Lego als exotisches Investment? Eher gemein als genial

A Lego logo is seen outside the world´s biggest Lego store in Leicester Square in London
A Lego logo is seen outside the world´s biggest Lego store in Leicester Square in London(c) REUTERS (STEFAN WERMUTH)
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Rare Sets von Lego steigen oft stark im Preis. Es ist ein eigener Markt entstanden. Aber Vorsicht: Lego gehört ins Kinderzimmer – nicht in den Tresor.

Unter dem Christbaum, in Papier eingewickelt, sind alle Packerl gleich. Aber eine Firma aus Dänemark hat den Startvorteil. Millionen von Kindern erkennen Lego-Spielzeug schon am Schüttelgeräusch. Und nicht nur Kinder. Auch Erwachsene freuen sich über Lego. Vor allem, seitdem die bunten Plastikteile sogar als exotische Investment-Idee gelten.

Moment. Investment? Ja, Sie haben richtig gelesen. Zumindest müssen wir diesmal nicht erklären, worum es konkret geht. Lego kennt man, oder? Es gibt in diesem Markt auch keine komplizierten Finanzinstrumente, keine Derivate, keine Bankprodukte und keine schwindligen Pyramidenspiele. Noch nicht, zumindest. Was es aber gibt, ist Interesse. Großes Interesse.

Die Geschichte von Lego-Investments erzählt viel über die Welt nach dem großen Crash von 2008. Unsicherheit, Nullzinsen, Inflation und das Internet haben die Karten neu gemischt. Was früher eine kleine, fragmentierte Community von Sammlern und Nerds war, ist jetzt eine große Weltgemeinschaft von, nun ja, Sammlern und Nerds.

Angefangen hat der Hype mit einem Spielzeug aus der Lego-Reihe für die „Star Wars“-Filme. Mit dem sogenannten Millennium Falcon, einem Raumschiff. Das wurde von 2007 bis 2010 für damals 500 Dollar verkauft. Mit mehr als 5000 Einzelteilen gehört es bis heute zu den größten Sets, die die Firma aus Dänemark je hergestellt hat. Wer noch eines zuhause rumstehen hat und nie dazugekommen ist, die Verpackung zu öffnen, sollte jetzt aufpassen. Dieses spezielle Spielzeug kann man heute online nämlich um 4000 Dollar und mehr verkaufen. Es hat sich im Wert also verachtfacht. Nicht schlecht, oder?

Aber woher wissen wir eigentlich, wie viel ein bestimmtes Lego-Set heute wert ist, wenn es die vergangenen Jahre neu und ungeöffnet irgendwo gelagert wurde? Hier kommt das Internet ins Spiel. Denn erst die Website BrickPicker.com hat aus dem Hobby so etwas wie eine eigene Anlageklasse gemacht. Der Amerikaner Jeff Maciorowski hat sie ins Leben gerufen, nachdem seinem Bruder die teils gewaltigen Lego-Preissteigerungen beim Online-Auktionshaus eBay aufgefallen waren. Heute fließen diese Daten direkt in die Statistik von BrickPicker. Die Website verfolgt die Entwicklung von mehr als 13.000 unterschiedlichen Sets in Echtzeit. Das umfasst sowohl noch erhältliche als auch längst eingestellte Serien. Als BrickPicker ins Netz gestellt wurde, gab es bereits zwei Typen von erwachsenen Lego-Enthusiasten: Die einen haben die Boxen geöffnet und die Modelle auch wirklich zusammengebaut. Die anderen wussten bereits Bescheid über den massiven potenziellen Preisanstieg bei gewissen Serien. Diese zweite Gruppe reagierte ziemlich unwirsch auf die Schaffung eines zentralen, transparenten Marktplatzes für buntes Plastikspielzeug.

„Diese Leute haben ganz gut gelebt vom Handel mit Lego“, erzählt Jeff Maciorowski dem Portal inverse.com. „Es gab viele, die uns Hate-Mails geschickt haben und gesagt haben, dass wir stinken. Sie haben mehr Geld gemacht, bevor wir aufgetaucht sind, weil es weniger Konkurrenz gab.“ Wer hätte erwartet, dass Lego den Wert freier Märkte veranschaulichen kann?

Die Firma stand vor ein bisschen mehr als zehn Jahren sogar knapp vor dem Aus. Es fehlte an Innovation. Gleichzeitig gab es immer stärkere Konkurrenz um die Aufmerksamkeit von Kindern. Computer und das Internet, die Lego jetzt zu einer Nebenkarriere als Investmentvehikel verhelfen, hätten die Marke fast umgebracht. Es war erst der Schritt in Richtung lizenzierter Spezialprodukte, der Lego wieder in die grünen Zahlen brachte. Die erwähnte „Star Wars“-Reihe die erste dieser Art. Heute gibt es lizenziertes Lego zu „Ghostbusters“, „Jurassic World“, „Indiana Jones“, „Simpsons“, „Herr der Ringe“ und einer endlosen Reihe an Superhelden. Aber auch wenn so etwas wie Inflation eingesetzt hat – noch ist der Lego-Investmentmarkt nicht unter dem Angebotsdruck zusammengebrochen. Bei genauerer Betrachtung fällt es auch leichter zu verstehen, warum ausgerechnet Lego vom Spielzeug zum Asset mutiert. „Lego übertreibt es nicht bei der Produktion einzelner Sets“, sagt Jeff Maciorowski. „Es ist ein Rohstoff. Das Plastik verliert seine Farbe nicht, es funktioniert immer gleich, die Teile passen mit anderen zusammen und sind unzerstörbar.“


Diese Eigenschaft wurde Lego fast zum Verhängnis. So wie wir das Plastikspielzeug heute kennen, ist es erst seit den 1960er-Jahren auf dem Markt. Nach 30 Jahren waren die unzerstörbaren Plastikteile derart verbreitet, dass Eltern sie an ihre Kinder weitervererben konnten. Ihre fantasieanregende Rolle spielen diese Basic-Steine bis heute in Millionen von Kinderzimmern, wo daraus bunte Ritterburgen und Pirateninseln entstehen. Erst der Schritt zu einzigartigen (teils unter Lizenz verkauften) Sets konnte die angeschlagene Firma retten.

Keine Sekunde zu spät: Inzwischen sind sogar die Patente auf die Plastikteile abgelaufen, und chinesische Nachahmer fluten den Markt. Die oft nur in geringen Stückzahlen hergestellten ganz großen originalen Lego-Sets, die bei Sammlern und Anlegern besonders beliebt sind, macht das natürlich noch interessanter.

Wer jetzt gleich zum nächsten Spielwarenladen rennt, um sein Erspartes vor der Nullzinspolitik zu retten, sei gewarnt. Unterm Strich zählt Lego zu den Collectables, wie auch Weine, Oldtimer, Kunst oder Antiquitäten. Und auch wenn Spielzeug einsteigerfreundlich scheint – es gibt viel zu bedenken. So berichten Lego-Sammler, dass sie oft ganze Zimmer zur Lagerung ihrer Stücke benötigen. Der Handel ist zudem trotz Internet lokal fragmentiert. Auch die Anschaffungspreise fluktuieren von Land zu Land stark. Am Ende muss man seine Lego-Sammlung sogar versichern.

Was besonders dagegen spricht: Man sollte sein Hobby weder zum Beruf noch zum Investment machen. Das verdirbt den Spaß. Bevor ein besonders schönes Lego-Set originalverpackt rumsteht, sollte es besser als Geschenk unter dem Christbaum landen. Nicht alles muss zum Geldmachen herhalten. Und Spielzeug gehört in Kinderzimmer, nicht in den Tresor. 

E-Mails an:nikolaus.jilch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2016)

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