Windparks: Ein gigantischer Nachbar

Windparks
Windparks(c) EPA (Bjoern Sigurdsoen)
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Windparks sind in Österreich nicht unumstritten: Das Projekt TransWind setzt sich mit den Bedenken der lokalen Bevölkerung nun eingehend auseinander.

Sie sind groß, sehr groß, und schlank. Sie haben drei Arme, und es gibt sie zu Lande und zu Wasser. Windräder – in Österreich können sie bis zu 140 Meter hoch sein, die Länge eines Rotorblattes beträgt um die 60 Meter. Bewusst werden einem die gigantischen Dimensionen meist erst dann, wenn man in die Verlegenheit gerät, einen mit einem bloßen Rotorblatt beladenen Sondertransporter auf der Autobahn zu überholen.

Die Akzeptanz für die gigantischen Konstrukte ist Meinungsumfragen zufolge unter den Österreichern hoch: In den beiden Bundesländern mit der höchsten Konzentration an Windrädern (Burgenland und Niederösterreich) geben 82 Prozent der Befragten an, dass sie zukünftige Vorhaben für den Bau von Windkraftwerken gegenüber den übrigen Energieerzeugungsformen bevorzugen.

In der Tat sollen noch viele Windräder aufgestellt werden: Im Ökostromgesetz wurde festgelegt, dass die Windkraft in Österreich von rund 1000 Megawatt (MW) im Jahr 2010 auf 3000 MW im Jahr 2020 gesteigert werden soll. Um dieses Ziel zu erreichen, wird im Vorfeld neben Umweltverträglichkeitsprüfungen und diversen Verfahren auch die Zustimmung der Bevölkerung benötigt.

Gleichzeitig soll durch Zonierungspläne ein Wildwuchs der Windräder verhindert werden. In Niederösterreich wurde kürzlich ein Entwurf für die Zonierung vorgelegt. Dieser sieht vor, dass nur zwei Prozent der Landesfläche für die Windkraft ausgewiesen werden sollen. Laut Landesregierung wurden dabei Abstandsregelungen zu windkraftsensiblen Widmungsarten, die Interessen des Naturschutzes, der ökologische Wert des Gebietes, das Orts- und Landschaftsbild, der Tourismus, der Schutz des Alpenraumes und die Erweiterungsmöglichkeiten bestehender Windparks berücksichtigt.

Wie sieht es nun aus, wenn tatsächlich ein Windrad in einiger Entfernung des eigenen Wohnortes aufgestellt wird? Sind wir den gigantischen Nachbarn gegenüber dann tatsächlich tolerant? Nicht unbedingt. Untersuchungen zeigen zwar, dass die meisten Menschen Windenergie unterstützen – spezifische Windkraftprojekte verursachen dann aber doch Widerstand.

Ausbauszenarien. „Leider kann man mit der statistischen Akzeptanz nicht viel anfangen. Die Gründe, warum jemand Windräder mag oder nicht, werden in den Umfragen nie angegebenen“, sagt Patrick Scherhaufer vom Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik an der Uni für Bodenkultur in Wien. Gemeinsam mit Kollegen vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung (Thomas Schauppenlehner, Boris Salak) sowie vom Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung (Stefan Höltinger, Johannes Schmidt) führt er das Projekt TransWind durch, das im Austrian Climate Research Program (ACRP) gefördert wird.

Ziel des zweijährigen Projekts ist es, Ausbauszenarien der Windenergie in Österreich zu bewerten. Im Mittelpunkt steht die Frage der sozialen Akzeptanz. Zu Hilfe nehmen die Forscher dabei das Akzeptanzdreieck von Rolf Wüstenhagen, Professor für Management Erneuerbarer Energien an der Uni St. Gallen. Er unterscheidet drei Dimensionen der Akzeptanz – die soziopolitische, die lokale und die Marktakzeptanz.

Im Projekt TransWind wird mit einer Modellierung gearbeitet, die – basierend auf den Daten des österreichischen Windatlas – optimale Standorte für die Nutzung von Windenergie in Österreich berechnet. Daraus lässt sich unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien zu den ökonomischen, rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen das Windkraftpotenzial für Österreich ableiten.

Gegenseitiger Austausch. Für das Projekt wurde eine Referenzgruppe miteinbezogen, die sich aus Repräsentanten der Windbranche, Behörden, Umwelt- und Naturschutz, Regulatoren, Interessenvertretungen, Unternehmen sowie privater Planungsbüros zusammensetzt. Zwischen der Referenzgruppe und den Wissenschaftlern wird eine Plattform zum gegenseitigen Austausch kreiert. „Dies ist aber nicht der Ort, um sich gegenseitig zu überzeugen; alle Perspektiven sind hier relevant“, erklärt Scherhaufer. „Transdisziplinäres Arbeiten steht im Vordergrund, die Wissenschaft profitiert, indem das Umsetzungspotenzial von wissenschaftlichen Ergebnissen erhöht wird. Die Universität für Bodenkultur ist dafür ein guter Ort – hier wird Transdisziplinarität gelebt“, betont Scherhaufer weiter.

Die Aufgabe der Mitglieder der Referenzgruppe ist es, das Projekt zu begleiten, Forschungsabläufe mitzubestimmen und fachspezifisches Wissen einzubringen. Um dies möglich zu machen, gibt es mehrere Workshops. Zusammen mit den Repräsentanten der Referenzgruppe werden fünf bis sieben Fallbeispiele in verschiedenen Regionen von Österreich ausgewählt. Es werden dabei Gebiete im Osten und im Westen Österreichs berücksichtigt, um Informationen sowohl über das Repowering (durch den Austausch der Anlage werden der Wirkungsgrad und die Leistung erhöht) als auch über sensible Landschaftstypen zu erhalten.

Mithilfe von zwei bis drei Fokusgruppen pro Fallbeispiel und interaktiver 3-D-Visualisierungen wird untersucht, wie die Bevölkerung auf Windkraftprojekte reagiert. Dadurch wird es möglich, in Echtzeit verschiedene Planungsstrategien in Verbindung mit visuellen Auswirkungen auf die Umgebung zu beurteilen. Ziel ist es, die kulturellen Wertvorstellungen und sozioökonomischen Interessen bezüglich Planung und Betrieb von Windparks beschreiben und erklären zu können.

Ein Durchbruch der Windenergie im österreichischen Energiesystem ist ohne Mithilfe der lokalen Bevölkerung, die von den Windparks direkt betroffen ist, nicht machbar, betonen die Forscher. Sie müsse vielmehr von Anfang an in die Projekte miteinbezogen werden, alle Fragen müssten gehört und beantwortet werden – und Missverständnisse frühzeitig beseitigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2014)

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