SuperMarkt: Kuscheln bis zur Staatspleite

SuperMarkt Kuscheln Staatspleite
SuperMarkt Kuscheln Staatspleite(c) APA / Fohringer
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Statt im Interesse ihrer Mitglieder dafür zu sorgen, dass dieser Staat nach Überwinden der Krise besser und günstiger verwaltet wird, ziehen es die führenden Sozialpartner vor, die budgetäre Lage schön zu reden.

Karl Aiginger ist wohl nicht das, was man unter dem Prototyp eines rücksichtslosen Radikalinksis versteht, der die Zukunft des Landes in düsteren Farben schildert, falls nicht rasch ein menschenverachtendes Sparpaket geschnürt werden sollte. Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts zählt vielmehr zu jener Garde von Ökonomen, die in bester österreichischer Tradition den Konsens beschwören und an die Lösungskompetenz der Institutionen glauben.

Mittlerweile scheint das Weltbild des Wifo-Chefs einigermaßen ins Wanken geraten zu sein. So ruft Aiginger angesichts der etwas ungemütlichen Budgetlage händeringend zu einem „nationalen Schulterschluss“ auf. Die an den Schalthebeln sitzenden Politiker und Interessenvertreter müssten endlich die Dramatik der Lage erkennen und sich bis zum Herbst darauf verständigen, wie sie die Lage zu meistern gedenken. Mit an den Verhandlungstisch müssten neben Vertretern der Länder auch jene der Sozialpartner. Schließlich gehe es um große Sparvorhaben und teure Investitionen in die Zukunft, so Aiginger.

Dem ist nicht zu widersprechen. Ohne Zustimmung der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter ist ein Staatshaushalt nicht zu sanieren. Weshalb sich Österreich ja auch die Sozialpartnerschaft leistet. Deren oberste Repräsentanten dürften das mit dem Schulterschluss allerdings grundlegend missverstanden haben. Statt gemeinsam längst fällige Reformen mitzutragen, beschwören Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und Gewerkschaftschef Erich Foglar die Regierung, das Land nur ja nicht „totzusparen“. Oder wie es Foglar so schön formulierte: „Das Land darf nicht in die Krise hineingespart, es muss vielmehr aus der Krise hinausinvestiert werden.“ Und das in einem Staat, dessen Ausgaben ohnehin auf Rekordniveau liegen.

Die Alternative zur Ausgabenbremse sehen die beiden führenden Sozialpartner darin, US-Ratingagenturen unter europäische Kuratel zu stellen und schleunigst eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Warum es diese Steuer braucht, erklärt der Präsident der Wirtschaftskammer so: „Wenn man eine Wurstsemmel kauft, zahlt man selbstverständlich Mehrwertsteuer. Wenn man eine Millionentransaktion auf dem Finanzmarkt tätigt, zahlt man nichts.“


Zinsen fressen Steuern auf. Abgesehen davon, dass das Land um einen Wurstsemmelvergleich reicher ist, drängt sich die Frage auf, ob mit der Umsetzung dieser beiden Vorschläge viel gewonnen wäre. Die Antwort darauf ist ein knappes, aber klares Nein. Die Einnahmen einer Finanztransaktionssteuer deckten nicht einmal annähernd die wachsenden Ausgaben für die steigenden Zinsen im Zuge der sich beschleunigenden Verschuldung ab. Und die Regulierung der Ratingagenturen wird die Märkte nicht davon abhalten, an der Zahlungsfähigkeit abgewirtschafteter Staaten zu zweifeln.

Was also wäre von verantwortungsvollen Sozialpartnern neben einer maßvollen Lohnpolitik zu erwarten? Vor allem einmal, dass sie ihren Steuer zahlenden Mitgliedern erklärten, warum der Staat in der schwersten Rezession seit Bestehen der Zweiten Republik die verdammte Pflicht hätte, alle öffentlichen Ausgaben auf deren Notwendigkeit hin zu überprüfen. Selbst wenn sich dabei herausstellen sollte, dass es keine blendende Idee ist, den Wohnbau jährlich mit drei Milliarden Euro Steuergeld zu subventionieren. Immerhin werden die Mittel nicht für den Wohnbau gebraucht, andernfalls könnten einige Länder diese Gelder nicht (erfolglos) auf den Finanzmärkten „veranlagen“.

Lohnend wäre es wohl auch, die Bürger darüber aufzuklären, warum es vernünftig ist, die Hacklerregelung zu kippen, das Pensionsantrittsalter anzuheben, Subventionen an ÖBB und Landwirtschaft zu kürzen, die Landesregierungen samt angegliederter Verwaltungsapparate aufzulösen und deren Aufgaben den Gemeinden zu übertragen. Wie viele Rehlein jedes Jahr ins Gras beißen müssen, wo gebaut werden darf und welche Bächlein zu regulieren sind, kann auch dort beantwortet werden.

Vermutlich wäre es auch kein allzu großer Schaden, wenn die Kammern mit gutem Beispiel vorangingen. Schließlich ist es den zahlenden Mitgliedern kaum zu erklären, warum sie in mageren Zeiten Bundes-, Landes- und unzählige Bezirkskammern zu finanzieren haben. Darüber hinaus könnten sich die Sozialpartner dafür einsetzen, dem Staat neue Einnahmen zu bescheren, ohne gleich die Steuern zu erhöhen. Wie das geht, hat die Schweiz gezeigt. Die Eidgenossen haben Wohlhabende und Superreiche mit attraktiven Steuersätzen ins Land geholt. Das war nicht populär, mittlerweile schultern blendend verdienende deutsche Zuzügler aber einen beträchtlichen Teil der Schweizer Abgaben. Das nennt man erfolgreiche Standortpolitik.

Statt im Interesse ihrer Mitglieder dafür zu sorgen, dass dieser Staat nach Überwinden der Krise besser und günstiger verwaltet wird, ziehen es die führenden Sozialpartner vor, die budgetäre Lage schön- und den Menschen nach dem Mund zu reden. So haben wir uns beherztes Handeln in schwierigen Zeiten schon immer vorgestellt.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2010)

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