euromitglieder die nötigen Einsparungen wieder aufschieben, weil ohnehin ein Notfallfonds bereitsteht, ist unübersehbar. Die Sache ist in etwa so, als legte man einem übergewichtigen Hund ein paar Knacker hin. Für den Fall, dass das trockene Diätfutter nicht seinen Geschmack finden sollte.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2010)


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