SuperMarkt: Staatliche Geldfälscherei

SuperMarkt Staatliche Geldfaelscherei
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Von Deflation ist weit und breit nichts zu sehen, über Europa rollt eine Welle der Teuerung - zur großen Freude der Schuldnerstaaten. Und jener, die für die steigenden Preise verantwortlich sind.

Vor knapp zwei Jahren blickten führende europäische Ökonomen noch mit tiefen Sorgenfalten in die Zukunft. Die grassierende Finanzkrise steuerte gerade schwungvoll auf ihren Höhepunkt zu, darüber hinaus schien die europäische Wirtschaft in eine Deflation abzugleiten. In den Augen vieler eine Art „Worst-Case-Szenario“: Fallende Preise klingen zwar gut, wirken sich aber auf hoch verschuldete Haushalte (öffentliche wie private) verheerend aus. Im Zuge fallender Preise sind die hohen Schuldenberge mit sinkenden Einnahmen abzustottern. Ein ziemlich unangenehmes Unterfangen.

Um das zu verhindern, erwärmten sich auch „rechte“ Ökonomen für immer weitere Stimulierungsprogramme, deren Kosten absurde Ausmaße erreichten. Um das Gespenst der Deflation auch ganz sicher zu vertreiben, wurde schließlich noch ins finanzpolitische Atomwaffenarsenal gegriffen: Die Europäische Zentralbank öffnete alle Schleusen, drückte die Zinsen nach unten und kaufte großflächig die Schulden kaputter Staaten auf. Das, wie gesagt wurde und wird, um die Märkte mit ausreichend Liquidität zu versorgen und so einen jener Fehler zu vermeiden, die in die Depression der späten 1920er-Jahre führten.


Ein Seufzer der Erleichterung. Und siehe da: Heute ist von der Deflation weit und breit nichts zu sehen. Allerorts klettern die Preise in atemberaubender Geschwindigkeit nach oben, vor allem in Österreich. Allein in den vergangenen zwölf Monaten verteuerte sich der Einkauf eines Durchschnittshaushalts um sieben Prozent. Ein derartiger Kaufkraftverlust hätte in früheren Zeiten vermutlich zu Proteststürmen geführt, heute wird er stoisch zur Kenntnis genommen, wenn nicht gar mit einem leisen Seufzer der Erleichterung quittiert. Etwa in der österreichischen Regierungsmannschaft, die dank explodierender Preise zu deutlich höheren Steuereinnahmen kommt, mit denen sie die zu alten (niedrigeren) Preisen angehäuften Schulden bedienen kann. So etwas nennt man dann behübschend „Weginflationieren von Staatsschulden“.

Nun lässt sich auch bestimmt irgendwo ein gestandener Konservativer auftreiben, der diese unerfreuliche Entwicklung reuig als Resultat neoliberaler Exzesse erkennt. Schließlich wussten die Linken ja schon immer, dass freie Märkte zu steigenden Preisen führen müssen. Wie sonst würden sich hohe Profite finanzieren lassen? Eben. So werden wohl auch die verteuerten Lebensmittel in den Supermarktregalen mit der verantwortungslosen Zockerei in den globalen Spielhallen des Kapitalismus in Verbindung zu bringen sein, so schwer kann das doch gar nicht sein. Ist es auch nicht. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat längst ausgesprochen, was breite Massen denken: Profitrünstige Spekulanten prügeln die Nahrungsmittelpreise nach oben, auch wenn sich die Ärmsten der Armen die einfachste Mahlzeit nicht mehr leisten können. Und tatsächlich: Weizen und Mais sind heute mehr als dreimal so teuer wie vor zehn Jahren.

An diesem Punkt ist dann meistens auch schon wieder Schluss mit den messerscharfen Analysen. Tiefer muss nicht geschürft werden, der Täter ist ja längst überführt. Das freut besonders jene, die eigentlich hinter den unerquicklichen Kaufkraftverlusten stehen: Europas Gelddrucker. Verschlechterten im Mittelalter noch absolutistische Herrscherhäuser Gewicht und Feingehalt von Münzen, sind es heute staatliche Notenbanken, die in Absprache mit Regierenden den Wert des Geldes minimieren. Verteuert sich der Laib Brot um sieben Prozent, heißt das nicht, dass er plötzlich um sieben Prozent mehr wert wäre. Sondern dass die im Austausch angebotene Währung namens Euro um sieben Prozent an Wert verloren hat.

Das wiederum ist nicht so sehr das Ergebnis ungezähmter Märkte, sondern einer hoch riskanten Geldpolitik. Wird nämlich die Geldmenge kräftig ausgeweitet (dieses Aufblähen nennt sich „Inflation“), trifft dieses „Mehr an Geld“ auf ein konstantes oder nicht so rasch wachsendes Angebot an Waren und Dienstleistungen. Die Folge der überschießenden Nachfrage sind höhere Preise. Spekulanten kennen diesen Zusammenhang, weshalb sie sich rechtzeitig mit Rohstoffen eindeckten, womit sie den Trend steigender Preise verstärkten, aber nicht auslösten.

Den einkommensschwachen Bürgern hilft diese Erkenntnis freilich wenig. Sie trifft der Kaufkraftverlust in voller Härte, sie sind die größten Opfer der staatlichen Geldwertverschlechterung. Dafür können aber die staatsnahen Ökonomen wieder besser schlafen.



franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2011)


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